Rz. 4

§ 99 Abs. 1 bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine (echte) Klageänderung zulässig ist. Absatz 2 enthält hierzu eine ergänzende Regelung. Um feststellen zu können, ob ein umgestellter Klageantrag zulässig ist, muss allerdings zunächst geprüft werden, ob überhaupt eine (echte) Klageänderung i. S. d. Abs. 1 vorliegt. Absatz 3 legt einige Fälle fest, die nicht als Klageänderung nach Abs. 1 anzusehen sind. Darüber hinaus sind weitere Abgrenzungen vorzunehmen. Handelt es sich um eine Klageänderung i. S. d. § 99 Abs. 1, sind neben den Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Änderung die allgemeinen Prozessvoraussetzungen für die geänderte Klage zu prüfen. Im Folgenden soll zunächst eine Abgrenzung der Klageänderung gegenüber einer sonstigen Umstellung eines Antrags (im weitesten Sinne) vorgenommen werden.

2.1 Klageänderung nach § 99 Abs. 1

 

Rz. 5

Klageänderung bedeutet Änderung des Streitgegenstands, d. h. des prozessualen Anspruchs in einem bereits anhängigen Klageverfahren (zum Begriff des Streitgegenstands nach der herrschenden prozessualen Theorie und der ständigen Rspr. des BSG siehe SozR 3-1500 § 96 Nr. 9).

 

Rz. 6

Die Änderung kann sich aus einer Änderung des Klageantrags, des Klagegrundes, also des zugrunde liegenden Sachverhalts, oder aufgrund eines Beteiligtenwechsels ergeben.

Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen der Kläger – etwa auf einen Hinweis des Vorsitzenden nach § 106 Abs. 1 – den Klageantrag klarstellt oder berichtigt (LSG NRW, Urteil v. 9.11.2000, L 5 KR 12/00) oder erstmals sachdienlich formuliert. In einem solchen Fall liegt keine Klageänderung vor. Stellt der Kläger eingangs keinen ausdrücklichen Antrag, so ist es eine Frage der Auslegung anhand des geschilderten Sachverhalts, ob sich das Begehren durch eine neue oder anderweitige Schilderung oder einen erstmals gestellten Antrag geändert hat und damit eine Klageänderung vorliegt oder ob es sich nur um einen ergänzenden Sachvortrag handelt, der Sachverhalt an sich aber keine Änderung erfahren hat (vgl. den Fall des BSG, Urteil v. 17.2.2005, B 13 RJ 31/04 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 3 = NZS 2006 S. 53 = SGb 2006 S. 311, zu der während des Verfahrens eingetretenen Rechtsänderung bei den Erwerbsminderungsrenten). Auch für die Auslegung von Prozesshandlungen ist die Auslegungsregel des § 133 BGB entsprechend anzuwenden (BSG, SozR 3-2500 § 95 Nr. 1 m. w. N.). Zu berücksichtigen ist außerdem, dass das Gericht nach § 123 ohnehin nicht an die genaue Fassung der Anträge gebunden ist. Die Klageänderung muss sich daher deutlich aus dem neuen Antrag, einem neuen Sachverhalt oder einem Beteiligtenwechsel ergeben. So kann nach der Rechtsprechung des BSG unter Umständen nicht von einer Klageänderung gesprochen werden, wenn aufgrund eines Versicherungsfalls mehrere Leistungen begehrt werden, z. B. bei einem Antrag auf Arbeitslosengeld weitere Leistungen des Arbeitsamtes begehrt werden (vgl. SozR 3-4100 § 100 Nr. 5).

 

Rz. 7

Eine Klageänderung liegt daher auch nicht vor, wenn

 

Rz. 8

Es handelt sich dagegen um eine Klageänderung i. S. d. Abs. 1, wenn

  • der Kläger in einem Verfahren wegen Herabsetzung des GdB von der zunächst erhobenen Anfechtungsklage übergeht zu einer Verpflichtungsklage, weil er nunmehr nicht mehr die Rechtswidrigkeit des Herabsetzungsbescheids geltend macht, sondern eine Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustands zu einem späteren Zeitpunkt (BSG, Urteil v. 15.8.1996, 9 RVs 10/94, SozR 3-3870 § 4 Nr. 13),
  • der Kläger neben der Erhöhung des GdB nunmehr auch die Zuerkennung eines Merkzeichens begehrt (BSG, Urteil v. 12.12.1995, 9 BVs 28/95; LSG Berlin-Brandenbur...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge