Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. GdB. Berücksichtigung von Behinderungen im Klageverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Im Klageverfahren wegen der Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) nach dem SchwbG sind nach Erteilung der angefochtenen Bescheide alle Behinderungen zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen. Auch bis dahin nicht durch Bescheid festgestellte Behinderungen sind der Ermittlung des GdB mit zugrunde zu legen, ohne daß darin eine Klageerweiterung nach § 99 SGG liegt. Eine teilweise Klageabweisung mit der Begründung, daß wegen der neu geltend gemachten Behinderung zunächst ein erneutes Verwaltungsverfahren nach § 48 SGB 10 durchzuführen sei, kommt insoweit nicht in Betracht.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 24.02.1998; Aktenzeichen B 9 SB 40/97 B)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers nach dem Schwerbehindertengesetz.

Der 1953 geborene Kläger beantragte erstmals im Juni 1993 beim Versorgungsamt die Feststellung von Behinderungen und eines entsprechenden GdB. Zur Begründung gab er an, er leide an einem Bandscheibenleiden, Krämpfen im Bereich des linken Handgelenkes, Plattfüßen, einer Fettleber und einer starken Sehbehinderung. Das Versorgungsamt holte Befundberichte der Internistin Dr. R, des Augenarztes Dr. F sowie eine gutachterliche Stellungnahme hierzu ein.

Mit Bescheid vom 21.09.1993 stellte das Versorgungsamt als Behinderungen des Klägers mit einem GdB von 20 fest:

1.      Degenerativ bedingte Funktionsbehinderung der Wirbelsäule,

2.      Fußdeformität beiderseits,

3.      Fettleber.

Weiter wurde ausgeführt, die Sehbehinderung bedinge keinen GdB von wenigstens 10 und gelte daher nicht als Behinderung. Eine Funktionsbehinderung im Bereich des linken Handgelenkes sei nicht festgestellt worden.

Im Widerspruchsverfahren holte das Versorgungsamt einen weiteren Befundbericht der Frau Dr. R ein. Diese teilte mit, der Kläger habe etwa 1968 eine Fraktur des linken Handgelenkes erlitten und verspüre seitdem etwa zwei- bis dreimal jährlich ein Krampfgefühl im linken Handgelenk. Die Ärztin für Chirurgie und Gefäßchirurgie Dr. G führte in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme hierzu aus, beim Kläger bestünden röntgenologisch posttraumatische Veränderungen am linken Handgelenk nach einer Fraktur im Jahr 1968, wofür sich jedoch kein GdB von wenigstens 10 ergebe. Aufgrund des vorliegenden augenärztlichen Befundberichtes betrage die Sehschärfe mit Brille beiderseits 100 vH. Als Behinderung mit zu berücksichtigen sei aber ein Gesichtsfeldausfall beiderseits, der einen GdB von 10 bedinge. Darauf stellte das Versorgungsamt mit Teilabhilfebescheid vom 10.01.1994 eine "Sehbehinderung" als weitere Behinderung fest. Den weitergehenden Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.1994 zurück.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Trier hat der Kläger geltend gemacht, die Behinderungen seien insgesamt höher als mit einem GdB von 20 zu bewerten. Die Funktionsbeeinträchtigung des linken Handgelenkes sei als Behinderung festzustellen. Bei ihm bestehe eine deutliche geistige Behinderung, da seine geistige Entwicklung sich verzögert habe. Sein Intelligenzquotient liege deutlich unter der Mittellinie.

Mit Urteil vom 03.04.1996 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe derzeit kein Anspruch auf Feststellung einer zusätzlichen Behinderung, insbesondere auf Feststellung einer geistigen Behinderung und auf Anerkennung eines höheren GdB als 20 zu. Die vom Kläger im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren geltend gemachten Behinderungen seien bereits festgestellt, bis auf die Beschwerden am linken Handgelenk nach einer Fraktur im Jahr 1968. Diese bedinge lediglich einen GdB von weniger als 10 und stelle daher keine Behinderung dar. Eine vom Kläger erstmals mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 04.03.1994 geltend gemachte geistige Behinderung sei nicht festzustellen, da diese erstmals im Klageverfahren geltend gemacht worden sei. Der Kläger müsse insoweit zunächst einmal einen entsprechenden Antrag beim Beklagten stellen.

Am 21.06.1996 hat der Kläger gegen das ihm 23.05.1996 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. A.

Der Sachverständige hat den Kläger im Januar 1997 untersucht und ist zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger bestehe auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ein Wirbelsäulenschmerzsyndrom ohne nachweisbare radikuläre Ausfälle oder Schädigungszeichen (GdB 20), weitgehend belastungsabhängige Handgelenksschmerzen links ohne nachweisbare Handnervenschädigung mit nur zeitweiliger und leichter Funktionsbehinderung (GdB 10) sowie eine leicht ausgeprägte Intelligenzminderung, wonach der Kläger bei allgemeinen oder individuellen wirtschaftlichen und s...

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