Rz. 2

Die Vorschrift betrifft nur richterliche Fristen, d. h. Fristen, die den Beteiligten durch den Vorsitzenden, den Berichterstatter oder (im Termin zur mündlichen Verhandlung) den Spruchkörper für die Vornahme einer Prozesshandlung gesetzt werden (s. Rz 5). Zuständig sind ferner der beauftragte und ersuchte Richter. Die Frist wird  i. d. R. durch nicht anfechtbare richterliche Verfügung festgesetzt (§ 172 Abs. 2 SGG). Auf Antrag oder von Amts wegen können sie - auch mehrfach - verlängert werden)(Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, 2017, § 65 Rn. 3). Soweit demgegenüber die Auffassung vertreten wird, richterliche Fristen könnten nur auf Antrag verlängert werden (so Hommel, in: Peters/Sautter/Wolff, SGG, 4. Aufl., Juni 2015, § 65 Anm. 3), überzeugt das nicht. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass sowohl der Untersuchungsgrundsatz als auch die Offizialmaxime (Betreiben des Verfahrens von Amts wegen) eine Änderung der Frist zulassen.

 

Rz. 3

Der Antrag kann formlos gestellt werden, also schriftlich, mündlich oder zu Protokoll (hierzu LSG Sachsen, Beschluss v. 9.9.2013, L 3 AS 950/13 B PKH, juris). Für Anträge vor dem BSG gilt Vertretungszwang (Hommel, a. a. O., § 65 Anm. 3). Der Antrag kann wiederholt werden. Er kann sowohl vor als nach dem Beginn, aber nicht mehr nach Ablauf der Frist gestellt werden. Ein innerhalb der Frist gestellter Antrag hat entweder wiederholende Funktion oder zielt auf eine Fristverlängerung, die grundsätzlich möglich ist (vgl. Rz. 7). Ein nach Fristablauf gestellter Antrag ist ein neuer Antrag (LSG Sachsen, Beschluss v. 9.9.2013, L 3 AS 950/13 B PKH, juris). Wird ein solcher Antrag positiv beschieden, handelt es sich nicht um eine Fristverlängerung, sondern um die (zulässige) Gewährung einer neuen Frist. Eine Fristverlängerung von Amts wegen ist statthaft (vgl. Rz. 1).

 

Rz. 4

Antragsberechtigt sind nicht nur Beteiligte (§ 69 SGG), sondern jeder von der Frist Betroffene, also auch Sachverständige und Privatpersonen. Die Entscheidung über die Fristverlängerung ist den Beteiligten mitzuteilen (Keller, a. a. O., § 65 Rn. 5). Das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren (§ 62 SGG), ist zu beachten (LSG Sachsen, Beschluss v. 12.12.2014, L 3 AL 180/14 B, juris).

 

Rz. 5

Zuständig ist der Vorsitzende. Soweit vertreten wird, für alle richterlichen Handlungen sei grundsätzlich das Gericht zuständig, weswegen "sehr wohl" auch das Gericht richterlichen Fristen verlängern oder abkürzen könne (Hommel, a. a. O., § 65 Anm. 2), überzeugt das nicht. Der Wortlaut des § 65 Satz 1 ist eindeutig. Er weist die Zuständigkeit unmissverständlich dem Vorsitzenden zu. Lediglich über diesen substituierende Vorschriften des SGG kann dessen Zuständigkeit verdrängt werden. Hat der originär zuständige Vorsitzende seine Aufgaben nach den §§ 104, 106 bis 108 und 120 einem Berufsrichter des Senats übertragen (§ 155 Abs. 1), wird letzterer zuständig. Das gilt ungeachtet dessen, dass § 65 Satz 1 in dieser Normenkette nicht enthalten ist. Jedenfalls über § 106 Abs. 2 bzw. Abs. 3 wird die Zuständigkeit des Vorsitzenden verdrängt, wenn nach § 155 Abs. 1 verfahren und ein Berichterstatter bestellt wird (§ 155 Abs. 4). Innerhalb der mündlichen Verhandlung ist der Spruchkörper zuständig. Dieser entscheidet dann mit den ehrenamtlichen Richtern. Für die Beweisaufnahme außerhalb der mündlichen Verhandlung kann der Spruchkörper einen Richter beauftragen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 361 Abs. 1 ZPO). Der beauftragte Richter übernimmt im Rahmen des Auftrags die Zuständigkeiten des Vorsitzenden und damit auch die Befugnis, richterliche Fristen zu setzen. Für den ersuchten Richter (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 362 Abs. 1 ZPO) gilt Nämliches (hierzu Hommel, a. a. O., § 65 Anm. 3).

 

Rz. 6

Die Verlängerung oder Verkürzung der Frist (§ 65 Satz 1) ist eine Entscheidung. Innerhalb mündlicher Verhandlung ergeht sie als Beschluss. Außerhalb der mündlichen Verhandlung ergeht sie als prozessleitende Verfügung (hierzu Hommel, a. a. O., § 65 Anm. 3). Sie ist unanfechtbar (§ 172 Abs. 2). Die ablehnende Entscheidung ergeht ausdrücklich. Die Fristsetzung muss wirksam sein. Mit der Formulierung "umgehend" wird keine ordnungsgemäße Frist gesetzt (LSG Sachsen, Beschluss v. 12.12.2014, L 3 AL 180/14 B, juris).

 

Rz. 7

Fristverlängerungen sind möglich (vgl. BSG, Beschluss v. 15.12.2016, B 5 R 238/16 B, juris). Wie der Fristantrag kann auch der Fristverlängerungsantrag formlos, also schriftlich, mündlich oder zu Protokoll gestellt werden (LSG Sachsen, Beschluss v. 9.9.2013, L 3 AS 950/13 B PKH, juris). Der Antrag muss vor Fristablauf gestellt werden (s. Rz 3).

 

Rz. 8

Allerdings besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Fristverlängerung. Der Vorsitzende entscheidet nach pflichtgemäßen Ermessen über den Antrag. Abzuwägen ist zwischen den Interessen des Antragstellers und den ggf. gegenläufigen Interessen anderer Verfahrensbeteiligter. Erkennt der Vorsitzende, dass das Verfahren nur verzögert werden soll, kann er nach § 106a verfahr...

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