Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Vollstreckung gegen eine Behörde. Beschwerde gegen Zwangsgeldandrohung. Beschwer. nicht ordnungsgemäße richterliche Fristsetzung mit der Formulierung "umgehend". Verletzung rechtlichen Gehörs. Zurückverweisung der Streitsache an das Sozialgericht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschwer des Beklagten ist immer gegeben, wenn das Gericht dem Antrag auf Klageabweisung nicht entsprochen hat (Anschluss an BSG vom 26.6.1973 - 8/2 RU 112/70 = BSGE 36, 62 = SozR Nr 5 zu § 562 RVO).

2. Eine richterliche Frist wird mit der Formulierung "umgehend" nicht ordnungsgemäß gesetzt, weil ausgehend von dieser weder ein Fristende bestimmt noch bestimmbar ist.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 14. November 2014 aufgehoben und der Antrag auf Androhung und nachfolgende Festsetzung eines Zwangsgeldes zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Chemnitz zurückverwiesen.

II. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung des Sozialgerichts Chemnitz vorbehalten.

 

Gründe

I.

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Beschwerde vom 26. November 2014 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 14. November 2014, in dem ihr als Vollstreckungsschuldnerin ein Zwangsgeld angedroht worden ist.

Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 23. September 2014 verurteilt, die Weiterbildungsmaßnahme der Klägerin zur Altenpflegerin vom 1. September 2014 bis zum 31. August 2015 durch Bildungsgutschein zu fördern.

Am 7. November 2014 hat die Klägerbevollmächtigte beantragt, gegen die Beklagten zur Erfüllung der sich aus dem Urteil vom 23. September 2014 ergebenden Verpflichtung zur Erteilung eines Bildungsgutscheines ein Zwangsgeld bis zur Höhe von 1.000,00 EUR anzudrohen und für den Fall der Nichterfüllung bis zum 20. November 2014 festzusetzen.

Das Sozialgericht hat den Antragsschriftsatz am 12. November 2014 um 11.01 Uhr an die Beklagte per Telefax übersandt mit der Gelegenheit zur "umgehenden" Stellungnahme. Auf dem Telefaxvorblatt ist die Angabe "Eilt!!!" angebracht gewesen. Am 14. November 2014 hat das Sozialgericht einen Beschluss erlassen, in dem der Beklagten aufgegeben worden ist, ihrer im Urteil vom 23. September 2014 auferlegten Verpflichtung bis zum 28. November 2014 nachzukommen (Nummer 1). Zugleich hat es angedroht, nach vergeblichem Fristablauf ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR festzusetzen. Dieser Beschluss ist der Beklagten am 14. November 2014 um 12.55 Uhr per Telefax übermittelt worden.

Die Beklagte, die am 16. Oktober 2014 Berufung (Az. L 3 AL 155/14) eingelegt hatte, hat mit zwei Schriftsätzen vom 14. November 2014, beim Landessozialgericht eingegangen am 18. November 2014, zum einen die Berufung begründet und zum anderen einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung gestellt.

Die Beklagte hat ferner am 26. November 2014 Beschwerde gegen den Beschluss vom 14. November 2014 eingelegt. Sie macht geltend, dass sie nicht davon ausgegangen sei, dass die Stellungnahme sofort, sondern lediglich relativ zeitnah erfolgen solle.

Die Beklagte beantragt,

den Beschluss vom 14. November 2014 aufzuheben und den Antrag abzulehnen, hilfsweise die aufschiebende Wirkung der Beschwerde nach § 175 SGG anzuordnen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerbevollmächtigte vertritt die Auffassung, dass es der Beklagten an einem Rechtsschutzbedürfnis mangle. Auch sei sie nicht beschwert. Die Klägerin habe ein besonderes Interesse an der Vollziehung des Urteils.

II.

1. Die Beschwerde der Beklagten ist entgegen der Auffassung der Klägerbevollmächtigten zulässig. Die Beklagte ist durch den Beschluss vom 14. November 2014 beschwert und besitzt für das Beschwerdeverfahren auch das Rechtsschutzbedürfnis.

Mit dem Begriff der Beschwer wird der Anspruch auf Überprüfung des Sachverhalts durch das Rechtsmittelgericht verstanden (vgl. BSG, Beschluss vom 19. September 2013 - B 3 KR 3/13 B - JURIS-Dokument Rdnr. 10). Die Beschwer ist die Ausprägung des Rechtsschutzbedürfnisses in den Rechtsmittelinstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Oktober 1955 - 5 RKn 10/55 - BSGE 1, 246 [252] = JURIS-Dokument Rdnr. 46; BSG, Urteil vom 16. Februar 1982 - 8/8a RK 9/80 - JURIS-Dokument Rdnr. 12; vgl. auch Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [11. Aufl., 2014], Vor § 143 Rdnr.5, m. w. N.). Die Beschwer des Beklagten ist immer gegeben, wenn das Gericht dem Antrag auf Klageabweisung nicht entsprochen hat (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 1973 - 8/2 RU 112/70 - BSGE 36, 62 [63] = JURIS-Dokument Rdnr. 17, m. w. N.; Leitherer, a. a. O., Rdnr.7, m. w. N.).

In diesem Sinne sind für die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss vom 14. November 2014 die erforderliche Beschwer und das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Es liegt nicht nur, wie die Klägerbevollmächtigte offenbar meint, eine bloß pekuniäre oder ideelle Beschwer vor.

Soweit die Klägerbevollmächtigte in diesem Zusammenhang vorträgt, die Klägerin sei von der Beklag...

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