2.3.6.1 Einführung

 

Rz. 148

Das Ablehnungsgesuch steht "in jedem Fall beiden Parteien zu" (§ 42 Abs. 3 ZPO). Für das SGG greift der weitergehende Begriff des "Beteiligten". Die Beteiligten bestimmt § 69 SGG als den Kläger, den Beklagten und den Beigeladenen (zu den Begriffen und den Unterschieden von Partei und Beteiligter ausführlich Frehse, Kompensation-ÜGG, S. 710 ff.). Nach § 44 Abs. 1 ZPO ist das Gesuch bei dem Gericht anzubringen, dem der Richter angehört. Es kann schriftlich, zu Protokoll der Geschäftsstelle und zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung erklärt werden. Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen (§ 44 Abs. 2 Satz 1 HS 1 ZPO), wobei eine Versicherung an Eides statt nicht zugelassen ist (§ 44 Abs. 2 Satz 2 HS 2 ZPO).

2.3.6.2 Form und Inhalt des Ablehnungsgesuchs (§ 44 ZPO)

 

Rz. 149

Die Vorschrift enthält mehrere, miteinander nur in losem Zusammenhang stehende Vorgaben. In den Abs. 1 und 2 sind besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen normiert. Abs. 3 legt dem abgelehnten Richter eine der Sachaufklärung dienende Mitwirkungspflicht auf. Abs. 4 bestimmt wiederum eine besondere Zulässigkeitsvoraussetzung, wenn die Sperre des § 43 ZPO überwunden werden soll.

 

Rz. 150

Die Ablehnung kann stets nur an das Verhalten einer oder mehrerer Person/en anknüpfen. Ein solcher Antrag erfordert grundsätzlich, dass der Antragsteller individuelle Gründe anführt, die Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines bestimmten Richters rechtfertigen (vgl. § 42 Abs. 2 ZPO). Das Gesetz sieht demzufolge auch nur die Ablehnung einer "Gerichtsperson" vor. Das Gesuch muss den Richter als Individualablehnung daher namentlich benennen (BFH, Beschluss v. 29.4.1996, V B 121-124/95). Demgegenüber führt eine Globalablehnung zur Unzulässigkeit des Gesuchs (BFH, Beschluss v. 4.3.2014, VII B 131/13; FG des Saarlandes, Urteil v. 23.9.2008, 1 K 1305/05; LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 15.12.2016, 22 Ta 23/16), es sei denn, der Abgelehnte ist zweifelsfrei bestimmbar (OLG Naumburg, Beschluss v. 13.2.2014, 10 W 68/13 (Abl); vgl. auch BSG, Beschluss v. 13.2.2012, B 6 KA 4/11 C: individualisierbar). Eine Ausnahme vom Grundsatz der Individualablehnung ist auch dann anzuerkennen, wenn der Ablehnungsgrund in der Mitwirkung an einer dem Beratungsgeheimnis unterliegenden Kollegialentscheidung besteht (BFH, Beschluss v. 3.8.2000, VIII B 80/99; Beschluss v. 30.9.1998, XI B 22/98). Hinreichend individualisiert kann ein Gesuch sein, wenn es sich gegen einen Spruchkörper richtet, dessen Mitglieder feststehen (vgl. BSG, Beschluss v. 31.7.1985, 9a RVs 5/84; BSG, Beschluss v. 28.5.2001, B 14 KG 3/01 B; BVerwG, Urteil v. 5.12.1975, VI C 129.74). Bezieht sich das Gesuch jedoch auf "alle bislang sachbefassten Richter des Gerichts", reicht dies zur Individualisierung der abgelehnten Richter nicht aus, weil aus ihr nicht eindeutig hervorgeht, ob sich das Ablehnungsgesuch nur gegen die Richter der vom erkennenden Spruchkörper entschiedenen Streitigkeiten oder aber gegen sämtliche mit Streitsachen des Antragstellers befassten Richter des Gerichts richtet (VGH Bayern, Beschluss v. 12.9.2011, 8 CE 11.1916). Werden alle Richter eines Gerichts abgelehnt, kann über die Ablehnungsgesuche unter Mitwirkung abgelehnter Richter entschieden werden, selbst wenn die Ablehnungsgesuche nicht als gänzlich untauglich oder rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sind (BVerwG, Beschluss v. 29.1.2014, 7 C 13/13).

 

Rz. 151

Die Begründung eines Ablehnungsgesuchs muss – jedenfalls in ihrem wesentlichen Kern – sofort abgegeben und kann nicht nachgereicht werden. Zur Zulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs gehört daher, dass der Ablehnende konkrete Tatsachen substantiiert bezeichnet, aus denen sich die Befangenheit ergeben soll. Ohne solche Angaben fehlt es an einem zulässigen Ablehnungsgesuch (OLG Köln, Beschluss v. 18.4.1996, 14 WF 66/96; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 44 Rn. 2). Das Gesuch muss den Ablehnungsgrund enthalten, d. h. die Angabe der Tatsachen, auf die sich die Ablehnung stützt. Der Tatsachenvortrag muss schlüssig sein (Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, § 44 Rn. 7), d. h. die das Gesuch stützenden Tatsachenbehauptungen müssen die Ablehnung rechtfertigen (vgl. auch Rz. 159). Der Ablehnungsgrund muss durch nachvollziehbaren Bezug zum konkreten Rechtsstreit wenigstens ansatzweise substantiiert werden; bloße Wertungen ohne Tatsachensubstanz genügen hierfür nicht (BVerwG, Beschluss v. 7.8.1997, 11 B 18.97; VGH Bayern, Beschluss v. 24.7.2017, 20 ZB 17.984). Der schlüssige Tatsachenvortrag ist mit präsenten Beweismitteln zu belegen (Musielak/Voit/Heinrich, a. a. O.). Fehlt es daran, ist das Gesuch unzulässig.

 

Rz. 152

Zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen und wegen der Folgen für den Fortgang des Verfahrens (§ 47 ZPO) ist eine sofortige Begründung des Ablehnungsgesuchs erforderlich, denn nur ein substantiiertes Ablehnungsgesuch kann nach § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht werden und nur zu einem begründeten Ablehnungsgesuch kann sich der Richter dienstlich äußern (OLG Köln, Beschluss v. 18.4.1996, 14 WF 66/96). Der fehlenden Begründung steht eine völlig ungeeignete...

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