Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 15.02.2001; Aktenzeichen L 17 U 344/99)

 

Tenor

Das Gesuch des Klägers betreffend die Ablehnung des 14. und 10. Senats des Bundessozialgerichts wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundessozialgericht Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Februar 2001 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger hat gegen das ihm am 12. März 2001 zugestellte Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 15. Februar 2001 mit von ihm selbst unterzeichneten Schreiben vom 4. April 2001 am 17. April 2001 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und für dies Rechtsmittel Prozeßkostenhilfe beantragt. Zugleich hat er „das 14 und 10 Senat des Bundessozialgerichts” „fuer die Entscheidung ueber die Zulassung der Revision wegen Befangenheit” abgelehnt. Zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs verwies er auf „dieser neueste nationalsozialistische Urteile” und für die „Deteils” auf eine als Anlage beigefügte 16seitige „Homepage”, deren erste neun Seiten und deren 10. Seite zu 2/3 identisch sind mit einer schon der Vorinstanz zur Begründung eines dort gestellten Ablehnungsgesuchs vorgelegten „Homepage”. Die Homepage wendet sich in polemischer Form gegen den Inhalt des Ausländergesetzes, des Bundeserziehungsgeldgesetzes und des Bundeskindergeldgesetzes sowie gegen die dazu ergangene Rechtsprechung. Im zweiten, mit „Neueste NS-Unrecht Urteile” überschriebenen Abschnitt der Homepage sind sieben Urteile des 14. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) aus den Jahren 1992 bis 1997 ohne Angabe der Besetzung sowie sieben weitere Urteile des 10. und des 14. Senats des BSG und ein Urteil des Bayerischen LSG aus den Jahren 1995 bis 1998, davon sechs mit Angabe der mitwirkenden Berufsrichter, aufgeführt. Die benannten Berufsrichter gehören – mit Ausnahme des bei einem einzigen der letztgenannten Urteile beteiligten Richters am BSG Masuch – seit 1. Januar 2001 dem erkennenden Senat nicht mehr an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II

Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig, so daß der Senat in unveränderter Besetzung darüber entscheiden kann (vgl BSG SozR Nr 5 zu § 42 Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫; BVerwGE 50, 36, 37; Bundesverwaltungsgericht ≪BVerwG≫ DÖV 1967, 747 ff; vgl auch die unveröffentlichte Entscheidung des 11. Senats des BSG vom 16. Februar 2001 – B 11 AL 19/01 B; BGH NJW 1974, 55; BVerfGE 11, 1, 5; 343 ff; 37, 67, 75).

Soweit der Kläger den 10. Senat abgelehnt hat, springt der Mißbrauch des Ablehnungsrechts ins Auge. Der 10. Senat ist mit der Entscheidung über das vom Kläger eingelegte Rechtsmittel gar nicht befaßt.

Was die Ablehnung des 14. Senats betrifft, so ist auch dieses Gesuch – wegen Mißbrauchs – unzulässig. Das Ablehnungsgesuch ist dahin auszulegen, daß lediglich die Berufsrichter des 14. Senats abgelehnt werden, zumal über Nichtzulassungsbeschwerden in der Regel nur die Berufsrichter des Senats entscheiden (vgl § 169 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫; BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5). Aber auch mit diesem Inhalt bleibt das Ablehnungsgesuch mißbräuchlich. Denn das Gesuch des Klägers läßt erkennen, daß er nicht die konkret mit der Entscheidung über sein Rechtsmittel befaßten Berufsrichter ablehnen wollte, sondern lediglich den Spruchkörper als solchen, ohne Rücksicht auf seine Besetzung. Das ergibt sich daraus, daß er sich überhaupt nicht vergewissert hat, wie denn der Spruchkörper besetzt ist, der über sein Rechtsmittel zu entscheiden hat. Er begründet sein Ablehnungsgesuch ua mit acht ihm mißliebigen Entscheidungen des BSG, schon ohne zu prüfen, welche Richter an den damaligen Entscheidungen mitgewirkt haben. Die Aufzählung der mitwirkenden Berufsrichter bei den übrigen angeführten Urteilen führt ebenfalls nicht zur Zulässigkeit des Ablehnungsgesuchs. Denn der Kläger legt in diesen Fällen nicht dar, ob und welche der von ihm benannten Berufsrichter auch über sein vorliegendes Rechtsmittel zu entscheiden haben. Insbesondere hat der Kläger nicht erkannt, jedenfalls nicht darauf hingewiesen, inwieweit in den angeführten Urteilen – ggf in welchen – ein oder mehrere Richter mitgewirkt haben, die auch über seine Nichtzulassungsbeschwerde zur Entscheidung berufen sind. Dabei ist es unerheblich, daß an einem einzigen der angeführten Urteile in der Tat Richter am BSG Masuch mitgewirkt hat, der auch in diesem Verfahren beteiligt ist. Auf diesen Umstand nimmt der Kläger nämlich gar nicht Bezug. Wäre es ihm im übrigen um die Ablehnung gerade dieses Richters gegangen, so hätte er diesen und nicht den gesamten Spruchkörper ablehnen müssen.

Ein der Entscheidung des BVerwG vom 5. Dezember 1975 (BVerwGE 50, 36) vergleichbarer Fall liegt nicht vor. Dort hatte der Kläger die namentlich aufgeführten Richter, die in derselben Sache an einem Armenrechtsbeschluß bewirkt hatten, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. In dem damals entschiedenen Fall war es dem Kläger unmöglich, nur den- oder diejenigen Richter abzulehnen, welche die vorausgegangene für ihn nachteilige Entscheidung „getragen”, dh für den Beschlußtenor gestimmt hatten, da die Individualisierung dieser Richter nur unter Bruch des Beratungsgeheimnisses möglich gewesen wäre. Alle damals abgelehnten Richter kamen daher als „Träger” der dem damaligen Kläger ungerecht erscheinenden Entscheidung in Betracht.

Hier dagegen hatte der Kläger die Möglichkeit, den einzigen Richter zu ermitteln, der an der ihm mißliebigen – übrigens nicht den Kläger selbst betreffenden – früheren Entscheidung mitgewirkt und somit diese möglicherweise mitgetragen hatte. Der Kläger mußte sich darüber im klaren sein, daß gegen die übrigen Mitglieder der von ihm angenommene Ablehnungsgrund nicht vorliegen konnte. Gleichwohl hat er unterschiedslos sämtliche Berufsrichter des Senats abgelehnt.

Eine Umdeutung des kollektiven Ablehnungsgesuchs in eine Ablehnung gerade des fraglichen einzelnen Richters scheidet aus, da der Kläger bewußt von einer ihm möglichen Individualisierung des oder der abzulehnenden Richter abgesehen hat.

Die beantragte Prozeßkostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil dem Rechtsmittel des Klägers die hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO) fehlt. Das ergibt sich schon daraus, daß es verspätet, nämlich nach Ablauf der nur bis zum 12. April 2001 eröffneten Beschwerdefrist (vgl § 160a Abs 1 Satz 2 SGG) beim BSG eingegangen ist und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) weder vom Kläger vorgetragen noch erkennbar sind. Aber selbst beim Vorliegen etwaiger Wiedereinsetzungsgründe insoweit müßte das Prozeßkostenhilfegesuch erfolglos bleiben, weil eine Durchsicht der Akten und eine Würdigung des klägerischen Vorbringens im Zusammenhang mit dem Prozeßkostenhilfeantrag keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen eines der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgezählten Zulassungsgründe erkennen lassen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Das LSG ist nicht erkennbar von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abgewichen (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Auch für einen Verfahrensfehler des LSG, auf dem das angefochtene Urteil beruhen könnte (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), ergibt sich kein Anhaltspunkt.

Die vom Kläger eigenhändig unterzeichnete Nichtzulassungsbeschwerde entspricht nicht der Formvorschrift des § 166 Abs 1 SGG, weil sich der Kläger nicht durch einen vor dem BSG vertretungsberechtigten Prozeßbevollmächtigten hat vertreten lassen (§ 166 Abs 2 SGG). Die sonach nicht formgerechte Beschwerde ist in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen, ohne daß zu dieser Entscheidung ehrenamtliche Richter hinzuzuziehen sind (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; BVerfGE 48, 246 = SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

SozSi 2003, 178

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