Rz. 158

Die Fallgestaltungen sind vielfältig. Immer aber ist ein missbräuchliches Gesuch unzulässig und als solches zu verwerfen. So kann ein völlig ungeeignetes oder querulatorisches Gesuch missbräuchlich sein. Entsprechendes gilt, wenn mit dem Gesuch ersichtlich verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden, dem eine Verschleppungsabsicht zugrundeliegt oder es verunglimpfend oder beleidigend formuliert ist.

 

Rz. 159

Ein Ablehnungsgesuch, das keine Begründung oder lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, ist unzulässig (BSG, Beschluss v. 23.10.2017, B 8 SO 28/17 BH; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 15.8.2017, L 13 AS 162/17; VGH Bayern, Beschluss v. 24.7.2017, 20 ZB 17.984; vgl. auch Rz. 151). Das ist etwa dann anzunehmen, wenn angesichts dessen Inhalts jedes Eingehen auf den Verfahrensgegenstand entbehrlich ist. Sofern indes eine – wenn auch nur geringfügige – Befassung mit dem Verfahrensgegenstand erforderlich ist, scheidet eine Ablehnung als unzulässig aus. Bei der Prüfung, ob ein Ablehnungsgesuch verworfen werden kann, ist das Gericht in besonderem Maße verpflichtet, das Ablehnungsgesuch seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen und ggf. wohlwollend auszulegen (BGH, Beschluss v. 1.6.2017, I ZB 4/16).

 

Rz. 160

Fehlerhaft ist es, wenn das Gericht im Gewand der Zulässigkeitsprüfung in eine Begründetheitsprüfung eintritt und sich damit zu Unrecht zum Richter in eigener Sache macht (VerfGH Sachsen, Beschluss v. 4.11.2010, Vf. 83-IV-10, e.A., Vf. 84-IV-10 [HS]). Hat z. B. ein abgelehnter Richter über das gegen ihn gerichtete Befangenheitsgesuch entschieden, weil er es lediglich nicht für "substantiiert begründet" gehalten hat, wird das Selbstentscheidungsrecht unzulässig auf Fälle der mangelnden Begründetheit eines Ablehnungsgesuchs ausgedehnt (BSG, Beschluss v. 17.12.2009, B 3 KR 32/09 B; Beschluss v. 27.10.2009, B 1 KR 51/09 B; vgl. aber BFH, Beschluss v. 24.8.2011, V S 16/11). Ist das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich oder offensichtlich unzulässig, weil der Ablehnungsgrund nicht substantiiert bzw. glaubhaft gemacht worden ist, entscheidet der Senat in der Besetzung mit dem abgelehnten Richter. Eine dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Richters ist dann ebenso wenig erforderlich wie eine Entscheidung über den Befangenheitsantrag in einem besonderen Beschluss. Überschreitet das Gericht bei dieser Prüfung die ihm gezogenen Grenzen, so kann dies seinerseits die Besorgnis der Befangenheit begründen (BVerfG, Beschluss v. 20.7.2007, 1 BvR 2228/06).

 

Rz. 161

Ein Befangenheitsantrag stellt sich als rechtsmissbräuchlich dar, wenn mit der Ablehnung verfahrensfremde, vom Sinn und Zweck des Ablehnungsrechts offensichtlich nicht erfasste Ziele verfolgt werden (BAG, Beschluss v. 17.3.2016, 6 AZN 1087/15). Gleiches gilt bei einem nicht ernsthaft gemeinten oder unter einem Vorwand bzw. allein aus prozesstaktischen Erwägungen gestellten Ablehnungsgesuch. Hat ein Beteiligter eine Vielzahl von Verfahren angestrengt (hier: über 80 Verfahren in 8 Jahren), kann dies im Rahmen der Bewertung eines Befangenheitsgesuches als prozesstaktisches Mittel Berücksichtigung finden (LSG Bayern, Beschluss v. 22.12.2016, L 5 KR 641/16 RG). Wird das Rechtsinstitut der Richterablehnung in derart rechtsmissbräuchlicher Weise eingesetzt, fehlt dem Befangenheitsgesuch ein Rechtsschutzinteresse, und es ist als unzulässig zu verwerfen (OLG Hamm, Beschluss v. 16.12.2011, I-32 W 20/11). Dies gilt auch dann, wenn eine Berufung nicht statthaft ist und daher (vorbehaltlich der nachträglichen Zulassung der Berufung) im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht inzident die Überprüfung des Ablehnungsgrundes als Verfahrensfehler erfolgt (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 29.8.2011, L 11 SF 163/11 AB). Die gegenteilige Auffassung (vgl. dazu die Übersicht bei Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, § 46 Rn. 10) vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil das o. a. Ziel, den befangenen Richter aus dem laufenden Verfahren auszuschließen, nach Beendigung des Verfahrens im Rahmen eines gesonderten Befangenheitsverfahrens nicht mehr erreicht werden kann (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 7.9.2011, L 11 SF 268/11 AB).

 

Rz. 162

Querulatorische Richterablehnungen sind zu verwerfen. Hierüber kann der abgelehnte Richter selbst entscheiden (BSG, Beschluss v. 23.10.2017, B 8 SO 28/17 BH). Das Entscheidungsverbot des § 45 Abs. 1 ZPO greift nicht. Voraussetzung ist, dass der abgelehnte Richter im Verwerfungsbeschluss nachvollziehbar darlegt, warum es sich um einen querulatotisch geprägten Antrag handelt (vgl. Rz. 154). So kann darauf verwiesen werden, dass der Antragsteller in hohem Maße uneinsichtig ist und sich sein Vorbringen auf Wiederholungen und Variationen des bekannten Sachverhalts reduziert (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 3.12.2014, L 11 KA 40/14 B RG; zum querulatorischen Verhalten vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 16.10.2014, L 11 SF 671/14 EK AS PKH; Beschluss v. 3.9.2014, ...

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