Rz. 2

Die Beweisaufnahme im sozialgerichtlichen Verfahren erfolgt dem Untersuchungsgrundsatz gem. § 103 folgend unabhängig von etwaigen Beweisanträgen der Beteiligten. Sogar an deren Vorbringen ist das Gericht nicht gebunden, wie sich aus § 103 Satz 2 ergibt. Das Gericht hat also auch über solche Tatsachen Beweis zu erheben, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Das Gericht braucht jedoch nicht sämtliche ihm von den Beteiligten unterbreiteten Tatsachen einer Überprüfung zu unterziehen. Sofern vernünftigerweise kein Zweifel an dem Vorliegen/Nichtvorliegen einer Tatsache bestehen kann, braucht das Gericht keine entsprechenden Ermittlungen anzustellen. Gleiches gilt für allgemeinbekannte oder auch nur gerichtsbekannte Tatsachen.

Insgesamt hat das Gericht allein denjenigen Tatsachen nachzugehen, die entscheidungserheblich sind. Der Grad der Wahrscheinlichkeit, mit der eine Tatsache festgestellt sein muss, kann dabei von Tatbestand zu Tatbestand differieren. Sofern das Gesetz keine anderweitige Aussage trifft, ist eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit zu verlangen. Die Überzeugungskraft muss sich als derart hoch darstellen, dass für vernünftige Restzweifel kein Raum mehr besteht (vgl. BSG, Urteil v. 27.11.1985, 2 RU 17/85, HV-INFO 1986 S. 241; BSG, Urteil v. 5.5.1993, 9/9a RV 1/92, Breithaupt 1994 S. 46 ff.).

Wird dieser Wahrscheinlichkeitsgrad nicht erreicht und bestehen keine Beweiserleichterungen, so hat das Gericht zu prüfen, wer den Nachteil dieses Zustands zu tragen hat. Der Begriff der Beweislast im technischen Sinne ist dem sozialgerichtlichen Verfahren angesichts der Untersuchungsmaxime fremd. Den Nachteil trägt im Grundsatz derjenige, der mit der nunmehr nicht erwiesenen Tatsache einen Anspruch begründen oder aber eine Einrede erheben wollte.

 

Rz. 3

Ungeachtet des § 103 Satz 2 ist ein Beweisantrag nicht gänzlich bedeutungslos. Für die Revisionszulassung etwa spielt er im Rahmen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 eine nicht unerhebliche Rolle, wobei an ihn dann allerdings auch qualitative Mindestanforderungen zu stellen sind (vgl. hierzu BSG, Beschluss v. 13.7.1999, B 7 AL 242/98 B, juris; BSG, Beschluss v. 4.11.1999, B 7 AL 6/99 B, juris).

 

Rz. 4

Die Beweisaufnahme des Gerichts erfolgt nach Beweisbeschluss (§§ 358 ff. ZPO). Im Verfahren vor der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Wahl zwischen Ermittlungen nach § 106 Abs. 2 und dem Erlass eines Beweisbeschlusses gemäß § 118 SGG i. V. m. § 358a ZPO (vgl. § 106 Abs. 3). Für die mündliche Verhandlung selbst gilt § 358 ZPO. Die Vorschrift betrifft insbesondere die Vertagung. Der Vertagungsbeschluss wird oft mit einem Beweisbeschluss verbunden sein. Für den Inhalt des Beweisbeschlusses gilt § 359 ZPO. Eine Beschwerde gegen einen Beweisbeschluss findet nicht statt, § 172 Abs. 2.

 

Rz. 5

Die übrigen Vorschriften des Zweiten Buches der ZPO, Erster Abschnitt, Fünfter Titel, erklärt § 118 mit Ausnahme des § 364 ZPO für entsprechend anwendbar. Dass die Anwendung nur entsprechend erfolgt, äußert sich darin, dass eine Zustimmung des Gegners nach § 360 Satz 2 ZPO ebenso wenig erforderlich ist wie der Antrag nach § 367 Abs. 2 ZPO. Beides ließe sich mit dem Untersuchungsgrundsatz des § 103 nicht in Einklang bringen.

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