0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

§ 99 ist durch das Rentenreformgesetz v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) mit Wirkung zum 1.1.1992 in Kraft getreten. Die Vorschrift ist seitdem unverändert.

1 Allgemeines

 

Rz. 1a

Die Vorschrift, die die Regelungen in § 1290 RVO, § 67 AVG im Wesentlichen übernommen hat, enthält Regelungen für den erstmaligen Beginn sowie die Wiedergewährung einer Rente. § 99 macht keine Aussagen zur Änderung laufender Renten sowie zum Ende einer Rentengewährung. Dies ist vielmehr ausschließlich in § 100 geregelt. Den Beginn einer befristeten Rente bestimmt die Sonderregelung in § 101. § 99 Abs. 1 regelt den Beginn einer Rente aus eigener Versicherung; Abs. 2 betrifft den Beginn einer Hinterbliebenenrente. Der Gesetzgeber hat den Grundsatz aufgestellt, dass die Renten mit Beginn des Kalendermonats, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, zu leisten sind, wenn der Antrag innerhalb einer einheitlichen Frist von 3 Monaten gestellt wurde. Die im ursprünglichen Gesetzentwurf (BT-Drs. 11/4124) auch für die Hinterbliebenenrenten geltende 3-Monats-Frist wurde im weiteren Gesetzgebungsverfahren (BT-Drs. 11/5530) auf eine Jahresfrist geändert. Nach der Gesetzesbegründung soll die Verlängerung dieser Frist für Hinterbliebenenrenten den Verlust von Rentenansprüchen in den Fällen vermeiden, in denen Hinterbliebene aus Unkenntnis über den Tod des Versicherten oder über das Bestehen eines Rentenanspruchs erst innerhalb der verlängerten Frist einen Rentenantrag stellen können. Bei allen Fristen handelt es sich um sog. Ausschlussfristen, sodass auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB X) nicht mehr möglich ist. Für Witwen-/Witwerrenten an vor dem 1.7.1977 geschiedene Ehegatten ist die Sonderregelung in § 268 zu beachten. Vergleichbare Regelungen enthalten z. B. § 324 SGB III und § 60 Abs. 1 BVG (ab 1.1.2024 § 11 Abs. 1 SGB XIV).

2 Rechtspraxis

2.1 Antrag

 

Rz. 2

Die Vorschriften in den §§ 99 bis 102 bestimmen den Zeitpunkt des Entstehens und der Fälligkeit der aus dem Stammrecht resultierenden Einzelansprüche. Der tatsächliche Rentenbeginn ist jedoch unabhängig von Ruhensbestimmungen (§§ 90ff.) oder Verjährungsvorschriften (§ 45 SGB I) davon abhängig, dass ein Rentenantrag rechtzeitig gestellt wird.

Der Antrag (Leistungsantrag i. S. v. § 16 SGB I) ist Voraussetzung für die Einleitung des Verwaltungsverfahrens beim Versicherungsträger (§ 115 Abs. 1). Das Rentenverfahren beginnt somit an dem Tag, an dem der Antrag gestellt wird, also dem Rentenversicherungsträger zugeht. Dies gilt auch in den Fällen des § 116, wobei dort der Rentenantrag aufgrund des Reha-Antrags fingiert wird, soweit die Voraussetzungen gemäß § 116 Abs. 2 erfüllt sind. Es kommt dann auf den Zugang des Reha-Antrags an. Für Witwen-/Witwerrenten gilt gemäß § 115 Abs. 2 der Antrag auf Zahlung eines Vorschusses als Antrag auf die Hinterbliebenenrente. Eine materiell-rechtliche Wirkung in dem Sinne, dass das Stammrecht erst durch die Antragstellung ausgelöst wird, besteht nicht. Das Stammrecht auf eine Rente entsteht bereits mit der Erfüllung sämtlicher gesetzlicher Voraussetzungen. Die (fristgerechte) Antragstellung bewirkt nur, dass aus dem bestehenden Stammrecht ein Zahlungsanspruch wird, also die aus dem Stammrecht abgeleitete erste Einzelleistung entsteht (Hess. LSG, Urteil v. 23.4.2008, 5 R 22/06). Der Antrag kann vom Antragsteller jederzeit zurückgenommen werden und vernichtet damit die ursprüngliche Wirkung des Antrages rückwirkend (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 26.2.2016, L 14 R 774/15, und Urteil v. 12.1.2018, L 14 R 185/17).

 

Rz. 3

Antragsberechtigt ist neben dem Versicherten und Hinterbliebenen auch der jeweilige Träger der Grundsicherung, dem der Gesetzgeber ein eigenständiges Antragsrecht in § 5 Abs. 3 SGB II und § 95 SGB XII (früher § 91a BSHG) eingeräumt hat. Der Rentenantrag ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die voraussetzt, dass der Erklärende gemäß § 11 SGB X in der Lage ist, Handlungen im Verwaltungsverfahren vorzunehmen. Das können neben geschäftsfähigen Personen (§ 11 Nr. 1 SGB X) auch Minderjährige sein, die das 15. Lebensjahr vollendet haben (§ 11 Nr. 2 SGB X i. V. m. § 36 SGB I). Einer besonderen Form bedarf der Antrag nicht. Er setzt nur eine auf die Gewährung der Leistung gerichtete Willenserklärung gegenüber einer der in § 26 SGB I genannten Stellen voraus. Wird ein Rentenantrag von einem Geschäftsunfähigen (ohne gesetzlichen Vertreter) gestellt, so beginnt die Antragsfrist des § 99 mit der Bestellung eines gesetzlichen Vertreters. Insoweit ist der Rechtsgedanke aus § 210 BGB entsprechend anzuwenden.

 

Rz. 4

Da der Rentenversicherungsträger den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat (§ 20 SGB X), müssen auch nur auf bestimmte Rentenarten gerichtete Anträge in Anträge auf andere Rentenarten umgedeutet werden, wenn dies den erkennbaren Interessen des Antragstellers entspricht. Denn es ist i. d. R. davon auszugehen, dass der Rentenantragsteller eine Rentenleistung vom Rentenversicherungsträger begehrt, wobei es für ihn unerheblich ist,...

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