Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 23.10.1987)

SG Koblenz (Urteil vom 13.01.1987)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Oktober 1987 und des Sozialgerichts Koblenz vom 13. Januar 1987 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob sich der Anspruch auf Förderung einer Ausbildung nach § 40 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in Anwendung des § 18 Abs 1 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung (AusbFöAnO) vom 31. Oktober 1969 (ANBA 1970, 213) in der Fassung der 25. Änderungsanordnung vom 23. Mai 1984 (ANBA 1984, 1037) bei der Anrechnung der vom Vater des Auszubildenden erzielten „Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Abzug der Steuern” dadurch vermindert, daß eine steuerliche Vergünstigung nicht im Wege des Lohnsteuerjahresausgleichs, sondern durch Eintragung eines Steuerfreibetrages auf der Lohnsteuerkarte in Anspruch genommen wird.

Die beklagte BA gewährte dem Kläger für die Teilnahme an einem Förderungslehrgang vom 12. August 1985 bis zum 27. Juni 1986 Berufsausbildungsbeihilfe (BAB), und zwar monatlich für die Zeit vom 12. August 1985 bis zum 30. September 1985 DM 934,–, bis zum 31. Dezember 1985 DM 961,– und bis zum 27. Juni 1986 DM 831,– (Bescheid vom 26. September 1985, Änderungsbescheid vom 1. Oktober 1985; Widerspruchsbescheid vom 21. November 1985). Bei der Berechnung des Einkommens des Vaters, das sich mindernd auf die Höhe der BAB auswirkt, zog die Beklagte von dem monatlichen Bruttoeinkommen zuzüglich des Kindergeldes die Sozialversicherungsbeiträge und die Werbungskosten ab, jedoch keine Steuer, da aufgrund einer Abschreibungsmöglichkeit nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein monatlicher Freibetrag von im Jahre 1985 DM 2.500,– in die Lohnsteuerkarte eingetragen war und demzufolge keine Lohnsteuer einbehalten wurde.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, höhere BAB zu bewilligen, wobei das Einkommen fiktiv unter Abzug der normalerweise einzubehaltenden Lohnsteuer zu berechnen sei (Urteil vom 13. Januar 1987). Das Landessozialgericht (LSG) hat die – zugelassene – Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Beklagte unter Neufassung der Urteilsformel „verpflichtet, bei der Feststellung der Steuern zur Ermittlung des Einkommens nach § 18 Abs 1 A-Ausbildung den dem Vater des Klägers eingetragenen Freibetrag außer Betracht zu lassen” (Urteil vom 23. Oktober 1987; veröffentlicht in ZfSH/SGB 1988, 101 = Breithaupt 1988, 147).

Die Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision Verletzung der §§ 40 AFG, 18 Abs 1 AusbFöAnO.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG vom 23. Oktober 1987 und das Urteil des SG vom 13. Januar 1987 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II

Auf die Revision der Beklagten waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Das angefochtene Urteil ist kein Verpflichtungsurteil, obgleich es die Beklagte zu einer bestimmten Berechnungsweise „verpflichtet”. Vielmehr wird die Beklagte auf eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Zahlung einer höheren BAB verurteilt, bei deren Berechnung vom Bruttoeinkommen des Vaters die Lohnsteuer abzuziehen ist, die ohne Berücksichtigung des auf der Steuerkarte eingetragenen Freibetrages einzubehalten gewesen wäre. Es handelt sich also um eine Verurteilung zur Leistung dem Grunde nach. Jedenfalls ist die umstrittene Berechnungsweise selbst nicht Streitgegenstand. Streitgegenstand ist vielmehr der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch auf höhere BAB. Soweit das Klagevorbringen die Berechnungsweise betrifft, handelt es sich nicht um eine Beschränkung auf dieses Element, sondern um eine Begründung des Klageanspruchs. Diese kann sich allenfalls dahin auswirken, daß keine höhere BAB zugesprochen werden darf als die, die sich bei der geforderten Berechnungsweise ergibt (vgl BSG Urteil vom 22. September 1988 – 7 RAr 77/86 – und Urteil vom 24. August 1988 – 7 RAr 36/87).

Aufgrund der vom LSG getroffenen Feststellungen vermag der Senat abschließend zu beurteilen, daß dem Kläger keine höhere als die von der Beklagten bewilligte Berufsausbildungsbeihilfe zusteht. Bei der Berechnung der BAB ist nach § 10 AusbFöAnO auf den Bedarf (§ 9 Satz 1) in dem nach § 40 Abs 1 Satz 2 AFG, §§ 15 bis 17 AusbFöAnO bestimmten Umfang das Einkommen der Eltern des Auszubildenden anzurechnen (§ 18). Das LSG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob dem Vater des Klägers neben dem festgestellten Bruttoeinkommen aus nicht selbständiger Arbeit ein Wohnwert – vermindert um hierauf entfallende Werbungskosten – zugeflossen ist, was die vom LSG erwähnte Abschreibungsmöglichkeit nach § 7b EStG nahelegt. Das ist nicht zu beanstanden, da Wohnwert und hierauf entfallende Werbungskosten unabhängig von ihrer Höhe einen Anspruch auf höhere BAB nicht begründen können. Zu den Einkünften in Geld oder Geldeswert im Sinne des § 18 Abs 1 AusbFöAnO rechnet allerdings auch der Mietwert eines selbstbewohnten Eigenheimes, wobei die notwendigen Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen als Werbungskosten abzusetzen sind, wie das Bundessozialgericht (BSG) zu § 138 Abs 2 AFG bereits entschieden hat (SozR 4100 § 138 Nr 15). Würde der Wohnwert abzüglich der Werbungskosten einen positiven Betrag ergeben, so würde dieser die BAB mindern. Ein Anspruch auf höhere BAB käme nur in Betracht, wenn der Vater negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hätte und wenn zwischen negativen Einkünften aus eigengenutztem Wohnraum und den übrigen Einkunftsarten ein Verlustausgleich vorzunehmen wäre.

Das BSG hat allerdings in einem Urteil des 7. Senats vom 6. Oktober 1977 zur Anwendung des § 18 AusbFöAnO auf eine bis August 1973 dauernde Ausbildung entschieden, daß ein Verlustausgleich bei verschiedenen Einkommensarten uneingeschränkt zulässig sei (BSGE 45, 20 = SozR 4100 § 40 Nr 15). Diese Rechtslage hat sich indes geändert. Ein Verlustausgleich ist nunmehr sinngemäß durch § 16 AusbFöAnO ausgeschlossen.

Nach § 16 Abs 4 AusbFöAnO in der bis zur 9. Änderungsanordnung vom 30. Juli 1975 (ANBA 1975, 993) geltenden Fassung wurde ein pauschalierter Freibetrag für Miete, Mietnebenkosten oder die vergleichbaren Belastungen durch ein eigenes Haus gewährt. Mit der 9. Änderungsanordnung wurde dieser Freibetrag gestrichen und zugleich der Freibetrag für den Haushaltungsvorstand um eine Pauschale für Miete und vergleichbare Aufwendungen von monatlich 300,– DM erhöht (Art 1 Nrn 3 und 4). Das schließt bei einem vom Eigentümer bewohnten Haus einen Ausgleich der Verluste aus Vermietung und Verpachtung aus, wie das LSG Rheinland-Pfalz bereits zutreffend entschieden hat (Breithaupt 1982, 805). Eine solche Einschränkung des Verlustausgleichs ist wie ein völliger Ausschluß des Verlustausgleichs nicht verfassungswidrig (OVG NVwZ 1985, 600; ob im Kindergeldrecht der Ausschluß wirklicher Verluste verfassungswidrig ist – so der 10. Senat in Vorlagebeschlüssen zu BVerfG 1 BvL 4/86 und 15/86 – kann dabei offen bleiben). Anhaltspunkte dafür, daß nach § 16 Abs 6 AusbFöAnO von der Anrechnung des die Freibeträge übersteigenden Elterneinkommens zur Vermeidung unbilliger Härten abzusehen ist, sind nicht ersichtlich. Insoweit steht der Behörde kein Ermessen zu (BSG SozR 4100 § 40 Nr 18), was eine abschließende Entscheidung ermöglicht. Damit bedarf es nicht der Aufklärung, ob beim Vater des Klägers negative Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung entstanden sind.

Ob der Verlustausgleich über den Bereich des selbstbewohnten Eigenheimes hinaus bei Anwendung des § 18 AusbFöAnO nunmehr generell ausgeschlossen ist, wie die Beklagte annimmt, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Insoweit erscheint die Auffassung der Beklagten unbedenklich, daß der Gesetzgeber mit dem 5. AFG-ÄndG vom 23. Juli 1979 den Verlustausgleich bei Anwendung des § 138 AFG generell ausschließen wollte (so schon BSG SozR 4100 § 138 Nr 15), zumal in § 21 Abs 1 Satz 2 BAfÖG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983 ein Verlustausgleich ausdrücklich ausgeschlossen ist. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine neue Konzeption des Gesetzgebers bei ähnlich gestalteten, aber nicht geänderten Vorschriften zu berücksichtigen ist (dazu SozR 2200 § 1267 Nr 31; BSGE 62, 90, 94 f = SozR 2200 § 205 Nr 63), stellt sich im Hinblick auf die hier zu berücksichtigende Ermächtigung der Beklagten zur Regelung durch Satzungsrecht in besonderer Weise. Fraglich ist schon, ob der Gesetzgeber den Ausschluß des Verlustausgleichs für die Berufsausbildungsbeihilfe in einer die Ermächtigung der BA zur Regelung durch Satzungsrecht einschränkenden Weise vorschreiben wollte, aber auch, ob das Unterlassen einer Änderung des § 18 AusbFöAnO dahin zu werten ist, daß die BA es bei der Rechtsprechung zur Zulässigkeit des Verlustausgleichs nach dieser Vorschrift bewenden lassen will. Insoweit wird bei zukünftigen Entscheidungen zur Auslegung des § 18 AusbFöAnO zu berücksichtigen sein, ob sich die Beklagte nach diesem Hinweis auf Auslegungsschwierigkeiten zu einer klarstellenden Änderung dieser Vorschrift entschließt.

Von den Einkünften des Vaters des Klägers aus nicht selbständiger Arbeit hat die Beklagte zu Recht nur die unter Berücksichtigung des Freibetrages einbehaltene Lohnsteuer und nicht die ohne Freibetrag fiktiv zu zahlende Lohnsteuer abgezogen. Zur Einkommensermittlung bestimmt § 20 Abs 8 AusbFöAnO: Bei Berechnung der BAB sind die wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend, die im Zeitpunkt der Antragstellung nachweisbar sind. Änderungen, die bis zur Entscheidung bekanntwerden, sind jedoch zu berücksichtigen. Ferner sind Änderungen in der Höhe der Ausbildungsvergütung während eines Bewilligungszeitraumes zu berücksichtigen, wenn diese auf dem Eintritt in das nächste Ausbildungsjahr oder in den nächsten Ausbildungsabschnitt beruhen. Erfolgt wegen Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit eine Veranlagung zur Einkommensteuer und ist deshalb der Gewinn für die Dauer des Bewilligungszeitraumes vom Steuerpflichtigen zunächst zu schätzen, ist BAB insoweit unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu gewähren; die endgültige Feststellung des Anspruchs erfolgt nach Vorlage des Steuerbescheides.

Die Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit hat die Beklagte zu Recht in der Höhe zugrunde gelegt, in der sie im Zeitpunkt der Antragstellung nachweisbar waren (§ 20 Abs 8 Satz 1 AusbFöAnO). Die Formulierung „nach Abzug der Steuern” in § 18 Abs 1 AusbFöAnO in der Fassung der 23. Änderungsanordnung vom 23. Mai 1984, die von den späteren Änderungen der AusbFöAnO vom 15. Juli 1985, vom 28. Januar 1986 und vom 1. Oktober 1986 nicht betroffen ist, fand sich schon in der ursprünglichen Fassung vom 31. Oktober 1969. Sie kann für Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit in dreifachem Sinne zu verstehen sein, einmal im Sinne von monatlich 1/12 der sich letztlich ergebenden Jahreseinkommensteuerschuld, zum zweiten im Sinne der monatlich vom Arbeitgeber einzubehaltenden Lohnsteuer und drittens im Sinne der unter Berücksichtigung der Lohnsteuertabelle und der maßgebenden Steuerklasse regelmäßig anfallenden Lohnsteuer ohne Berücksichtigung eines auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen individuellen Lohnsteuerfreibetrages.

Gegen die von beiden Vorinstanzen bevorzugte Auslegung im Sinne der normalerweise unter Berücksichtigung der generellen Merkmale anfallenden Lohnsteuer spricht schon der Wortlaut der Regelung, insbesondere im Vergleich mit § 111 Abs 2 AFG, der eine Berücksichtigung der regelmäßig anfallenden Lohnsteuer vorsieht. Gegen eine solche Auslegung spricht vor allem der Zweck des § 18 AusbFöAnO. Die dort vorgeschriebene Berechnungsweise soll gemäß § 40 AFG sicherstellen, daß nur das wirklich verfügbare Nettoeinkommen den Anspruch auf BAB mindert oder ausschließt (vgl SozR 4100 § 40 Nr 24 S 71). Der Gesetzgeber ist zwar mit der bereits angeführten Änderung des § 138 AFG der von der Rechtsprechung des BSG gezogenen Schlußfolgerung entgegengetreten, daß ein Verlustausgleich zulässig sei. Die Rechtsänderung betrifft indes nur die Zulässigkeit des Verlustausgleichs und bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber auch die auf das tatsächlich verfügbare Einkommen bezogene Zielsetzung anders verstanden wissen wollte. Nach dieser Zielsetzung darf keine höhere Steuer abgezogen werden, als nach den Vorschriften des Lohnsteuerrechts vom Arbeitgeber einzubehalten war und tatsächlich einbehalten wurde.

Der Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes (Art 3 des Grundgesetzes -GG-) spricht entgegen der Auffassung des LSG nicht gegen, sondern für die Berücksichtigung des individuellen Lohnsteuerabzugs. Von den drei Vergleichsgruppen, nämlich den Arbeitnehmern mit eingetragenem Steuerfreibetrag, den Arbeitnehmern ohne Freibetrag und den Selbständigen berücksichtigt das LSG nur die beiden ersten Gruppen.

Bei Selbständigen und in der Anwendung auf Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, sowie aus Gewerbebetrieb kann nur die nach Berücksichtigung der Abschreibungsmöglichkeit sich ergebende Einkommensteuerschuld gemeint sein. Das bestätigt die für diese Einkunftsarten in § 20 Abs 8 AusbFöAnO vorgeschriebene endgültige Festsetzung der BAB erst nach Vorlage des Steuerbescheides. Dem steht die Zielsetzung des § 7b EStG nicht entgegen. Diese Vorschrift soll im Hinblick auf die Wohnraumschaffung die Steuerschuld mindern, nicht aber zu einer „fiktiven” Bedürftigkeit im Sinne der Sozialleistungsansprüche führen.

Wäre die Formulierung in ihrer Anwendung auf Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit ebenfalls im Sinne der sich letztlich ergebenden Einkommensteuerschuld zu verstehen, so hätte § 20 Abs 8 AusbFöAnO auch für Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit zunächst nur eine vorläufige Feststellung der BAB vorsehen müssen. Da bei Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit sogleich eine endgültige Feststellung zu erfolgen hat, kann hier nur die einzubehaltende Lohnsteuer gemeint sein, wie auch beide Vorinstanzen zutreffend angenommen haben.

Bei den Arbeitnehmern ohne Steuerfreibetrag wirkt sich eine sich aus § 7b EStG ergebende Verminderung der Steuerschuld beim Lohnsteuerjahresausgleich oder bei einer späteren Veranlagung zur Einkommensteuer steuermindernd und damit meist in Form einer Steuererstattung aus. Eine solche Steuererstattung wird von der Beklagten weder im Zeitpunkt ihres Zuflusses als Einkommen berücksichtigt, noch als eine rückwirkende Erhöhung des Nettoeinkommens, wie das LSG festgestellt hat. Soweit nach dieser Verwaltungsübung eine rückwirkende Erhöhung des Nettoeinkommens im Sinne der AusbFöAnO abgelehnt wird, entspricht dies der in § 20 Abs 8 AusbFöAnO angeordneten endgültigen Feststellung der BAB. Würde die Steuererstattung den Einkünften zugerechnet, so hätte dies für die Höhe der BAB nur Konsequenzen, wenn außergewöhnliche Einnahmen wie ein 13. Monatsgehalt oder ein den Freibetrag übersteigendes Weihnachtsgeld zu einer Neufeststellung der BAB führen müßte. Nach § 20 Abs 9 AusbFöAnO ist der Bedarf nach § 9 vom Tage der Änderung an neu festzusetzen, wenn sich die für die Festsetzung des Bedarfs für den Lebensunterhalt (§§ 40 Abs 1 Satz 1, 40a Abs 2 AFG, §§ 11, 12) maßgebenden Verhältnisse ändern. Ob daraus folgt, daß jede andere Änderung der Verhältnisse, auch eine anhaltende Änderung der Einkommensverhältnisse im Bewilligungsabschnitt unberücksichtigt bleibt und erst ab dem nächsten Bewilligungsabschnitt berücksichtigt wird, kann hier dahinstehen. Jedenfalls bleibt eine vorübergehende Änderung (bis zu einem Monat) unberücksichtigt. Die Beklagte läßt also die Steuererstattung bei Arbeitnehmern ohne eingetragenen Freibetrag zu Recht unberücksichtigt. Die Rechtsprechung hat auch in anderem Zusammenhang, soweit es auf das tatsächlich verfügbare Nettoeinkommen ankommt, ausschließlich die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte als maßgebend angesehen (BSGE 46, 203, 207 = SozR 2200 § 1241 Nr 9).

Nach § 18 AusbFöAnO ist für abhängig Beschäftigte das Lohnzahlungsprinzip maßgebend, für Selbständige der Jahresgewinn. Eine solche Regelung ist vernünftig und sachgerecht und verstößt damit nicht gegen den in Art 3 GG enthaltenden Verfassungsgrundsatz der Gleichheit, wie das BSG zu einer vergleichbaren Regelung der Berechnung des Versorgungskrankengeldes bereits entschieden hat (BSG SozR 3100 § 16b BVG Nr 2). Die sich dabei ergebende Ungleichbehandlung der Selbständigen, bei denen die Minderung der Steuerschuld BAB-senkend berücksichtigt wird, und der Arbeitnehmer ohne Freibetrag, bei denen die entsprechende Steuererstattung die BAB nicht mindert, läßt sich damit begründen, daß der Selbständige die Einkünfte bis zur Zahlung der Steuerschuld zur Verfügung hat, während der Arbeitnehmer ohne Freibetrag zunächst die höhere Steuer entrichten muß. Der Umstand, daß beide Gruppen wirtschaftlich von § 7b EStG in gleichem Umfang begünstigt werden, tritt demgegenüber zurück. Würden die Arbeitnehmer mit Steuerfreibetrag, die wie die Selbständigen zunächst ihre Einkünfte ungeschmälert zur Verfügung haben, allein deswegen, weil sie letztlich wie die Arbeitnehmer ohne Steuerfreibetrag von § 7b EStG begünstigt werden, durch die Anrechnung eines fiktiven Steuerabzugs gleichgestellt, so müßte das auch für die Selbständigen gelten.

Eine Bevorzugung der Arbeitnehmer mit Steuerfreibetrag vor den Selbständigen ist auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Arbeitnehmer mit Steuerfreibetrag, indem sie keinen Antrag auf Eintragung des Steuerfreibetrags stellen, anders als die Selbständigen ihre Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern ohne Freibetrag bewirken können.

Dem steht die Entscheidung des 10. Senats des BSG vom 19. Februar 1986 zur Berechnung des Konkursausfallgeldes (BSGE 60, 7 = SozR 4100 § 141d Nr 2) nicht entgegen. Hiernach sind die Worte „des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelts” in § 141d Satz 1 AFG dahin zu verstehen, daß die steuerlichen Abzüge, um die das Arbeitsentgelt durch den Arbeitgeber zu vermindern gewesen wäre, nur unter Verwendung der Lohnsteuertabellen zu ermitteln sind und die Vorschriften über den Lohnsteuerjahresausgleich nicht anwendbar sind. Gesetzesvorschriften sind danach verfassungskonform so auszulegen, daß die Gewährung einer Sozialleistung nicht von Zufälligkeiten abhängt. Dem stimmt der Senat zu. Die zu § 141d AFG vorgeschriebene Berechnungsweise kann jedoch nicht auf die BAB übertragen werden.

Zwar weisen beide Berechnungsvorschriften einen vergleichbaren Gesetzeswortlaut auf und zielen auf die Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens. Der § 141d AFG betrifft aber nur das Arbeitsentgelt aus einer abhängigen Beschäftigung, während die Berechnungsvorschrift des § 18 AusbFöAnO auch auf Einkünfte aus selbständiger Arbeit, aus Gewerbetrieb oder aus Land- und Forstwirtschaft anzuwenden ist. Bei Anwendung des § 18 AusbFöAnO zwingt gerade die Anwendung auf letztgenannte Einkunftsarten zur Maßgeblichkeit der Steuerkarteneintragung, auch wenn diese von Zufälligkeiten abhängt.

Ob für den zu berücksichtigenden Steuerabzug die Eintragung auf der Steuerkarte auch dann maßgebend ist, wenn der Arbeitnehmer durch den Verzicht auf die Eintragung eines Steuerfreibetrages für in Ausbildung befindliche Kinder oder durch eine interessenwidrige Wahl der Steuerklassen eine Erhöhung des Steuerabzuges und damit eine Senkung des Nettoeinkommens bewirkt, war hier nicht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172846

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