Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 24.04.1991; Aktenzeichen L 11 Ka 121/90)

SG Köln (Urteil vom 13.06.1990)

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. April 1991 wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Sozialgerichts Köln vom 13. Juni 1990 und des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. April 1991 insoweit geändert, als die Wahlen für das Amt des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstandes der Beklagten für ungültig erklärt worden sind. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

Die Kläger zu 1. bis 3. haben die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1), 2), 3), 4), 5), 7), 9) und 10) im Berufungsverfahren sowie die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 4) im Revisionsverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der klagende Zahnarzt zu 1) war schon zu Beginn der streitigen Vorstandswahlen 1990 Mitglied der Vertreterversammlung der beklagten Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV). Der Kläger zu 2) ist als Nachrücker aufgrund der Vorstandswahlen Mitglied der Vertreterversammlung geworden, da Mitglieder der Vertreterversammlung mit der Annahme ihrer Wahl zu Vorstandsmitgliedern nach der Satzung aus der Vertreterversammlung ausscheiden. Die Klägerin zu 3) ist als Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) Mitglied der beklagten KZBV. Die Kläger bestreiten die Gültigkeit der am 9. und 10. Februar 1990 in Berlin und am 14. März 1990 in Frankfurt durchgeführten Wahlen des Vorstandes sowie des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstandes der Beklagten. In Berlin wurden zunächst in getrennten Abstimmungen die beigeladenen Zahnärzte zu 1) bis 8) und die Zahnärzte Dr. Sch. (im folgenden: Dr. Sch.) und Dr. G. (im folgenden: Dr. G.) zu Vorstandsmitgliedern gewählt. Danach beschloß die Vertreterversammlung mit einfacher Mehrheit, daß die Erklärung der gewählten Vorstandsmitglieder, ob sie die Wahl annehmen, erst nach der Wahl des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden erfolgen sollte, um das nach § 7 Abs 4 Buchst b der Satzung der Beklagten mit der Annahme des Mandats verbundene Ausscheiden aus der Vertreterversammlung zunächst zu vermeiden. Anschließend wurde der Beigeladene zu 1) zum Vorsitzenden gewählt. Wegen der fortgeschrittenen Zeit vertagte sich die Vertreterversammlung bis zum 14. März 1990. Bei der Fortsetzung der Versammlung in Frankfurt erklärten die gewählten Vorstandsmitglieder Dr. Sch. und Dr. G. vor der Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden, daß sie ihr Amt nicht annehmen. Daraufhin wählte die Vertreterversammlung die Beigeladenen zu 9) und 10) als weitere Vorstandsmitglieder nach. Erst dann wurde der Beigeladene zu 2) zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Nach Abschluß dieses Wahlvorganges erklärten alle Beigeladenen, daß sie die Wahl annehmen.

Auf die am 2. April 1990 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) die Wahl des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstandes der Beklagten für nichtig erklärt, die Klage hinsichtlich der Wahl der Vorstandsmitglieder aber abgewiesen (Urteil vom 13. Juni 1990). Die Berufungen der Beteiligten hatten keinen Erfolg (Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. April 1991).

Die Beklagte rügt mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision die Verletzung des § 8 Abs 3 Satz 2 ihrer Satzung und macht geltend, auch die Wahlen des Vorstandsvorsitzenden und seines Stellvertreters seien rechtmäßig erfolgt. Die Formulierung in der erwähnten Satzungsbestimmung, daß der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende „aus den Mitgliedern des Vorstandes” zu wählen seien, bezeichne entgegen der Auffassung der Vorinstanzen auch diejenigen Personen, die zwar bereits gewählt sind, die Annahme des Amtes jedoch noch nicht erklärt haben.

Die Beklagte beantragt,

die angefochtenen Urteile insoweit abzuändern, als der Klage entsprochen worden ist, und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen, ferner – nach Zulassung der Revision durch das Bundessozialgericht (BSG) – die angefochtenen Urteile insoweit abzuändern, als die Klage abgewiesen worden ist, und festzustellen,

daß auch die Wahlen der Mitglieder des Vorstandes der Beklagten vom 9/10. Februar 1990 und 14. März 1990 unwirksam sind.

Die Kläger machen geltend, die Auffassung des Berufungsgerichts verstoße gegen den allgemeinen anerkannten Wahlrechtsgrundsatz, nach denen bei getrennten Wahlgängen ein Aufschub der Annahme der Wahl nicht zulässig sei.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Kläger zurückzuweisen.

Der Beigeladene zu 4) beantragt,

die Revision der Kläger als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Kläger ist entgegen der Auffassung des Beigeladenen zu 4) zulässig; sie haben die Revision gemäß § 164 Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) noch hinreichend begründet, indem sie die Verletzung eines allgemeinen Wahlrechtsgrundsatzes gerügt haben. Zwar ist in der Revisionsbegründung nicht weiter ausgeführt worden, woraus sich dieser allgemeine Rechtsgrundsatz ergibt, was in der Regel bei der Behauptung eines solchen Grundsatzes zu verlangen ist (vgl Meyer-Ladewig, SGG § 164 Anm 11). Die Kläger haben aber insoweit in zulässiger Weise auf ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Friauf Bezug genommen, das den behaupteten Wahlrechtsgrundsatz aus bestehenden Wahlvorschriften in verschiedenen Bereichen herleitet. Ob dem zu folgen ist, ist eine Frage der Begründetheit der Revision.

Die Revision der Beklagten ist begründet, die der Kläger unbegründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sind auch die Wahlen des Vorstandsvorsitzenden und des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden, so daß die erhobene Wahlanfechtungsklage insgesamt ohne Erfolg bleibt.

Die Klage ist zulässig, was im Revisionsverfahren auch ohne Revisionsrüge von Amts wegen zu prüfen ist (BSGE 10, 218, 219; 42, 212, 215), und zwar als sog Wahlanfechtungsklage.

Der Rechtsschutz gegen rechtswidrige Wahlmaßnahmen bei der Besetzung der Organe der KZBV ist im Gesetz nur unvollkommen geregelt. Nach § 131 Abs 4 SGG spricht das Gericht, wenn es eine Wahl zu den Selbstverwaltungsorganen der KZBV ganz oder teilweise für ungültig hält, dies im Urteil aus und bestimmt die Rechtsfolgen, die sich aus der Ungültigkeit ergeben. Im übrigen sind allgemeine Wahlrechtsgrundsätze heranzuziehen, wie sie in Rechtsvorschriften niedergelegt sind zu den Sozialwahlen der Selbstverwaltungsorgane der Sozialversicherungsträger iS des § 57 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), zu den Wahlen der berufsständischen Kammervertretungen, zu den politischen Wahlen in Bund, Ländern und Kommunen, zu den Wahlen der Betriebsvertretungen und zu den Wahlen nach Maßgabe des Vereins- und Gesellschaftsrechts.

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist gegeben. Streitigkeiten über die Gültigkeit von Wahlen zum Vorstand der KZBV sind „öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung” iS von § 51 Abs 1 SGG, wie dies § 131 Abs 4 SGG voraussetzt (ähnlich zu den Wahlen zur Vertreterversammlung einer K(Z)ÄV: BSGE 23, 92; BSGE 18, 278 = SozR Nr 1 zu § 368 l RVO). Die ergänzende Regelung in § 51 Abs 2 Nr 1 SGG verdeutlicht dies.

1. Die Wahlanfechtungsklage ist gegen den betroffenen Versicherungsträger bzw die betroffene Körperschaft zu richten, soweit in Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt wird, wie dies bei der Vorstandswahl der KZBV der Fall ist. Das entspricht einem im Sozialrecht allgemein geltenden Wahlrechtsgrundsatz, der in § 57 Abs 2 SGB IV Ausdruck gefunden hat. Die Klage ist insbesondere nicht gegen das wählende oder das gewählte Organ zu richten. Die Wahl ist kein Verwaltungsakt (des wählenden Organs), der mit der Anfechtungsklage iS von § 54 SGG angefochten werden könnte. Deshalb ist die Wahlanfechtungsklage selbst dann gegen die betroffene Körperschaft zu richten, wenn eine zum Wahlverfahren gehörende Handlung der zuständigen Landesbehörde beanstandet wird (BSGE 54, 104 = SozR 2100 § 57 Nr 1; BSGE 39, 244, 245 = SozR 5334 Art 3 § 1 Nr 1).

Der Streit, ob es sich um eine Klage besonderer Art handelt (vgl BSGE 23, 92, 93; 39, 244, 245; 54, 104, Maier in KassKomm, § 57 RdNr 4; Krause in Gemeinschaftskomm zum SGB – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung –, § 57 RdNr 19) oder um eine Feststellungsklage iS von § 55 SGG (Meyer-Ladewig, SGG, § 55 RdNr 24; Peters/Sautter/Wolff, SGG § 55 Anm 6d), bedarf keiner Entscheidung, da hinsichtlich der Klagefrist, der Klagebefugnis und der Notwendigkeit eines Vorverfahrens (vgl hierzu § 57 Abs 2 und 3 SGB IV) jedenfalls besondere Grundsätze eingreifen. Es ist deshalb nicht zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Feststellungsklage vorverfahrenspflichtig ist, und ob vorliegend – wie dies eine Feststellungsklage voraussetzt – ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines Rechtsverhältnisses vorliegt.

2. Die beklagte KZBV ist im Verfahren durch ihren Vorstand ordnungsgemäß vertreten (§ 77 Abs 6 Satz 1 SGB V; § 9 Nr 2 der Satzung). Einen Rechtssatz, daß die KZÄVen bzw die KZBV im Streit um die Gültigkeit der Vorstandswahl nicht durch den Vorstand, sondern durch das andere Selbstverwaltungsorgan, die Vertreterversammlung (§ 79 SGB V), vertreten wird, gibt es nicht. Zwar vertritt die Vertreterversammlung nach § 33 Abs 2 Satz 1 SGB IV den Versicherungsträger gegenüber dem Vorstand. Diese Bestimmung ist jedoch nicht analog anwendbar, weil der Versicherungsträger im Rahmen einer Wahlanfechtungsklage nicht „gegenüber dem Vorstand” vertreten wird.

Einer Vertretung der KZBV durch den Vorstand steht auch der Rechtsgedanke des § 16 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) über den Ausschluß von Amtsträgern bei persönlicher Betroffenheit nicht entgegen, da der Vorstand als Parteivertreter in einem Prozeß und nicht in der Funktion einer das Verfahren leitenden Behörde tätig wird. Der objektive Charakter des Verfahrens der Wahlanfechtungsklage, auf den zur Klagebefugnis noch einzugehen ist, verhindert weitgehend einen Interessenwiderstreit zwischen den persönlichen Interessen der Vorstandsmitglieder an der Gültigkeit ihrer Wahl und den Interessen der vertretenen Körperschaft. Die Körperschaft wird im Verfahren der Wahlanfechtungsklage als der „geborene Vertreter der Interessen der gewählten Mitglieder” tätig (BSGE 54, 104, 107 = SozR 2100 § 57 Nr 1).

3. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klagebefugnis aller Kläger bejaht. Bei der Wahlanfechtungsklage ist der Kreis der Anfechtungsberechtigten – soweit er nicht in verschiedenen Gesetzen, die Wahlen zu öffentlich-rechtlichen Körperschaften vorsehen, ausdrücklich geregelt ist – weit zu ziehen. Das beruht darauf, daß durch eine Wahlprüfung nicht nur die subjektiven Rechte der Beteiligten – Kandidaten, Wähler und Gewählte –, sondern auch „die Einhaltung des objektiven Rechts, die Rechtmäßigkeit der Wahl als solche”, „letztlich die gesetzmäßige Zusammensetzung des zu wählenden Organs” geschützt werden soll (BSGE 57, 42, 45 = SozR 2100 § 48 Nr 1). Das Anfechtungsrecht ist deshalb nicht darauf beschränkt, Fehler geltend zu machen, die den Kläger selbst oder die Gruppe betreffen, der er angehört; die Wahlanfechtungsklage kann auch gegen die Wahl von Vertretern einer anderen Gruppe gerichtet werden (BSGE 36, 242 = SozR Nr 1 zu § 7 SVwG). Der objektive Charakter des Klageverfahrens kommt auch darin zum Ausdruck, daß sich die Klage gegen die Körperschaft richtet, die als solche kein Interesse an der Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahl besitzt. Der „hinkenden Beteiligtenstellung” (Krause aaO § 57 RdNr 18) entspricht es, daß der Streitgegenstand nicht zur Disposition der Beklagten steht (vgl BSGE 36, 245, 246 f = SozR Nr 1 zu § 17 SVwG zur fehlenden Befugnis, den Klageanspruch anzuerkennen).

Daß ein Anfechtungsrecht für Wahlberechtigte und Mitglieder im allgemeinen zu bejahen ist, zeigt auch ein Blick auf die Gesetzesvorschriften, die die Frage ausdrücklich regeln. Nach § 57 Abs 2 SGB IV sind bei den Wahlen zu Sozialversicherungsträgern nicht nur die Wahlberechtigten, sondern sogar alle Wahlvorschlagsberechtigten anfechtungsberechtigt; aus Gründen der Praktikabilität sieht das Gesetz allerdings bei der Ausübung des Anfechtungsrechts wieder Einschränkungen vor (vgl dazu BSGE 68, 132, 133 f = SozR 3-2400 § 57 Nr 1). Für die Wahlen zu den Rechtsanwaltskammern gilt gemäß §§ 90, 91 der Bundesrechtsanwaltsordnung, daß alle Kammermitglieder anfechtungsberechtigt sind. § 101 der Handwerksordnung begründet ein Anfechtungsrecht jedes Wahlberechtigten bei den Wahlen der Mitglieder der Vollversammlung einer Handwerkskammer. Auch für den Bereich der privatrechtlichen Körperschaften gilt, daß grundsätzlich jedes Mitglied zur Anfechtung berechtigt ist (vgl § 251 Abs 2 Aktiengesetz ≪AktG≫ iVm § 245 Nrn 1, 2 und 4 AktG, der für die Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern grundsätzlich auch die Aktionäre berechtigt; vgl auch § 51 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, der Entsprechendes für Genossen anordnet; dazu ferner BGHZ 83, 228, 230, 231).

Ausreichend ist danach jede Wahlberechtigung, auch wenn sie nicht mit einer Mitgliedschaft verbunden ist. Dabei ist die Wahlberechtigung in einem weiten Sinne zu verstehen, der die Mitgliedschaft im wahlberechtigten Organ genügen läßt, auch wenn sie, wie beim Kläger zu 2), erst nach der Wahl beginnt. Die Rechtsstellung des Nachrückers ist in besonderem Maße von der Gültigkeit der Vorstandswahl abhängig. Seine Klagebefugnis kann daher unter dem Gesichtspunkt der Unzulässigkeit der Popularklage, der grundsätzlich auch für die Wahlanfechtungsklage gilt, nicht in Zweifel gezogen werden. Hiernach sind sowohl der Kläger zu 1) als auch der Kläger zu 2) klagebefugt.

Klagebefugt ist aber auch die Klägerin zu 3), obwohl sie als juristische Person nicht wahlberechtigt ist. Es reicht ein Mitgliedschaftsverhältnis zur betroffenen Körperschaft aus. Anderenfalls wären die Mitglieder der KZBV an der ihnen obliegenden Kontrolle der Mandatsträger gehindert. Aus der mitgliedschaftlichen Struktur einer Körperschaft folgt in Abgrenzung zu einer öffentlich-rechtlichen Anstalt die Aufgabe der Mitglieder, an der Willensbildung mitzuwirken, insbesondere die Organe zu wählen und zu kontrollieren. Die Staatsaufsicht, die bei Anstalt und Körperschaft gleichermaßen besteht, schließt die Mitwirkung der Mitglieder nicht aus.

Die Klagebefugnis der korporativen Mitglieder der KZBV betrifft auch die Vorstandswahlen. Ob die Mitglieder eines Sozialversicherungsträgers, etwa einer Krankenkasse (KK), allgemein berechtigt sind, die Wahl des Vorstandes durch die Vertreterversammlung anzufechten, bleibt offen. § 52 Abs 3 SGB IV verweist hinsichtlich der Vorstandswahl nur auf § 48 Abs 7 SGB IV. Das mag es zweifelhaft erscheinen lassen, ob die in § 57 Abs 2 SGB IV für die Wahlen zur Vertreterversammlung und zum Vorstand getroffene Regelung, daß die in § 48 Abs 1 SGB IV genannten Personen klagebefugt sind, auch für die Vorstandswahl gelten soll. Bei den Versicherungsträgern ist eine Beschränkung der Klagebefugnis auf diejenigen Mitglieder, die zugleich Mitglied der Vertreterversammlung sind, denkbar. Es wäre dann immer noch ein Teil der Körperschaftsmitglieder klagebefugt, der die Mitgliederinteressen als solche wahrnehmen könnte. Bei einem Verband korporativer Mitglieder, wie der KZBV würde eine Beschränkung der Klagebefugnis auf die Mitglieder der Vertreterversammlung aber alle Mitglieder des Verbandes von der Wahrnehmung ihrer Mitgliederinteressen ausschließen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die Rechte der Klägerin zu 3) als Mitglied bereits durch die von ihr in die Vertreterversammlung der Beklagten entsandten Mitglieder wahrgenommen werden können. Denn die Mitglieder der Vertreterversammlung der Beklagten haben kein imperatives Mandat der sie jeweils entsendenden KZÄV, sondern sind in ihren Entscheidungen frei und nur ihrem Gewissen unterworfen. Die Satzungsregelung des § 7 Nr 2 der Beklagten zeigt aber, daß auch den Interessen der einzelnen KZÄVen Rechnung getragen werden soll, indem nämlich die Zahl der entsandten Vertreter von der jeweiligen Mitgliederstärke der KZÄV abhängt.

4. Die Klage ist auch rechtzeitig erhoben. Für eine Wahlanfechtungsklage bei kassenzahnärztlichen Vereinigungen ist eine Frist einzuhalten, wie dies durchweg in allen Fällen gilt, in denen die Wahlanfechtungsklage gesetzlich näher geregelt ist (vgl zB § 57 Abs 3 SGB IV, § 91 BRAGO; § 246 Abs 1 AktG und § 51 Abs 1 Genossenschaftsgesetz ≪GenG≫). Aus diesen Regelungen ist als allgemeiner Rechtsgrundsatz abzuleiten, daß die Klage spätestens einen Monat nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses erhoben werden muß (anderer Auffassung Meyer-Ladewig, § 55 RdNr 23). Diese Frist ist hier gewahrt.

Ob das LSG mit zutreffenden Gründen die örtliche Zuständigkeit des SG bejaht hat, ist im Revisionsverfahren nicht mehr zu prüfen (§ 98 SGG iVm § 17a Abs 5 Gerichtsverfassungsgesetz ≪beide idF durch Art 5 des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 17. Dezember 1990 – BGBl I S 2898 –, die mit Wirkung vom 1. Januar 1991 gilt≫).

5. Zu Recht hat die Berufungsinstanz davon abgesehen. Auch die übrigen KZÄVen als Mitglieder der Beklagten und sämtliche wahlberechtigten Mitglieder der Vertreterversammlung sowie die beiden Gewählten, die ihre Wahl nicht angenommen haben, beizuladen. Zwar kann die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen, was im allgemeinen nach § 75 Abs 2 SGG die Notwendigkeit einer Beiladung begründet und von Amts wegen in jedem Stadium des Verfahrens zu beachten ist (BSG SozR 1500 § 75 Nrn 1, 47 und 74; BSGE 59, 290; 61, 199; stRspr). Gleichwohl ist deren Beiladung wegen der Besonderheiten der Wahlanfechtungsklage nicht erforderlich. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG zur notwendigen Beiladung bei Wahlanfechtungsklagen ist deren Streitgegenstand, die Gültigkeit einer Wahl als Bürgerakt (BSGE 54, 104, 106), und die hierauf bezogene Rechtskraft in Verbindung mit der fehlenden Befugnis, über den Streitgegenstand zu verfügen, maßgebend. Hiernach ist es insbesondere nicht erforderlich, diejenigen Organe oder Stellen beizuladen, die bei einer Wahlwiederholung erneut tätig werden müssen (vgl BSGE 54, 104, 105 f = SozR 2100 § 57 Nr 1; BSGE 68, 133 = SozR 3-2400 § 57 Nr 1). Hinsichtlich der übrigen Wahlberechtigten und der übrigen Mitglieder der Körperschaft (beide Urteile betreffen Wahlen zur Vertreterversammlung von KKen, so daß der Kreis der Mitglieder zugleich wahlberechtigt war), wurde ein Fall der notwendigen Beiladung stillschweigend verneint. Ob die genannten Besonderheiten es auch rechtfertigen, von der Beiladung derjenigen abzusehen, die durch die Wahl ein Amt erlangt haben, blieb offen (BSGE 54, 104, 107).

Dieser Rechtsprechung ist insbesondere unter dem Blickwinkel der Rechtskraft und des rechtlichen Gehörs beizutreten. Sie ist dahin fortzuführen, daß ein Fall notwendiger Beiladung jedenfalls nicht vorliegt bei denjenigen Gewählten, die eine Annahme der Wahl abgelehnt haben. Bei diesen sowie bei den Wahlberechtigten und Mitgliedern ist eine Beiladung insbesondere nicht erforderlich, um eine Rechtskrafterstreckung des Urteils auch auf diejenigen zu erreichen, die nicht Kläger oder Beklagte des Verfahrens sind. Denn die Rechtskrafterstreckung tritt auch ohne Beiladung ein, weil das Urteil, das eine Wahl für ungültig erklärt, Gestaltungswirkung hat, so daß jedermann die Ungültigkeit der Wahl ohne Rücksicht auf seine Beteiligung am Verfahren gegen sich gelten lassen muß (vgl dazu Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile S 48; für die Feststellung der Ungültigkeit des Beschlusses einer Mitgliederversammlung eines privatrechtlichen Vereins vgl RGZ 85, 313; Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫ 51. Aufl 1992, § 32 RdNr 11). Dabei kann offen bleiben, ob die Gestaltungswirkung ex tunc oder zur Vermeidung schwieriger Rückabwicklungsprobleme nur mit Wirkung ex nunc eintritt (Schlosser aaO). Im Falle der Abweisung der Klage tritt eine Gestaltungswirkung allerdings nicht ein; die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen wird aber insoweit dadurch gebannt, daß – wie ausgeführt – eine Anfechtungsklage binnen kurzer Frist zu erheben ist. Eine Beiladung ist auch insoweit nicht notwendig.

Eine Beiladung ist auch nicht erforderlich, um den sonstigen Wahlanfechtungsberechtigten rechtliches Gehör zu gewähren (vgl dazu Schlosser aaO S 217). Denn das Anfechtungsrecht ist wie bereits ausgeführt, nicht zum Schutze subjektiver Rechte, sondern allein zur Wahrung des öffentlichen Interesses an der Beachtung des objektiven Wahlrechts gegeben. Macht ein Anfechtungsberechtigter von diesem Recht keinen Gebrauch, so bedarf es im Falle der Wahlanfechtung durch einen Dritten keiner Einräumung eines rechtlichen Gehörs, zumindest dann nicht, wenn durch die Erklärung der Ungültigkeit der Wahl nicht außerdem eine besondere, durch die Wahl erlangte Rechtsstellung betroffen wird. Als solche kommt hier die Stellung als Vorstandsmitglied und als Vorsitzender bzw stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes nur in Betracht, wenn die Annahme der Wahl nicht abgelehnt wurde; dem hat das LSG durch die vorgenommenen Beiladungen Rechnung getragen.

6. Soweit die Vorinstanzen die Gültigkeit der Wahlen der Vorstandsmitglieder bejaht haben, ist ihnen beizupflichten. Entgegen der Auffassung der Kläger ist darin, daß die einzelnen Vorstandsmitglieder nicht unmittelbar nach ihrer Wahl und vor Durchführung des nächsten Wahlgangs die Annahme der Wahl erklärt haben, kein Rechtsverstoß zu erkennen.

Zutreffend ist allerdings – wovon die Beteiligten auch übereinstimmend ausgehen –, daß das Amt eines Vorstandsmitglieds von der Annahme der Wahl abhängt; dies läßt sich mittelbar der Satzung entnehmen, die in § 7 Nr 4 Buchst b regelt, daß das Amt eines Mitglieds der Vertreterversammlung und eines Ersatzmannes durch Annahme des Amtes eines Vorstandsmitglieds endet. Diese Vorschrift zieht zunächst die Folgerung aus § 7 Nr 5 der Satzung, wonach Mitglieder des Vorstandes nicht Mitglieder der Vertreterversammlung sein können, legt darüber hinaus den genauen Zeitpunkt des Ausscheidens fest und setzt dabei stillschweigend voraus, daß das Amt eines Vorstandsmitglieds vom Gewählten angenommen werden muß. Dies entspricht einer weit verbreiteten Auffassung bei Wahlämtern, die wie das Vorstandsamt mit der Übernahme von Pflichten und Verantwortung verbunden sind. Soweit auf anderen Rechtsgebieten eine gesetzliche Regelung besteht, gilt dies allerdings nicht durchgängig. Während für die Wahl des Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden von Selbstverwaltungsorganen der Sozialversicherungsträger § 62 Abs 4 SGB IV eine Annahmeerklärung vorsieht, gilt dies für die übrigen Mitglieder des Vorstandes nicht; diese erwerben ihr Amt mit der ersten, konstituierenden Sitzung (§ 58 SGB IV). Da entsprechende Vorschriften für die Wahlen im kassenärztlichen Bereich nicht bestehen, diese auch nicht Ausdruck allgemeiner Rechtsgrundsätze sind, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte im Rahmen ihrer Satzungsautonomie eine abweichende Regelung getroffen hat.

Ob die Regelung über die Unvereinbarkeit eines Amtes als Vorstandsmitglied und Mitglied der Vertreterversammlung sich noch innerhalb des Rahmens der Satzungsautonomie hält, nachdem das Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – (SGB V) im Gegensatz zu § 368 Buchst I Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in § 80 Abs 2 Satz 2 eine lnkompatibilität nur zwischen den Ämtern des Vorsitzenden der Vertreterversammlung und des Vorstandes bzw der stellvertretenden Vorsitzenden vorsieht, kann hier offenbleiben (vgl dazu LSG Berlin, Urteil vom 25. September 1991, L 7 Ka 32/90 – die hiergegen eingelegte Revision ist zum Aktenzeichen 6 RKa 69/91 anhängig –; ferner Hauck/Haines, SGB V, K § 80 RdNr 5; Hess in KassKomm, § 80 SGB V RdNr 8). Im Falle der Unwirksamkeit der Satzungsregelung über die Inkompatibilität des Amtes des Vorstandsmitgliedes und des Mitglieds der Vertreterversammlung wäre zwar der Grund für das gewählte Wahlvorgehen, nämlich die Ermöglichung der Mitwirkung der Gewählten an den weiteren Wahlvorgängen, entfallen; diese hätten dann auch nach Annahme ihres Amtes an den weiteren Wahlen mitwirken können. Das besagt aber nichts darüber, ob das tatsächlich gewählte Verfahren erlaubt war.

Ein Wahlrechtsgrundsatz. daß die erforderliche Annahme eines Mandats unmittelbar nach Abschluß eines Wahlganges und vor der Durchführung weiterer Wahlgänge, spätestens jedoch bis zum Ende der Wahlversammlung am selben Tage zu erklären ist, läßt sich schon deshalb nicht feststellen, weil, wie bereits ausgeführt, nicht einmal die Annahme der Wahl allgemein vorgeschrieben ist. Aus diesen Gründen scheidet auch eine Analogie zu den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Annahme eines Vertragsangebotes (§§ 145, 147, 148 BGB) – wie vom Beigeladenen zu 4) erwogen – aus.

Soweit sich Gesetzesvorschriften oder darauf beruhende Verordnungsbestimmungen mit der Annahme von Wahlen befassen, enthalten sie ebenfalls eine nach den jeweiligen Erfordernissen differenzierende Regelung. So verlangt § 56 Abs 6 der Wahlordnung für die Sozialversicherung (SVWO) idF der Bekanntmachung vom 6. Februar 1985 (BGBl I S 233), daß der Vorsitzende des Wahlausschusses das Ergebnis der Wahl des Vorsitzenden der Vertreterversammlung bekanntzugeben und den Gewählten zur Erklärung darüber aufzufordern hat, ob er die Wahl annehme. Daß der Gewählte sich nunmehr unverzüglich zu erklären habe, ist hingegen nicht vorgeschrieben. Es ergibt sich aber daraus, daß es für den weiteren Verfahrensgang zwingend erforderlich ist. Denn erst nach der Erklärung des Gewählten, daß er die Wahl annehme, übergibt der Vorsitzende des Wahlausschusses den Vorsitz der Vertreterversammlung, wie es in der Verordnung wiederum ausdrücklich geregelt ist. Entsprechend gilt dieses Verfahren nach § 58 SVWO für die Wahl des Vorsitzenden des Vorstandes. Auch hier hat die unverzügliche Annahme der Wahl die Folge, daß die Sitzungsleitung des Vorstandes vom Vorsitzenden der Vertreterversammlung auf den Vorsitzenden des Vorstandes übergeht.

Aus den gesetzlichen Vorschriften zu staatlichen Wahlen läßt sich ebenfalls nicht entnehmen, daß, soweit eine Annahme des Mandats erforderlich ist, diese unmittelbar nach der Wahl erklärt werden muß. Nach § 4 des Gesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung vom 25. April 1959 (BGBI I S 230) fordert der Präsident des Landtages die zum Mitglied der Bundesversammlung Gewählten auf, binnen zwei Tagen schriftlich zu erklären, ob sie die Wahl annehmen. In gleicher Frist hat der zum Bundespräsidenten Gewählte gemäß § 9 dieses Gesetzes zu erklären, ob er die Wahl annehme. Diese Regelungen zeigen, daß ein berechtigtes Interesse des Gewählten bestehen kann, sich die Annahme eines Mandates überlegen zu können, das mit dem Erfordernis alsbaldiger Klarheit über das Zustandekommen der Wahl abzuwägen ist. Auch für die zu Vorstandsmitgliedern einer K(Z)ÄV Gewählten kann ein Interesse daran bestehen, sich die Übernahme des Vorstandsamtes nach einer Wahl zu überlegen, beispielsweise bei einem nur knappen Wahlergebnis und der damit verbundenen geringen Vertrauensbasis oder auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit den übrigen in den Vorstand Gewählten. Dieses Interesse muß nicht von vornherein hinter dem Interesse der Allgemeinheit an alsbaldiger Klarheit über die Besetzung des Amtes zurückstehen. Die in dem von den Klägern vorgelegten Rechtsgutachten von Prof. Dr. Friauf enthaltene Überlegung, daß die erneute Einberufung einer Vertreterversammlung zur Durchführung von Vorstandswahlen mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden ist, spricht zwar dafür, eine Klärung nach Möglichkeit bis zum Ende einer Sitzung herbeizuführen. Sie begründet damit aber noch nicht die Notwendigkeit, bereits nach jedem einzelnen Wahlgang sich über die Annahme der Wahl zu erklären. Dies könnte vielmehr auch noch am jeweiligen Schluß der Sitzung am jeweiligen Tag geschehen. Das Argument des Aufwandes und der Kosten für eine weitere Einberufung der Vertreterversammlung wäre im übrigen dann ohne Bedeutung, wenn – wie hier – eine Fortsetzung der Sitzung zu einem späteren Zeitpunkt aus anderen Gründen – nicht nur der Ablehnung der Wahl – erforderlich wird. Im übrigen würde das Erfordernis der Erklärung der Annahme eines Mandats noch am Tag der Wahl es ausschließen, daß Kandidaten, die sich zur Übernahme des Mandats bereiterklärt haben, auch in Abwesenheit gewählt werden können, wenn sie aus triftigen Gründen an der Teilnahme an der Vertreterversammlung gehindert sind. Für eine solche Wahl in Abwesenheit kann aber ein erhebliches praktisches Bedürfnis bestehen (vgl dazu Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 25. April 1967 – L 1 Ka 15/65 – KVRS 6500/4).

7. Mangels entgegenstehender gesetzlicher Vorschriften und allgemeiner Rechtsgrundsätze bleibt es der Satzungsautonomie der Beklagten vorbehalten, eine Regelung über die Erklärung der Annahme der Wahl zu treffen, wie sie bereits einige KZÄVen ausdrücklich vorgenommen haben (vgl § 7 der Satzung der KZÄV Berlin idF vom 7. März 1991 ≪AmtsBl für Berlin, 1991, S 2165≫; § 9 der Satzung der KZÄV im Lande Bremen vom 13. Dezember 1989 ≪AmtsBl der Freien Hansestadt Bremen, 1990, S 197≫). Der Satzung der KZBV kann ein Rechtssatz, daß die erforderliche Annahme eines Mandats unmittelbar nach Abschluß eines Wahlganges und vor der Durchführung weiterer Wahlgänge, spätestens jedoch bis zum Ende der Wahlversammlung am selben Tage zu erklären ist, nicht entnommen werden, insbesondere nicht durch Auslegung der in § 8 zur Wahl der Vorstandsmitglieder und zur Wahl des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstandes (Wahl der Vorsitzenden) getroffenen Regelungen, auch nicht unter Berücksichtigung der bisherigen Übung.

Satzungen von Körperschaften sind als objektives Recht in der Regel wie Gesetze auszulegen. Maßgebend ist, daß die Satzung eines Verbandes wegen der wechselnden Mitglieder aus der Sicht eines Unbeteiligten verstanden werden muß. Sie ist deshalb „aus sich heraus” auszulegen. Dementsprechend spielt der Wortlaut vor allem in seiner eventuell typischen Bedeutung eine erhöhte Rolle, während die Umstände nur eingeschränkt zu berücksichtigen sind. Eine teleologische Auslegung hat sich an objektiv bekannten Umständen zu orientieren. Im Zweifel ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu fragen, soweit er sich in objektiv erkennbaren Umständen niedergeschlagen hat (vgl dazu für die Auslegung der Satzung einer politischen Partei auch BGHZ 106, 67, 71).

Bei Anlegung dieses Maßstabs kann der Satzung weder entnommen werden, daß ein Gewählter seine Wahl vor Beginn des nächsten Wahlgangs annehmen (oder ablehnen) muß, noch daß die gewählten Vorstandsmitglieder ihre Wahl vor Beginn der beiden letzten Wahlgänge zur Bestimmung der Vorsitzenden annehmen müssen. Die Fragen, (1.) ob die Satzung für die Wahl der Vorstandsmitglieder und (2.) ob sie für die Wahl der Vorsitzenden einen Abschluß der früheren Wahlgänge einschließlich der Annahme der Wahl voraussetzt, können nach Auffassung des Senats in Auslegung der hierzu getroffenen Regelungen in deren Zusammenschau nur einheitlich beantwortet werden. Der Auffassung des LSG, daß ein Erfordernis vorheriger Annahme ernsthaft nur für die Wahl der Vorsitzenden in Betracht komme, wie sie der entsprechenden Beschränkung der Revisionszulassung durch das LSG zugrunde liegt, vermag der Senat nicht zuzustimmen.

Nach § 8 Nr 3 Satz 1 der Satzung werden die Vorstandsmitglieder in „getrennten Wahlgängen” gewählt. Bei einer Auslegung der Satzung nach dem Wortlaut kann der Ausdruck „Wahlgang” sowohl den Wahlvorgang bis zur Feststellung des Wahlergebnisses (der Stimmenauszählung) als auch den bis zur Annahme der Wahl bezeichnen. Im Rahmen der Wortauslegung führt auch die Einbeziehung des § 8 Nr 3 Satz 2 der Satzung nicht weiter, wonach die Vertreterversammlung die Vorsitzenden „aus den Mitgliedern des Vorstandes” in „zwei weiteren Wahlgängen” wählt. Sie legt zwar die Überlegung nahe, daß die „weiteren Wahlgänge” den früheren Wahlgängen entsprechen, daß also das zweite Mitglied des Vorstandes erst gewählt werden kann, wenn das erste Mitglied vorhanden ist. Damit wird jedoch die Frage nach dem Ende des Wahlgangs lediglich ersetzt durch die nach dem Beginn der Mitgliedschaft. Auch der Beginn der Mitgliedschaft kann nach dem Wortsinn „aus den Mitgliedern des Vorstandes” entgegen der Auffassung des LSG sowohl auf die Stimmauszählung als auch auf die Wahlannahme bezogen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat ein Jugendvertreter die Mitgliedschaft in der Jugendvertretung bereits dann erworben, wenn nach der Stimmauszählung feststeht, daß er eine für seine Wahl ausreichende Stimmenzahl erhalten hat (BAGE 44, 154). Schon in diesem Zeitpunkt besteht hiernach der Schutz nach § 78a Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), wenn das Berufsausbildungsverhältnis noch nicht beendet ist.

8. Maßgebend ist damit Sinn und Zweck der Satzungsregelungen zur Vorstandswahl und zur Wahl der Vorsitzenden. Die Wahl in getrennten Wahlgängen ist nicht nur, wie die Beklagte meint, als Trennung zwischen der Wahl der ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder des Vorstandes, sondern im Gegensatz zur sog en-bloc-Wahl oder Listenwahl zu sehen. Bei der Listenwahl ist es nicht möglich, bei der Stimmabgabe den Ausgang vorangegangener Wahlgänge schon zu berücksichtigen, wie dies die Wahl in getrennten Wahlgängen zuläßt. Die Regelung der Wahl der Vorsitzenden steht einmal im Gegensatz zu einer Ermächtigung des Vorstandes, seine Vorsitzenden selbst zu wählen. Sie steht ferner im Gegensatz zu der Regelung, zunächst die Vorsitzenden und dann die Mitglieder des Vorstandes zu wählen. Sie räumt mit der Festlegung des passiven Wahlrechts auf die Mitglieder des Vorstandes jedem Vorstandsmitglied eine Chance ein, zum Vorsitzenden gewählt zu werden.

Das Ziel einer möglichen Berücksichtigung des Ausgangs der vorangegangenen Wahlgänge wird zwar erst vollständig erreicht, wenn zum Wahlgang auch die Annahme der Wahl gehört. Dadurch würde jedoch mittelbar die Wahl auf Anwesende beschränkt. Eine solche Beschränkung im Wege der Auslegung wäre nur gerechtfertigt, wenn bei einer anderen Auslegung der Sinn der Vorschrift, Klarheit über die zuvor gewählten Vorstandsmitglieder zu schaffen, weitgehend verfehlt würde. Das ist indes nicht der Fall. In aller Regel wird die Kenntnis der Auszählung ausreichen, weil die Annahme der Wahl so gut wie sicher ist.

9. Ähnliche Überlegungen gelten für die Wahl der Vorsitzenden. Die Möglichkeit, daß bei Zulässigkeit der Annahme erst nach Abschluß aller Wahlgänge in dem dann maßgebenden Zeitpunkt nach der Wahl der Vorsitzenden ein gewähltes Mitglied des Vorstandes die Annahme seiner Wahl ablehnt und deshalb ein weiteres Vorstandsmitglied gewählt wird, das bei diesem Ablauf an der Wahl zu den Vorsitzenden passiv nicht teilnehmen konnte, führt zur Frage, ob in einem solchen Fall nach Neuwahl der erforderlichen Vorstandsmitglieder die Wahl der Vorsitzenden wiederholt werden muß. Das ist nicht der Fall, da deren Rechte aus der erfolgten Wahl durch das spätere Ausscheiden anderer Vorstandsmitglieder nicht berührt werden, gleichgültig ob diese nach der Annahme ihrer Wahl zurücktreten oder die Wahl nicht angenommen haben. Die Zulässigkeit der Annahme erst nach Abschluß aller Wahlgänge birgt also die Gefahr, daß nachgewählte Vorstandsmitglieder an den Wahlen zu den Vorsitzenden nicht teilnehmen. Diese Gefahr ist jedoch höchst gering, auch wenn sie sich im vorliegenden Fall bei zwei Vorstandsmitgliedern realisiert hat, die allerdings an der Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden noch teilnehmen konnten. Schwierigkeiten, die entstehen, wenn der Vorsitzende seine Wahl insgesamt (also auch die zum Vorstandsmitglied) oder nur die zum Vorsitzenden ablehnt, sind lösbar. Es ist davon auszugehen, daß die Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden wirksam bleibt, wie dies auch bei einem späteren Rücktritt des Vorsitzenden der Fall ist. Das schließt nicht aus, daß in einem solchen Fall der stellvertretende Vorsitzende zum Vorsitzenden gewählt wird, was dann eine Neuwahl des stellvertretenden Vorsitzenden notwendig macht.

Vergleicht man die durch ein Erfordernis der Annahme vor Beginn des nächsten Wahlgangs zusätzlich erreichbare Sicherheit mit dem Nachteil einer Einschränkung auf die Wahl Anwesender, und berücksichtigt man dabei, daß nach der Annahme ohnehin ein Rücktritt der Amtsinhaber ständig möglich ist, so ist die Auslegung vorzuziehen, daß schon mit dem Auszählungsergebnis der Wahlgang endet und die Mitgliedschaft im Vorstand iS der Wahlvorschrift beginnt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß bei der von beiden Vorinstanzen bevorzugten „gespaltenen Lösung die Wahl aller Vorstandsmitglieder im Ergebnis auf Anwesende beschränkt wird, da die Annahme der Wahl in der Wahlsitzung vor der Wahl der Vorsitzenden erklärt werden muß. Wäre das richtig, so würde es an jedem Grund dafür fehlen, die Annahme nicht allgemein vor Beginn des nächsten Wahlganges zu fordern und damit eine größere Sicherheit zu erreichen.

Weil die Satzung hinsichtlich des Annahmezeitpunkts für die Wahlen schweigt, war es dem Vorsitzenden der Vertreterversammlung als Sitzungsleiter freigestellt, den Zeitpunkt zu bestimmen. Es handelt sich um eine bloße Frage der Geschäftsordnung. Weil die Vertreterversammlung mit Mehrheitsbeschluß der praktizierten Verfahrensweise zugestimmt hat, ist auch ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung nicht zu erkennen. Wenn die gewählte Verfahrensweise dazu geführt hat, daß die Erklärungen über die Annahme des Mandats erst auf der einige Wochen später fortgesetzten Vertreterversammlung abgegeben wurden, liegt darin keine unangemessene Verzögerung des Verfahrens; die Verzögerung beruht vielmehr auf sachlichen Gründen. Es braucht deshalb nicht weiter darauf eingegangen zu werden, welche Rechtsfolgen aus einer unsachlichen Hinauszögerung der Annahmeerklärungen zu ziehen wären.

Daß die Vertreterversammlung nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten in der Vergangenheit stets anders verfahren ist, nämlich in der Weise, zunächst die Annahme des Mandats der Vorstandsmitglieder erklären zu lassen, zwingt nicht dazu, dies als „Gewohnheitsrecht durch Observanz” (vgl dazu BGHZ aaO S 73) zu werten. Denn eine solche Übung läßt nicht erkennen, daß nach dem überwiegenden Willen der Beteiligten andere Verfahrensweisen ausgeschlossen werden sollten. Eine Übung, daß der Wunsch der Gewählten, die Wahlannahme erst nach der Wahl der Vorsitzenden zu erklären, stets als satzungswidrig abgelehnt worden wäre – was im Widerspruch zu der hier bevorzugten Satzungsauslegung stehen würde –, ist nicht behauptet. Es kann deshalb offenbleiben, ob übereinstimmende Verfahrensweisen der vorangegangenen Vertreterversammlungen auch die nachfolgenden in dieser Hinsicht festlegen können.

Danach hat die Vertreterversammlung nicht rechtswidrig gehandelt, als sie den Vorsitzenden des Vorstandes und den stellvertretenden Vorsitzenden vor der Annahme der Wahl durch die Vorstandsmitglieder gewählt hat. Die Wahl des Vorsitzenden des Vorstandes ist auch im Hinblick darauf nicht zu beanstanden, daß zwei bereits gewählte Vorstandsmitglieder ihre Wahl nicht angenommen haben.

10. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 193, 194 SGG. Das LSG hat den Klägern lediglich die Erstattung der Kosten des Beigeladenen zu 4) für das Berufungsverfahren auferlegt. Der Senat konnte die für die Beigeladenen ungünstigen Kostenentscheidungen zum Nachteil der Kläger auch insoweit ändern, als die Abweisung der Klage gegen die Wahl der Mitglieder des Vorstandes betroffen ist, obwohl hiergegen nur die Kläger Revision eingelegt haben. Insoweit gilt das Verbot der reformatio in peius (Verböserungsverbot) nicht (BSG Urteil vom 6. Februar 1991 – 1 RR 1/89 –, insoweit in BSGE 68, 132 = SozR 3-2400 § 57 Nr 1 nicht abgedruckt).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1173293

BSGE, 175

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