Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bzw Hilfe zur Pflege. Vermögenseinsatz. Darlehen. Tod des Leistungsberechtigten. Geltendmachung eines Zuschusses durch die Erben. Aktivlegitimation. Sonderrechtsfolge nach § 56 SGB 1. Vererbung nach § 58 SGB 1. Bedarfsdeckung durch vorleistenden Dritten. sozialgerichtliches Verfahren. Kostenfreiheit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Notlagenhilfe kann nur durch Dritte, nicht durch den Leistungsempfänger als Darlehensnehmer erfolgen.

2. Zur Vererblichkeit von Leistungen der Pflege.

3. Bei der Rechtsnachfolge in Ansprüche aus der Sozialhilfe sind nur Sonderrechtsnachfolger kostenprivilegiert iS von § 183 S 2 SGG.

 

Orientierungssatz

1. Der Übergang eines Anspruchs auf Sozialhilfeleistungen auf einen Dritten im Wege der Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB 1 oder der Vererbung nach § 58 SGB 1 scheidet wegen seines höchstpersönlichen Charakters immer dann aus, wenn nach dem Tod des Hilfebedürftigen die Leistung nicht mehr der Erfüllung des mit ihr verbundenen Zwecks dienen würde, weil eine etwa vorhanden gewesene Notlage in der Person des Hilfebedürftigen sich nach dessen Tod nicht mehr beheben lässt.

2. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Hilfebedürftige zu Lebzeiten seinen Bedarf mit Hilfe eines im Vertrauen auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe vorleistenden Dritten gedeckt hat, weil der Sozialhilfeträger nicht rechtzeitig geholfen oder die Hilfe abgelehnt hat.

3. Hat dagegen der Hilfebedürftige den Bedarf aus eigenem Einkommen oder Vermögen gedeckt, zu deren Einsatz er sozialhilferechtlich nicht verpflichtet war, kommt ein Anspruchsübergang nicht in Betracht (vgl BVerwG vom 5.5.1994 - 5 C 43/91 = BVerwGE 96, 18).

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. August 2015 wird zurückgewiesen.

II. Die Berufungskläger haben die Kosten der Berufung zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die 1966 geborene, am 28.07.2014 verstorbene vormalige Klägerin erhielt seit August 2007 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - was umstritten ist - als Darlehen.

Vorher hatte sie Arbeitslosengeld II bezogen. Die Berufstätigkeit als selbstständige Heilpraktikerin wurde wegen einer Erkrankung an Multipler Sklerose aufgegeben. Die frühere Klägerin bezog entsprechend einem Gutachten des MDK vom 03.12.2013 Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung bis Juni 2013 nach der Pflegestufe II und anschließend nach der Pflegestufe III. Die überschießenden Kosten für die Pflege durch das Personal der Firma S. (monatlich 1.750 €, später 3.400 € als Pauschale) zuzüglich der anfallenden Fahrtkosten bei Personalwechsel und Kosten der Unterbringung wurden vom Beklagten übernommen; später dann ab Ende Juni 2014 durch eine private Seniorenpflege zu 110 € täglich sowie einen ambulanten Pflegedienst (AWO).

Bereits mit Bescheid vom 24.06.2008 nach dem SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) bewilligte der Beklagte die Leistungen als Darlehen. Denn die Leistungsempfängerin war Eigentümerin eines bebauten Grundstücks in C-Stadt. Sie hatte das Haus im Jahr 1997 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von ihrem 1932 geborenen Vater - dem Kläger zu 2 - erhalten, ohne selbst darin zu wohnen. Der Kläger zu 2 hatte sich den Nießbrauch am gesamten Hausgrundstück vorbehalten. Das Haus war im Ladengeschoss vermietet und wurde im Obergeschoss vom Vater bewohnt. In Abteilung III des Grundbuchs waren nicht valutierte Grundschulden im Nominalbetrag von 190.000 DM eingetragen.

Die weiteren Bewilligungsbescheide ergingen jeweils gemäß § 91 SGB XII als Darlehen. Am 04.08.2008 erließ der Beklagte zudem einen Darlehensbescheid, mit dem der Leistungsempfängerin ein Darlehensplafond für Sozialhilfeleistungen in Höhe von 100.000 € gegen Absicherung im Grundbuch eingeräumt wurde.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 07.08.2012 stellte der Beklagte die Leistungen der Leistungsempfängerin für die Zeit vom 01.07.2012 bis zum 30.06.2013 nach dem 4. Kapitel SGB XII in Höhe von (zunächst) 997,58 € monatlich fest. Diese Bewilligung (von Hilfe zum Lebensunterhalt) erfolgte ebenfalls als Darlehen und nicht als Zuschuss. Der (Darlehens-)Bescheid wurde am 01.03.2013 für die Zeit ab dem 01.01.2013 geändert (höhere Leistungen). Auch für den Folgezeitraum (01.08.2013 bis 30. 06.2014 und vom 01.07.2014 bis 28.07.2014) wurden mit Bescheiden vom 16.07.2013 und 11.06.2014 die Leistungen als Darlehen bewilligt.

Mit ihrem Widerspruch vom 14.08.2012 gegen den Bescheid vom 07.08.2012 machte die Leistungsempfängerin den Anspruch für die Zeit vom 01.07.2012 bis zum 30.06.2013 auf Leistung als Beihilfe geltend. Das ihr gehörende Hausgrundstück stelle kein verwertbares Vermögen dar.

Die Regierung von Oberbayern wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2012 als unbegründet zurück. Trotz des Nießbrauchs zu Gunsten des Vaters liege verwertbares Vermögen vor. Die Verwertbarkeit, etwa in Form einer Beleihung, werde durch ...

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