Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Zulässigkeit einer Richterablehnung ohne Namensnennung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Richterablehnung ohne Namensnennung ist zulässig, wenn ein Konkretes, individualisierbares Verhalten gerügt wird, aber dem Betroffen der Name des Richters nicht bekannt ist.

2. Verfahrensfehler führen nur dann zum Erfolg des Ablehnungsgesuchs, wenn Willkür oder Benachteiligungsabsicht vorliegen.

 

Tenor

Die Ablehnungsgesuche gegen die Richterinnen des 16. Senats am Bayer. Landessozialgericht wegen Besorgnis der Befangenheit werden zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller (Ast.) und Beschwerdeführer begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab Dezember 2016.

Am 06.07.2017 erhob der Ast. mit unvollständiger Wohnanschrift Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht L 16 AS 514/17 B ER gegen den die begehrten Leistungen ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 04.07.2017.

Mit von der Urkundsbeamtin unterschriebenem, gerichtlichem Schreiben vom 12.07.2017 - verfügt von der im 16.Senat zuständigen Berichterstatterin - wurde der Ast. gebeten, eine ladungsfähige Wohnanschrift mitzuteilen.

Der Beschwerdegegner nahm zur Beschwerde mit Schreiben vom 12.07.2017 Stellung. Darin bat der Beschwerdegegner wegen des Umfangs der Akten um richterlichen Hinweis, ab welchem Zeitpunkt die Akten benötigt würden. Das Schreiben des Beschwerdegegners wurde dem Ast. mit gerichtlichem Schreiben vom 18.07.2017 zur Kenntnis gegeben. Mit weiterem gerichtlichem Schreiben ebenfalls vom 18.07.2017 wurde der Beschwerdegegner um Vorlage der Akten ab 2017 gebeten; dieses Schreiben erhielt der Ast. nicht.

Mit einem auf den 16.07.2017 datierten Fax - eingegangen bei Gericht am 19.07.2017 -bat der Ast. um Akteneinsicht bei Gericht. In diesem Schreiben führte der Ast. zudem aus, das er Befangenheit bei Gerichten erkenne und nahm dabei vor allem Bezug auf das Verwaltungsgericht München, erwähnte aber auch das hier erstinstanzlich tätige Sozialgericht München; er stelle Befangenheitsantrag.

Mit Schreiben vom 19.07.2017, eingegangen bei Gericht am 21.07.2017 übersandte der Beschwerdegegner dem Gericht die angeforderten Akten für den Zeitraum vom 30.11.2016 bis aktuell und bedankte sich für den gerichtlichen Hinweis. Dieses Schreiben erhielt der Ast. mit gerichtlichem Schreiben vom 26.07.2017 zur Kenntnis.

Mit Schreiben vom 25.07.2017 teilte das Gericht dem Ast. mit, dass inzwischen bekannt sei, dass der Ast. ohne Wohnsitz sei; die Mitteilung einer ladungsfähigen Anschrift sei daher entbehrlich. Außerdem werde davon ausgegangen, dass sich der Befangenheitsantrag im Schreiben vom 16.07.2017 auf das Verwaltungsgericht beziehe.

Am 26.07.2017 stellte der Ast. Befangenheitsantrag gegen die Richterinnen des 16. Senats. Sein Schreiben vom 16.07.2017 beziehe sich entgegen der im gerichtlichen Schreiben vom 25.07.2017 geäußerten Ansicht hinsichtlich der dort gerügten Befangenheit nicht nur auf das Verwaltungsgericht sondern auch auf das Sozialgericht München.

Mit weiterem Schreiben vom 29.07.2017 begründete der Ast. diesen Befangenheitsantrag auch damit, dass sich der Beschwerdegegner im Schreiben vom 19.07.2017 für einen gerichtlichen Hinweis bedankt habe, ohne dass der Ast. eine Kopie dieses Hinweises erhalten habe. Zudem bestünde ein weiterer Befangenheitsgrund: Dass im Beschwerdeverfahren nur die Akten ab 30.11.2016 vorliegen würden und nicht die gesamten Akten, sei nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar.

Die dienstlichen Stellungnahmen der vom Ast. abgelehnten Richterinnen des 16. Senats vom 08.08.2017 sowie vom 09.08.2017 wurden dem Ast. zur Kenntnis gebracht.

Der Ast. hat sich hierzu nicht mehr geäußert.

II.

Die zulässigen Ablehnungsgesuche sind unbegründet.

Was die Ablehnungsgesuche gegen die Vorsitzende des 16. Senats sowie die Richterin am BayLSG X. betrifft, sind die Ablehnungsgesuche - obwohl pauschal gegen die Richterinnen des 16. Senats erhoben - zulässig, nachdem der Ast. individualisierbare Gründe vorgetragen hat, dem Ast. aber nicht bekannt war, wer die von ihm gerügten Handlungen im Laufe des Verfahrens veranlasst hat. Die Ablehnungsgesuche betreffend diese beiden Richterinnen, sind jedoch unbegründet, nachdem beide Richterinnen nicht Berichterstatterinnen im konkreten Fall sind und sich aus den Akten ergibt, dass beide im Beschwerdeverfahren bislang auch nicht tätig geworden sind.

Das zulässige Ablehnungsgesuch gegen die Berichterstatterin im 16. Senat, RiLSG Y., die bisher im Beschwerdeverfahren allein tätig war, ist ebenfalls nicht begründet.

Nach § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des ...

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