Was ist noch wichtig?

Welche weiteren wichtigen Vorhaben haben die Koalitionäre im Rentenrecht außerdem vorgesehen? Und wie sind die vorgesehenen Maßnahmen in einer ersten Einschätzung zu bewerten?

Angleichungsprozess Ost-West

Nach der Formulierung im Koalitionsvertrag soll eine vollständige Angleichung der Rentenwerte in den neuen und alten Bundesländern zum Ende des Solidarpaktes erfolgen. Da der Solidarpakt II im Jahr 2019 ausläuft, bedeutet, dass es erst im Jahr 2020 ein einheitliches Rentenrecht in Ost und West geben soll. Der Fahrplan zur vollständigen Angleichung soll hierbei in einem «Rentenüberleitungsabschlussgesetz» festgeschrieben werden. Zum 1.7.2016 soll geprüft werden, wie weit sich der Angleichungsprozess bereits vollzogen hat. Auf dieser Grundlage soll entschieden werden, ob mit Wirkung ab 2017 eine teilweise Angleichung notwendig ist.

Kein einheitliches Rentenrecht in dieser Legislaturperiode (LP)

Bei dieser Konzeption bleibt den Versicherten in den neuen Ländern der Vorteil der Hochwertung ihrer Entgelte auf Westniveau erhalten. Da die Renten den Löhnen folgen, haben Versicherte und Rentner im Osten somit weiterhin die Chance, von einer weiteren Lohnangleichung zu profitieren. Dennoch dürfte es auch kritische Stimmen geben, weil es nach dem vorgesehenen Zeitplan offenbar wiederum in dieser LP kein einheitliches Rentenrecht in Ost und West geben wird.

Schnittstellen zwischen den Sozialgesetzbüchern

Ein weiteres Thema mit Bezug zur Rente sind die im Koalitionsvertrag angesprochenen Schnittstellen der verschiedenen Sozialgesetzbücher zueinander. Hier soll es zu einer besseren Verzahnung kommen; Sicherungs- und Förderlücken sollen künftig vermieden werden.

Sicherungslücke bei fehlender Nahtlosigkeit

Soweit es um das Thema Rente geht, kommt folgende «Schnittstelle» in Betracht: Beim Übergang von Arbeitslosengeld (SGB III) in eine befristete Erwerbsminderungsrente (SGB VI) kann eine Sicherungslücke entstehen, da ein nahtloser Leistungsbezug nach geltendem Recht in Einzelfällen ggf. nicht möglich ist. Die fehlende Nahtlosigkeit kann sich daraus ergeben, dass das Krankengeld nach 78 Wochen Bezug bereits ausgesteuert ist und im Anschluss Arbeitslosengeld nach § 145 SGB III gezahlt wird.

Stellt nun der Rentenversicherungsträger eine verminderte Erwerbsfähigkeit des Versicherten fest, wird die Zahlung des Arbeitslosengeldes bereits dann eingestellt, wenn der Arbeitsverwaltung der Bewilligungsbescheid der Rentenversicherung vorliegt. Der Leistungsbeginn der befristeten Erwerbsminderungsrente kann allerdings eventuell erst später liegen, weil befristete EM-Renten erst mit dem Beginn des 7. Kalendermonats nach Eintritt der Erwerbsminderung geleistet werden. Eine solche Lückenschließung für wenige Fälle wäre zu begrüßen und ist sozialpolitisch geboten. Denn die Auswirkungen für die Betroffenen, die viele Jahre in Sozialversicherungen eingezahlt haben, sind erheblich und nicht zumutbar. Sie könnten sonst für den Zwischenzeitraum ggf. auf Fürsorgeleistungen angewiesen sein.

 

Fazit

Die neue Bundesregierung hat sich rentenrechtlich viel vorgenommen. In 4 Jahren werden wir wissen, welche und wie viele der «Hausaufgaben» denn nun tatsächlich erledigt worden sind.

Abschlagsfreie Altersrente mit 63 Jahren

Zur abschlagsfreien Altersrente mit 63 Jahren ist Folgendes zu sagen: Auch wenn Zeiten der Kindererziehung bei den 45 Beitragsjahren berücksichtigt werden, dürften von dieser Rente in weitaus stärkerem Maße Männer als Frauen profitieren, weil Letztere deutlich seltener die Wartezeit von 45 Jahren erreichen. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung wird die heutige Altersrente für besonders langjährig Versicherte zu rund 86 % von Männern in Anspruch genommen. Zudem wird die Regelung vor allem den Versicherten zugutekommen, die bereits ohnehin relativ hohe Rentenanwartschaften haben. Der Grünen-Politiker Markus Kurth kritisierte deshalb in der Presse, die abschlagsfreie Rente komme vor allem dem «Facharbeiteradel» zugute.

Neuregelung Hinzuverdienstrecht

Auf eine Neuregelung des Hinzuverdienstrechts warten die Betroffenen schon lange. Auch wenn hier kein Datum für die Umsetzung angegeben ist, sollte dieses Vorhaben alsbald realisiert werden.

Mütterrente

Die Mütterrente ist als Leistungsverbesserung grundsätzlich zu begrüßen, wenn diese richtig, d. h. über Steuermittel finanziert wird. Angesichts der erheblichen Kosten und der Tatsache, dass keine vollständige Gleichstellung mit der Anrechnung der KEZ für ab 1992 geborene Kinder erfolgt, ist jedoch zu fragen, ob dies eine vorrangig notwendige Verbesserung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung ist.

Erwerbsminderungsrente

Die geplanten Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente sind zu begrüßen. Es handelt sich um überfällige und sozialpolitisch notwendige Maßnahmen. Kritische Stimmen könnten hier allenfalls - noch weitergehend - eine Abschaffung der Abschläge bei den Erwerbsminderungsrenten fordern.

Solidarische Lebensleistungsrente

Bei der solidarischen Lebensleistungsrente scheinen es die Koalitionäre nicht besonders eilig zu haben. Sie soll voraussichtlich bis 2017 eingeführt werden. Wäre dies aus Sicht der Vertragschließenden ein dringlich zu lösendes Problem, so hätte man sich dies wohl nicht erst für das letzte Jahr der LP vorgenommen.
Die Kritik, die an der Lebensleistungsrente in der letzten LP geübt worden ist, trifft in vielerlei Hinsicht auch auf dieses Modell zu. Zudem wird durch die solidarische Lebensleistungsrente die Inanspruchnahme von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung oftmals nicht vermieden. Es sind deshalb gleich mehrere Fragezeichen zu machen, ob diese Maßnahme jemals Niederschlag im Bundesgesetzblatt finden wird.

Schlagworte zum Thema:  Altersrente, Hinzuverdienst, Rente, Koalitionsvertrag