Strafrechtliche Verantwortung des "Strohmann-Geschäftsführers"

Ein lediglich aus formalen Gründen eingesetzter Geschäftsführer einer GmbH, der tatsächlich die Geschäfte der GmbH nicht führt, haftet strafrechtlich dennoch in vollem Umfange für das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt.

Durch Gesellschafterbeschluss einer luxemburgischen, haftungsbeschränkten Gesellschaft war die Angeklagte formal ordnungsgemäß als Geschäftsführerin bestellt worden. Intern war vereinbart, dass diese Bestellung lediglich der Außendarstellung diente, während das Unternehmen tatsächlich von einem anderen „faktischen Geschäftsführer“ geleitet wurde, der auch in „alleiniger Verantwortung“ die Tagesgeschäfte führte und sämtliche die Gesellschaft betreffenden Entscheidungen traf, ohne dass die offiziell eingesetzte Geschäftsführerin hierüber im Einzelnen informiert wurde. 

Geschäftsführerin beruft sich auf mangelnde Handlungsmöglichkeit  

In der Folgezeit verletzte der faktische Geschäftsführer in verschiedener Weise die Verpflichtungen zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung und führte unter anderem Sozialbeiträge der Arbeitnehmer nicht ab. Wegen dieser Verhaltensweisen verurteilte das LG - neben dem faktischen Geschäftsführer - auch die offiziell eingesetzte Geschäftsführerin wegen „Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“. Die Geschäftsführerin legte gegen das Urteil Revision ein mit der Begründung, sie habe trotz ihrer formellen Bestellung durch die Gesellschafter faktisch keinerlei Einfluss auf die Geschäftsführung gehabt; sie sei über die Vorenthaltung von Arbeitsentgelt nicht informiert gewesen. Eine Handlungsmöglichkeit zum Gegensteuern gegen die Verhaltensweisen des faktischen Geschäftsführers sei nicht vorhanden gewesen, da dieser völlig unabhängig von ihr agiert habe.

Einstandspflicht des formalen Geschäftsführers

Die Argumentation der Geschäftsführerin beeindruckte den BGH nicht. Der Senat stellte klar, dass allein die formale Bestellung durch die Gesellschafterversammlung die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers als Organ der Gesellschaft nach außen gemäß § 14 Abs. 1 Nr.1 StGB begründet. Damit entstehe auch eine Einstandspflicht für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten wie die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge. Dass tatsächlich eine andere Person intern mit so weitreichenden Handlungskompetenzen ausgestattet sei, dass diese Person faktisch die Gesellschaft führe, ändere hieran nach ständiger Rechtsprechung nichts (BGH, Beschluss v. 28.5.2002, 5 StR 16/02).

Der formale Geschäftsführer hat die volle Rechtsmacht

Der BGH rügte ausdrücklich, dass einige Oberlandesgerichte in solchen Fällen gelegentlich annehmen, dass die Verantwortlichkeit des formellen Geschäftsführers entfallen könne, wenn diesem rechtsgeschäftlich im Innenverhältnis keine bedeutsamen Kompetenzen übertragen seien und dieser faktisch nicht die Möglichkeit habe, auf die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen (OLG Hamm, Beschluss v. 10.2.2000, 1 Ss 1337/99). Diese Annahme ist nach Auffassung des Senats schon deshalb fehlerhaft, weil der von Gesetzes wegen bestellte Geschäftsführer rechtlich und damit auch tatsächlich alle Handlungsmöglichkeiten hat. Auch der „Strohmann-Geschäftsführer“ besitze die Rechtsmacht und damit auch die faktische Handlungsmacht, für die gebotene Abführung der Sozialversicherungsbeiträge zu sorgen.

Geschäftsführer hat hinreichende Handlungsalternativen

Kommt der faktische Geschäftsführer seinen Verpflichtungen nicht nach, so muss der „Strohmann-Geschäftsführer“ nach Auffassung des BGH gegebenenfalls gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um zum Beispiel die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge zu erzwingen. Auch könne er sein Amt notfalls niederlegen. Bleibe er allerdings im Amt, so sei er auch strafrechtlich voll verantwortlich. Die Revision der Angeklagten blieb damit ohne jeden Erfolg.

Mitgegangen - mitgehangen 

Fazit: Wer sich zu der aus den verschiedensten Gründen immer noch weit verbreiteten Unsitte überreden lässt, rein formal für eine Gesellschaft eine Geschäftsführerstellung zu übernehmen, sollte sich dies in Zukunft mehr als zweimal überlegen. Zu den erheblichen zivilrechtlichen Haftungsrisiken gesellt sich auch die volle strafrechtliche Verantwortlichkeit.

(BGH, Beschluss vom 13.10.2016, 3 Str 352/16)

Schlagworte zum Thema:  Geschäftsführung, Haftung, Strafrecht