Leistungsausschlüsse bei der private Unfallversicherung

Voraussetzung für die Leistungspflicht der privaten Unfallversicherung ist eine rechtzeitige ärztliche Invaliditätsfeststellung, aus der sich ergibt, dass die körperliche Beeinträchtigung auf einem bestimmten Unfall beruht. Unfälle infolge von Geistes- oder Bewusstseinsstörungen sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. 

Frühsommerliche 25 Grad hatte es im März 2017, als die Klägerin im Vorgarten ihres Wohnhauses arbeitete. Um die verwelkten Blüten eines Hortensienbusches zu entfernen, musste sie sich immer wieder bücken und aufrichten. Durch diese Bewegungen wurde ihr schwindelig. Die Frau stürzte und fiel auf ihren Hinterkopf. Die Verletzungen machten eine mehrwöchige Rehabilitationsmaßnahme notwendig.

Invaliditätsgrad von 25 % wegen Einschränkungen bei Gehör- und Geruchssinn

Die Klägerin behauptete, dass sie infolge des Sturzes das Gehör auf dem rechten Ohr sowie den Geruchssinn dauerhaft verloren habe. Bei ihr liege deshalb ein unfallbedingter Invaliditätsgrad in Höhe von 25 Prozent vor.

Versicherungsbedingungen enthalten Leistungsausschluss wegen Bewusstseinsstörung

Der Unfallversicherer lehnte ab. Seine Begründung: Der Schwindelanfall stelle eine Bewusstseinsstörung i. S. v. § 3 Abs. 4 der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) dar, weshalb ein Anspruch der Klägerin auf die Leistung ausgeschlossen sei:

§ 3 AUB: Ausgeschlossen von der Versicherung sind:  …
(4) Unfälle infolge von Schlaganfällen und solchen Krampfanfällen, die den ganzen Körper des Versicherten ergreifen, von Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese durch Trunkenheit verursacht sind. Die Ausschlüsse gelten nicht, wenn diese Anfälle oder Störungen durch einen unter die Versicherung fallendes Unfallereignis hervorgerufen werden.

Das Landgericht Bonn hatte schon einen Anspruch der Klägerin gegen die Versicherung verneint, weil es eine Bewusstseinsstörung bei ihr als gegeben ansah. Das OLG Köln sah ebenfalls keine Pflicht bei der Versicherung zu zahlen.

BGH-Rechtsprechung zu Versicherungschutz und Bewusstseinsstörung

Ob der Leistungsausschluss des § 3 (4) AUB greife, könne dahinstehen, so das OLG, wenngleich einiges dafür spreche, dass bei der Klägerin eine Bewusstseinsstörung im Sinne dieser Regelung aufgetreten sei:

  • Wenn es zum Schwindel der Klägerin durch wiederholtes Bücken und Aufrichten gekommen sein sollte, würde das für einen kreislaufbedingten Schwindel sprechen.
  • Im Sinne der Rechtsprechung des BGH würde eine solche gesundheitliche Beeinträchtigung der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit des Versicherten dazu führen, dass dieser die gebotene und erforderliche Reaktion auf die vorhandene Gefahrenlage nicht mehr zulässt (BGH, Urteil v. 17.05.2000, IV ZR 113/99).
  • Der Versicherte wäre damit nicht mehr in der Lage, den Sicherheitsanforderungen seiner Umwelt zu genügen (BGH, a.a.O.).

Ob der Sachverhalt der Bewusstseinsstörung vom Landgericht hinreichend geklärt worden sei, könne offen bleiben, weil bei der Klägerin die behauptete Invalidität nicht gemäß § 8 II (1) AUB innerhalb von 15 Monaten ärztlich festgestellt worden sei.

Anforderungen an Invaliditätsfeststellung

Die Versicherung habe bereits in der Klageerwiderung zutreffend darauf hingewiesen,

  • dass es sich bei der in den Versicherungsbedingungen geforderten ärztlichen Invaliditätsfeststellung um eine Anspruchsvoraussetzung handele.
  • Und dass die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Berichte die Anforderungen an eine ärztliche Invaliditätsfeststellung nicht erfüllen.

Konkret erfordert die Invaliditätsfeststellung im Sinne der AUB, dass sich aus ihr ergibt, dass eine bestimmte körperliche Beeinträchtigung auf einem bestimmten Unfall beruht und innerhalb der vereinbarten Frist – hier ein Jahr – nach dem Unfall zu unveränderlichen Gesundheitsschäden geführt hat (vgl. OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss v. 13.02.2017, I-4 U 1/17).

(OLG Köln, Beschluss v. 12.06.2018, 20 U 66/18).

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Hintergrund: 

Auslegung des § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61

"Der – auch dem verständigen Versicherungsnehmer erkennbare – Sinn der Ausschlußklausel liegt darin, vom Versicherungsschutz solche Unfälle auszunehmen, die sich als Folge einer schon vor dem Unfall vorhandenen – gefahrerhöhenden – gesundheitlichen Beeinträchtigung beim Versicherten darstellen. Dabei muß diese Beeinträchtigung so beschaffen sein, daß sie eine den Unfall vermeidende Reaktion des Versicherten nicht zuläßt („Unfälle infolge von …”). Das gilt gleichermaßen für die angeführten Anfalleiden wie für die mit einem Sammelbegriff umschriebenen Bewußtseins- oder Geistesstörungen. Auch diese Störungen können zwar – wie der Zusammenhang verdeutlicht – von nur kurzzeitiger Dauer sein, müssen aber dennoch so beschaffen sein, daß es in ihrer Folge zu einem Unfall kommt.

Eine Bewußtseinsstörung im Sinne der Klausel setzt danach nicht den Eintritt völliger Bewußtlosigkeit voraus, es genügen vielmehr solche gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit des Versicherten, die die gebotene und erforderliche Reaktion auf die vorhandene Gefahrenlage nicht mehr zulassen, die also den Versicherten außerstande setzen, den Sicherheitsanforderungen seiner Umwelt zu genügen.

Eine solche Störung liegt mithin dann vor, wenn die dem Versicherten bei normaler Verfassung innewohnende Fähigkeit, Sinneseindrücke schnell und genau zu erfassen, sie geistig zu verarbeiten und auf sie angemessen zu reagieren, ernstlich beeinträchtigt ist; sie muß einen Grad erreicht haben, bei dem die Gefahrenlage nicht mehr beherrscht werden kann (BGH Urteil v. 17.05.2000, IV ZR 113/99). 

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium


Schlagworte zum Thema:  Versicherungsschutz, Unfallversicherung