Verwaltungsgericht entscheidet: Dieselfahrverbote auch in Berlin

Trotz anlaufender Verhandlungsbemühungen der Politik setzt die Justiz auf Klagen der Deutschen Umwelthilfe e.V. nun Schritt für Schritt bundesweit Dieselfahrverbote durch. In der Hauptstadt Berlin sind gleich 11  Streckenabschnitte und ca. 22.000 Dieselfahrer betroffen, dabei hatte die Bundesregierung die Hauptstadt in ihrem erst kürzlich ausgehandelten Dieselkompromiss bisher noch gar nicht berücksichtigt. 

Dieselfahrverbote überholen die Politik 

Nachdem erst kürzlich das Verwaltungsgericht Wiesbaden (Urteil v. 5.9.2018, 4 K 1613/15.WI) zwingend Dieselfahrverbote für bestimmte Zonen in Frankfurt für 2019 vorgeschrieben hat, hat das Verwaltungsgericht Berlin dies nun auch für die Bundeshauptstadt getan. Es hat damit die vom BVerwG in seinen grundlegenden Entscheidungen vom Februar 2018 eröffneten Freiräume zur Verhängung von Dieselfahrverboten (BVerwG, Urteile v. 27.2.2018, 7 C 26.16 u. 7 C 30.17) genutzt.

Deutsche Umwelthilfe e.V.: Berliner Luft muss sauberer werden

Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) hat bereits die Länder Baden Württemberg und Nordrhein-Westfalen gerichtlich in die Knie gezwungen. Beide Bundesländer wurden verurteilt, Maßnahmen zur Einhaltung der europaweit geltenden Immissionsgrenzwerte für NO2 in Stuttgart und Düsseldorf zu ergreifen (VG Stuttgart, Urteil v. 28.7.2017, 13 K 5412/15; VG Düsseldorf, Urteil v. 13.9.2016, 3 K 7695/15).

Nun hat der Verein einen weiteren (Teil-) Sieg in Sachen Bundeshauptstadt erzielt.

Fahrverbote in Berlin zwingend ab Sommer 2019

Nach dem jüngsten Urteil des Berliner VG ist der Berliner Senat gezwungen, einen Beschluss über die Fortschreibung des Luftreinhalteplans bis spätestens 31.3.2019 zu erlassen. In diesem Beschluss hat der Berliner Senat nach dem Urteil des VG

  • für 117 Straßenabschnitte auf einer Strecke von insgesamt 15 km prüfen, ob Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zur Einhaltung des erlaubten Grenzwertes für Stickoxide von 40 µg/Kubikmeter Luft zu erlassen sind.
  • Zwingend anzuordnen ist ein Fahrverbot für Diesel-Pkw bis zur Schadstoffklasse Euro 5 sowie für Diesel-Lkw der Schadstoffklasse 5 auf insgesamt elf Straßenabschnitten an der Leipziger Straße, Reinhardtstraße, Brückenstraße, Friedrichstraße, dem Kapweg, Alt Moabit, der Stromstraße und der Leonorenstraße.
  • Umzusetzen ist der Luftreinhaltungsplan innerhalb von 2-3 Monaten nach Beschlussfassung.

An elf Streckenabschnitten hat der Senat kein Ermessen mehr

Die Anordnung des Gerichts beinhaltet nach der Begründung des Gerichts deshalb eine zwingende Verpflichtung zu einem Fahrverbot an 11 betroffenen Streckenabschnitten, weil an diesen besonders belasteten Straßen eine Einhaltung der Grenzwerte anders kurzfristig nicht zu gewährleisten sei. Ein Ermessensspielraum der Stadt besteht nach dem Urteil des VG dort nicht mehr.

Die Zeit, nicht zu handeln, ist abgelaufen

Das Gericht begründete die kurzen, dem Senat eingeräumten Zeitspannen damit, dass die Grenzwerte rechtlich bereits seit dem Jahr 2010 einzuhalten seien, also seit mehr als 8 Jahren. Der seither bestehende rechtswidrige Zustand müsse so schnell wie möglich beendet werden.

Jeder sechste Berliner Autofahrer ist betroffen

Betroffen von den Fahrverboten werden rund 22.000 Berliner Dieselfahrer sein, d.h. jeder sechste Autofahrer der Stadt. Doch das Gericht sieht auch die unvermeidlich zu erwartenden Probleme: Ausnahmen, beispielsweise für Handwerker und Anwohner, hält das Gericht ausdrücklich für zulässig und auch notwendig.

DUH forderte ursprünglich Sperrung der gesamten Umweltzone für Diesel

Die DUH hatte ursprünglich beantragt, den Senat zu verpflichten, die gesamte Umweltzone für Diesel Pkw zu sperren. Das VG vertrat insoweit allerdings die Auffassung,

  • dass ein solches umfassendes Dieselfahrverbot selbst unter pessimistischen Annahmen nicht erforderlich sei,
  • da der Stickstoffdioxidausstoß nicht in der gesamten Umweltzone die zulässigen Grenzwerte überschreite.

Die DUH nahm auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts diesen weitergehenden Antrag zurück.

Fahrverbote sind auch für weitere Streckenabschnitte realistisch

Die Aufgabe, die auf den Berliner Senat infolge des verwaltungsgerichtlichen Urteils zukommt, ist nicht zu unterschätzen. Für insgesamt 117 Streckenabschnitten muss der Senat mögliche Fahrverbote prüfen.

  • Das Gericht schrieb den Politikern hierzu ins Stammbuch, dass diese Prüfungspflicht nicht zu leicht genommen werden sollte.
  • Fahrverbote seien auch auf diesen Streckenabschnitten immer dann zu verhängen, wenn sich deutlich abzeichne, dass die Grenzwerte anders nicht einzuhalten seien.
  • Insoweit bestehe allerdings ein Ermessen. Beispielsweise könne eine Verbesserung der Luftsituation auch durch Tempo-30-Zonen erreicht werden.

Rechtsmittel zugelassen

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit hat das VG die Berufung zum OVG zugelassen.

( VG Berlin, Urteil v. 9.10.2018, 10 K 207.16)

Hintergrund

Pflicht zur Fortschreibung der Luftreinhaltepläne

Die Urteile der Verwaltungsgerichte verweisen rechtlicher Hinsicht im wesentlichen auf

  • einen Anspruch der Anwohner auf saubere Luft
  • und leiten diesen unmittelbar aus § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BImSchG ab,
  • wonach die für die Aufstellung von Luftreinhalteplänen zuständigen Planbehörden einen Luftreinhalteplan aufzustellen bzw. fortzuschreiben hätten,
  • wenn die nach europäischen und bundesrechtlichen Vorschriften einzuhaltenden Immissionsgrenzwerte für Luftschadstoffe nicht eingehalten werden.

Dieselkompromiss der Regierung kann Fahrverbote nicht mehr verhindern

Interessant wird sein, wie die Bundesregierung auf das Dieselurteil aus Berlin reagieren wird, dass ihr deutlich zeigt, wie weit sie mit ihrem Krisenmanagement hinterherhinkt.

  • Berlin gehörte nicht einmal zu den 14 hoch belasteten Städten,
  • für die die Bundesregierung in ihrem Diesel-Kompromiss u.a. Nachrüstoptionen für Altfahrzeuge und Kaufanreize für neue Fahrzeuge vorgesehen hat.
  • Diese Maßnahmen kommen ohnehin sämtlich zu spät, denn Auswirkungen können sie erst mittelfristig zeigen.

Die Gerichte pochen aber - wie das Berliner Urteil zeigt - auf Einhaltung der Grenzwerte jetzt und sofort.

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Schlagworte zum Thema:  Fahrerlaubnis, Immissionsschutz, Umweltschutz, Recht