Kein spätes Fahrverbot für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge nach Trunkenheitsfahrt auf dem Rad
Ein Mann war am 8. Juni 2013 volltrunken mit dem Fahrrad unterwegs. Als er aufgegriffen wurde, wurde bei ihm eine Blutalkoholkonzentration von 2,88 Promille festgestellt. Das Amtsgericht München verurteilte den Mann wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB) am 4. Juli 2013 zu einer Geldstrafe.
Medizinisch-psychologisches Gutachten nicht vorgelegt – Behörde spricht Radfahrverbot aus
Die Stadt München hatte den Mann mehrmals aufgefordert, ein medizinisch-psychologisches Gutachten – umgangssprachlich häufig als Idiotentest bezeichnet – vorzulegen. Dieser Aufforderung kam er nicht nach. Am 23. Mai 2017, also
- knapp fünf Jahre nach der Trunkenheitsfahrt auf dem Fahrrad,
- entzog ihm die Stadt München die Fahrerlaubnis aller Klassen.
Zudem untersagte sie ihm auch das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auf öffentlichem Verkehrsgrund. Begründung der Behörde: Der Mann habe das rechtmäßig geforderte Fahreignungsgutachten nicht beigebracht. Deshalb dürfe die Behörde gemäß § 11 Abs. 8 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) darauf schließen, dass er nicht geeignet sei Kraftfahrzeuge zu führen und auch keine nicht fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge.
Dauerverwaltungsakt: Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich
Nach erfolglosem Widerspruch erhob der Mann erfolglos Klage. Auf eine beschränkt auf die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge zugelassene Berufung des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil geändert und die angegriffenen Bescheide insoweit aufgehoben. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte das Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, kassiert. Da es sich um einen Dauerverwaltungsakte handele, sei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich, um zu beurteilen, ob die Untersagung rechtmäßig war.
Zu diesem Zeitpunkt hätte die strafgerichtliche Ahndung der Trunkenheitsfahrt aber bereits im Fahreignungsregister getilgt sein müssen. Sie habe deshalb nicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Ebenso wenig habe gemäß § 11 Abs. 8 FeV berücksichtigt werden dürfen, dass der Kläger das zu Recht von ihm geforderte Fahreignungsgutachten nicht vorgelegt habe.
Bundesverwaltungsgericht: Tilgungsfrist war bereits abgelaufen – Verwertungsverbot
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat sich der Argumentation des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs angeschlossen. Entscheidend sei der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist für die Tilgung der strafgerichtlichen Ahndung seiner Trunkenheitsfahrt im Fahreignungsregister bereits abgelaufen. Daher hätte sie nicht mehr zu Lasten des Mannes verwertet werden dürfen.
Eintragungen im Fahreignungsregister hätten getilgt werden müssen
Daran ändert auch nichts, dass die Tilgungsreife zum Zeitpunkt der ersten Aufforderung, ein Gutachten beizubringen, noch nicht abgelaufen war. Das BverwG wies darauf hin, dass die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung eines Betroffenen schließen, wenn der das von ihm geforderte Fahreignungsgutachten nicht vorlegt. Doch lasse sich dieser Bestimmung nicht entnehmen, dass damit auch das in § 29 Abs. 6 und 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG) angeordnete Verwertungsverbot für im Fahreignungsregister zu tilgende Eintragungen durchbrochen werde.
(BVerwG, Urteil v. 4.12.2020, 3 C 5.20)
Hintergrund: Tilgungsfristen
Mit dem zum 1.5.2014 eingeführten Fahreignungs-Bewertungssystem haben sich die Fristen für Ordnungswidrigkeiten und Straftaten geändert. Seit diesem Zeitpunkt gelten folgende Tilgungsfristen:
- Ordnungswidrigkeiten mit 1 Punkt: 2,5 Jahre
- Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, jeweils mit 2 Punkten: 5 Jahre
- Straftaten mit 3 Punkten: 10 Jahre
Nach altem Recht lag die Tilgungsfrist von Ordnungswidrigkeiten in Flensburg generell bei 2 Jahren.
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Hintergrund:Wann droht ein medizinisch-psychologische Gutachten?
Werden der Fahrerlaubnisbehörde Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet ist, kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verlangen. Rechtsgundlage sind § 46 Abs. 3 FeV in entsprechender Anwendung der §§ 11 bis 14 FeV
Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie hieraus bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, § 11 Abs. 8 Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Die Schlussfolgerung darf aber nur dann gezogen werden, wenn die Beibringung eines Gutachtens zu Recht angeordnet wurde (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 14.09.2004, 10 S 1283/04).
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