BVerfG nimmt Verfassungsbeschwerde wegen zu laxem Waffenrecht nicht an
Nach wie vor wirkt der Amoklauf von Winnenden in der Justiz und bei der Gesetzgebung nach. Hinterbliebene der Opfer wollen erreichen, das die Tragödie Rechtsänderungen für die Zukunft bewirkt. Sie erhoffen sich davon, dass durch ihre Bemühungen ähnliche Vorfälle verhindert werden.
Hintergrund: Amoklauf von Winnenden und die waffenrechtlichen Folgen
Am 11.3.2009 erschoss ein 17jähriger Schüler in der Albertville-Realschule und während der sich anschließenden Flucht 15 Menschen und tötete zuletzt sich selbst. Bei dem Amoklauf benutzte der Jugendliche eine leicht zugängliche Pistole seines Vaters, die der leidenschaftliche Sportschütze im elterlichen Schlafzimmer aufbewahrte statt - wie vorgeschrieben - in einem gesicherten Tresor. Nach dem Schulmassaker von Winnenden wurde im Juni 2009 das Waffengesetz verschärft (Gesetz v. 17.07.2009, BGBl. I S. 2062) und u.a. folgende Änderungen aufgenommen:
- Waffenbesitzer haben zur Überprüfung einer sicheren Aufbewahrung auch ohne begründete Zweifel eine Überprüfung ihrer Wohnungen zu gestatten,
- Verstößen gegen die Aufbewahrungspflicht können jetzt als Straftat sanktioniert werden und nicht mehr nur als Ordnungswidrigkeit,
- das Fortbestehen eines Bedürfnisses für die waffenrechtlichen Erlaubnis kann nun fortwährend geprüft werden,
- ein nationales Waffenregister wurde eingeführt.
Waffengesetz aus Sicht der Hinterbliebenen unzureichend
Zwei Eltern der Opfer sowie ein Vertreter der Initiative „Keine Mordwaffen als Sportwaffen“ versuchten nun weitergehende Beschränkungen sowie ein Verbot von tödlichen Sportwaffen zu erzwingen und legten gegen das Waffengesetz Verfassungsbeschwerde ein. Sie warfen dem Staat eine Verletzung seiner Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vor.
Verfassungswidriges Unterlassen der staatlichen Schutzpflichten
Das bestehende Waffengesetz sei nach Ansicht der Beschwerdeführer nicht geeignet, Vorkommnisse wie in Winnenden künftig zu vermeiden oder auch nur zu erschweren. Mit den unzulänglichen Regelungen des Waffengesetzes habe es der Gesetzgeber daher verfassungswidrig unterlassen, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit vor Angriffen Dritter zu schützen.
BVerfG: Nur begrenzte Nachprüfbarkeit konkreter Maßnahmen
Mangels Aussicht auf Erfolg hat das Bundesverfassungsgericht keine der drei Beschwerden zur Entscheidung angenommen. Die Richter bestätigten, dass sich aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) neben dem subjektiven Abwehrrecht auch eine Schutzpflicht des Staates ergebe.
Die Allgemeinheit und einzelne Personen sind daher auch vor den Gefahren eines Missbrauchs von Schusswaffen zu schützen. Bei der konkreten Ausgestaltung der gebotenen Maßnahmen aber hat der Gesetzgeber einen weiter Einschätzungs- und Wertungsspielraum, der nur eingeschränkt nachprüfbar ist. Die Prüfungspflicht des BVerfG umfasst danach lediglich die Fragen, ob
- Schutzvorkehrungen überhaupt getroffen wurden und
- die konkreten Maßnahmen nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind.
Mit dem Erlass eines Waffengesetzes hat der Gesetzgeber zunächst eine Schutzmaßnahme getroffen.
Ausgestaltung einzelner Maßnahmen
Im Einzelnen sieht das Waffengesetz eine Erlaubnispflicht für den Erwerb, den Besitz und das Führen von Waffen vor, die an strenge Voraussetzungen geknüpft ist:
· Volljährigkeit des Antragstellers (§ 2 Abs. 1, § 4 WaffG),
· Zuverlässigkeit (§ 5) und persönliche Eignung (§ 6),
· Nachweis der erforderliche Sachkunde (§ 7) und eines Bedürfnisses (§ 8).
Der von den Beschwerdeführern besonders gerügte Erwerb und Besitz von Schusswaffen durch Sportschützen ist zusätzlich an ein erhöhtes Mindestalter von 21 Jahren geknüpft. Die sichere Aufbewahrung von Waffen oder Munition ist ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben (§ 36 WaffG) und Verstöße hiergegen - ebenso wie Verstöße gegen die Erlaubnispflicht und das Verbot der Überlassung von Waffen oder Munition an unberechtigte Personen - sind unter Strafe gestellt (§§ 52 ff. WaffG).
Vorschriften nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich
Die Verfassungsrichter haben nicht feststellen können, dass die einschlägigen Vorschriften des Waffengesetzes gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, um der Schutzpflicht gerecht zu werden. Ein grundrechtlicher Anspruch auf weitergehende oder auf konkrete Maßnahmen stehe einem Beschwerdeführer aber nicht zu.
(BVerfG, Beschluss v. 23.1.2013, 2 BvR 1645/10, 2 BvR 1676/10 und 2 BvR 1677/10)
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