Bedarfsgemeinschaft führt nicht zur höherem Pfändungsfreibetrag

Bildet der Schuldner mit einer Person, welcher er nicht zum Unterhalt verpflichtet ist, eine Bedarfsgemeinschaft und erhält diese Person deshalb keine Sozialleistungen, dann rechtfertigt dies nicht zwangsläufig eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages des Schuldners.  

Personen, die in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenwohnen, bilden sozialrechtlich betrachtet eine Bedarfsgemeinschaft mit der Folge, dass bei der Frage der Hilfsbedürftigkeit die Einkünfte beider Partner berücksichtigt werden.

Keine Sozialleistungen wegen Einkünften des Partners

Selbst wenn also einer der Partner keine oder nur geringe Einkünfte hat, werden ihm Sozialleistungen versagt, wenn die Einkünfte des anderen Partners ausreichend sind, um das Existenzminimum der Bedarfsgemeinschaft zu sichern. Dies gilt unabhängig davon, ob die Partner sich gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet sind.

Divergenz zwischen Sozialrecht und Vollstreckungsrecht?

Fraglich ist, wie sich diese Regelung bei der Bemessung der Pfändungsfreigrenzen auswirkt. Sofern keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht, wird der Partner bei den nach § 850 c ZPO zu bemessenden Pfändungsgrenzen nicht berücksichtigt. Auf Antrag kann das Vollstreckungsgericht den unpfändbaren Betrag des Schuldners aber gem. § 850 f ZPO erhöhen, wenn

  • der Schuldner nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen der notwendige Lebensunterhalt für sich und für die Personen, denen er Unterhalt zu gewähren hat, nicht gedeckt ist,
  • besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen bestehen oder
  • der besondere Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners, insbesondere die Zahl der Unterhaltsberechtigten, dies erfordern

und überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen.

Lebensgefährtin kann keine Sozialleistungen beanspruchen  

Auf diese Bestimmung hatte sich ein Schuldner berufen, dessen Lebensgefährtin keine Sozialleistungen beanspruchen konnte, weil sie mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebte.

Er vertrat die Auffassung, dass er seiner Lebensgefährtin tatsächlich Unterhalt zu gewähren habe und sein Pfändungsfreibetrag daher erhöht werden müsse.

Der BGH hat diesem Begehren eine Absage erteilt. Zwar hat der BGH im Ergebnis offen gelassen, ob die Vorschrift des § 850 f Abs. 1 a ZPO anwendbar ist, ob also bei der vorzunehmenden Vergleichsberechnung auch Personen zu berücksichtigen sind, mit denen der Schuldner eine Bedarfsgemeinschaft bildet. Denn der Schuldner hatte im konkreten Fall nicht einmal nachweisen können, dass sein notwendiger Lebensunterhalt für sich und seine Lebensgefährtin nicht mehr gedeckt ist.

Nicht-unterhaltsberechtigte Personen bei Pfändungsgrenzen außen vor

Die Tendenz des BGH geht aber eindeutig dahin, nicht-unterhaltsberechtigte Personen bei der Bemessung der Pfändungsfreigrenzen unberücksichtigt zu lassen. Denn der BGH führt aus,

  • dass es nicht Aufgabe der Gläubigergemeinschaft, sondern des Staates ist, das Existenzminimum der mit dem Schuldner zusammenlebenden Personen zu sichern, welchen er nicht unterhaltspflichtig ist.
  • Demzufolge hält der BGH es für den betroffenen Schuldner auch nicht für möglich, einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 765 a ZPO zu stellen.
  • Die Regelung ist – so der BGH - als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und findet nur dann Anwendung, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zu einem untragbaren Ergebnis führt.

Voraussetzung ist eine sittenwidrige Härte, die der BGH im entschiedenen Fall nicht für gegeben hielt, weil der notwendige Lebensunterhalt nicht gefährdet war.  Anders mag der Fall im Ergebnis nur beurteilt werden, wenn das Existenzminimum der Bedarfsgemeinschaft nicht mehr gewahrt ist. Ob dann eine Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen in Betracht kommt, ließ der BGH offen.

(BGH, Beschluss v. 19.10.2017, IX ZB 100/16).

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Schlagworte zum Thema:  Vollstreckung, Pfändung, Bedarfsgemeinschaft