Wiedereinsetzung bei versäumter Berufungsbegründungsfrist
Der BGH hat die Anforderungen an einen erfolgreichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erneut präzisiert. Danach reichen die in der Praxis häufig anzutreffenden stereotypen Hinweise auf die tägliche Fristenkontrolle und den versehentlich falschen Fristeneintrag einer ansonsten stets zuverlässig arbeitenden Kanzleimitarbeiterin für die Gewährung einer Wiedereinsetzung nicht aus.
Darlegung der Kanzleiorganisation zur Fristenkontrolle erforderlich
In seiner aktuellen Entscheidung hat das Gericht klargestellt, dass floskelhafter Vortrag zur täglichen Kontrolle sämtlicher Fristen nicht geeignet ist, das für eine Wiedereinsetzung erforderliche fehlende Verschulden an der Fristversäumnis hinreichend darzulegen. Der BGH verlangt vielmehr einen dezidierten Vortrag zur konkreten Organisation der Fristenkontrolle und der damit verbundenen Kanzleiabläufe.
Versehen einer Kanzleiangestellten führte zur Fristversäumnis
Im konkreten Fall hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung versäumt. Dieser hatte in dem Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dargelegt, dass in seiner Kanzlei an jedem Abend vor Büroschluss sämtliche Fristen kontrolliert würden. Die bisher stets zuverlässig arbeitende Kanzleiangestellte habe die Frist zur Begründung der Berufung versehentlich mit einem Erledigungsvermerk versehen. Deshalb sei der Bevollmächtigte der Klägerin davon ausgegangen, die Berufungsbegründung sei ordnungsgemäß bei Gericht eingereicht worden. Erst am nächsten Tag sei das Versehen bemerkt worden.
Einhaltung der Fristen muss organisatorisch gewährleistet sein
Diese Darlegungen und Erklärungen für die Fristversäumnis reichten dem BGH - wie auch bereits der Vorinstanz - für die Gewährung einer Wiedereinsetzung nicht aus. In einer Anwaltskanzlei müssten sämtliche zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen getroffen werden, um eine Fristversäumnis zu vermeiden. Nur dann könne ein Verschulden an einer eingetretenen Fristversäumnis ausgeschlossen werden. Dass diese Anforderungen vorliegend erfüllt wurden, ließ sich nach Auffassung des BGH aus den vorgetragenen Gründen für den Wiedereinsetzungsantrag nicht entnehmen.
Merkmale einer ordnungsgemäßen Fristenkontrolle
Der BGH präzisierte, dass in einem Wiedereinsetzungsantrag die kanzleiinterne Organisation der Fristenkontrolle dezidiert dargelegt und glaubhaft gemacht werden muss. Dazu gehöre die Darlegung
- der konkreten Anweisungen an das verantwortliche Personal, auf welche Weise und in welchen Schritten die Kontrolle der Fristen zu erfolgen hat.
- Die tägliche Kontrolle vor Büroschluss, ob die Fristsachen tatsächlich bearbeitet wurden.
- Eine gesonderte Ausgangskontrolle dahingehend, ob der jeweilige fristgebundene Schriftsatz abgesandt wurde.
- Eine Eingangskontrolle, ob der fristgebundenen Schriftsatz auch bei Gericht eingegangen ist, z.B. durch Prüfung der Eingangsbestätigung im BeA.
Vortrag zur Kanzleiorganisation nicht dezidiert genug
Die von dem Prozessbevollmächtigten abgegebenen und von der Kanzleiangestellten an Eides statt versicherten Erklärungen für die Fristversäumnis genügen nach Auffassung des BGH nicht für die Darlegung eines mangelnden Verschuldens. Die Darlegung einer allabendlichen Fristenkontrolle und der Hinweis auf die stets zuverlässig arbeitende Kanzleimitarbeiterin seien zu allgemein und zu floskelhaft. Sie ersetzen nach der Bewertung des Senats nicht den erforderlichen dezidierten Sachvortrag zu den organisatorischen Abläufen in der Kanzlei. Insbesondere vermisste der Senat eine differenzierte Darlegung des Ablaufs der Ausgangskontrolle und der Kontrolle des Eingangs des fristgebundenen Schriftsatzes bei Gericht.
Begründungsmängel lassen Rückschluss auf mangelhafte Organisation zu
Aus den sehr allgemein gehaltenen Ausführungen des Prozessbevollmächtigten zur Fristenkontrolle in seiner Kanzlei zog der BGH den Schluss, dass die Einhaltung der erforderlichen organisatorischen Maßnahmen zur Fristenkontrolle in der betreffenden Kanzlei nicht gegeben war.
Wiedereinsetzung versagt
Im Ergebnis hat der BGH die Rechtsbeschwerde des Rechtsanwalts gegen die Versagung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch die Vorinstanz als unzulässig verworfen.
(BGH, Beschluss v. 25.2.2025, VI ZB 36/24)
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