Richterverbände wollen Kopftuch-Regelung für Richterinnen

Das Kopftuch hat sich mittlerweile zum juristischen Dauerbrenner entwickelt. Die Gemengelage zwischen Religionsfreiheit und anderen Grundrechten und rechtstaalichen Grundsätzen ist komplex: Offenkundige Glaubensbekundungen im Gericht könnten die Unabhängigkeit der Justiz in Frage stellen, befürchten Richter und Justizminister. Nun soll ein Verbotsgesetz her, dass aber alle Arten religiöser Bekleidung erfassen muss und auch GG-Änderungen erfordern könnte.

Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Kopftuch-Entscheidungen. Nun meldet sich die Richterschaft mit der Forderung nach einer gesetzlichen Regelung zu Wort, die Kopftuchfragen im Gericht klärt.

Richterverbände wollen Kopftuch-Regelung

Offensichtliche Glaubensbekenntnisse, wie das Kopftuch an  Richterinnen, können aus Sicht des Bunds Deutscher Verwaltungsrichter dem Vertrauen in die Gerichte und die dort zu erwartenden Urteile schwächen. Dafür eine ausgleichende Lösung zu finden, sei Aufgabe des Gesetzgebers. Ähnlich äußerte sich der Deutsche Richterbund.

Rechtsprechungsgeschichte zum Kopftuch

Ein schon einmal ausgegebenes Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen wurde von Verwaltungsgericht gekippt

Hintergrund ist ein Fall aus Bayern. Das Augsburger Verwaltungsgericht hatte Ende Juni ein vom Landesjustizministerium erlassenes Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen für unzulässig erklärt, weil dieser Eingriff in die Religionsfreiheit nicht auf einem formellen Gesetz beruhte. Das Gericht gab damit einer muslimischen Jura-Studentin recht, die im sogenannten Vorbereitungsdienst bei der Justiz war.

Formelle Verbotsgesetze für Justizmitarbeiter werden vorbereitet

Baden-Württembergs Justizminister arbeitet als Folge des Urteils nun an einem solchen Verbotsgesetz. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Justizministerin Uta-Maria Kuder befand, offenkundige Glaubensbekundungen durch Justizbeamte seien unangebracht. Richterinnen oder Staatsanwältinnen würden den Staat repräsentieren.

«Weil im Gerichtssaal ein besonders striktes Gebot staatlicher Neutralität besteht, sollte jeder äußere Anschein mangelnder Objektivität vermieden werden».

Richterverbände offen für gesetzliche Regelung

Vom Bund Deutscher Verwaltungsrichter kommt die Ansage, wenn der existierende Bekleidungskodex in mündlichen Verhandlungen gesetzlich festgeschrieben werde, könne dies Zweifel an der Unparteilichkeit zerstreuen.

«Soweit eine solche Regelung mit einer Beschränkung der Religionsfreiheit von Richterinnen und Richtern verbunden ist, müsste sie mindestens in Gesetzesform erfolgen; möglicherweise wäre sogar eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich.»

Zurzeit sind Richter aufgrund von Anweisungen der Justizministerien verpflichtet, weiße Hemden oder Blusen, weiße Fliegen, Krawatten oder Halstücher sowie in der Regel schwarze Roben zu tragen. «Die stets gleiche Kleidung der Richterinnen und Richter signalisiert den Parteien eines Rechtsstreits, dass es auch in ihrem Fall nicht darauf ankommt, welche Person entscheidet, sondern nur auf das, was im Gesetz steht», sagte Seegmüller.

Gesetz muss sich auf alle vergleichbaren religiösen Kleidungsstücke beziehen

Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Jens Gnisa, erklärte, bei der Frage, ob Richterinnen und Staatsanwältinnen im Gerichtssaal ein Kopftuch tragen dürfen, gehe es um eine Abwägung zwischen der persönlichen Religionsfreiheit und der richterlichen Neutralitätspflicht. «Für die Bürger ist es wichtig, dass die Justiz erkennbar unvoreingenommen über ihren Fall entscheidet.» Letztlich könne deshalb nur der Gesetzgeber klären, ob und wie er die Bekleidung von Richtern und Staatsanwälten regeln wolle.

Solch eine Regelung müsse sich dann allerdings auf alle vergleichbaren religiösen Kleidungsstücke oder Symbole beziehen.

International: In Frankreich ist man in solchen Fragen eher resolut. Im Jahr 2011 wurde zwar nicht das Kopftuch , aber die „Verhüllung des Gesichts im öffentlichen Raum“ komplett untersagt. Ein Verstoß zieht ein Bußgeld von 150 Euro nach sich und führt zu einer Verpflichtung der Teilnahme an einem Staatsbürgerkundekurs.

EGMR gibt Verschleierungsverbot seinen Segen

Zur Überraschung vieler Beobachter hat der EGMR das Verschleierungsverbot abgesegnet. Der EGMR begründete die Entscheidung im wesentlichen damit, dass das Verbot sich nicht allein gegen eine Verschleierung aus religiösen Gründen richte, sondern gegen eine Verschleierung im öffentlichen Raum überhaupt.

Der Staat habe das Recht, Mindestanforderungen an das gesellschaftliche Zusammenleben zu stellen. Dazu gehört nach Auffassung des EGMR auch die Erkennbarkeit des Gesichts im öffentlichen Raum (EGMR, Urteil v. 1.7.2014, RS 43835/11). In einem zweiten Urteil billigte der EGMR das französische Kopftuchverbot nun für eine Muslima, die ihr Tuch als Angestellte in einem Krankenhaus nicht ablegen wollte.

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