Sachverständige müssen Gerichte über unvorhergesehene Kosten informieren

Nach einer Entscheidung des LSG Baden-Württemberg müssen Sachverständige eine absehbare wesentliche Erhöhung der für ein Sachverständigengutachten festgesetzten Kosten rechtzeitig dem Gericht mitteilen, wollen sie nicht eine Herabsetzung der Vergütung riskieren.
Kostenvorschuss für medizinischen Sachverständigen festgesetzt
Gegenstand des vor dem Sozialgericht (SG) geführten Verfahrens war das Begehren der Klägerin auf Gewährung einer ungekürzten Erwerbsminderungsrente. Gemäß § 109 SGG verfügte das SG auf Antrag der Klägerin die Erstattung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung durch einen medizinischen Sachverständigen. Den hierfür zu leistenden Kostenvorschuss setzte das Gericht auf 1.500 EUR fest. Der Auftrag an den Gutachter enthielt den ausdrücklichen Hinweis, der Sachverständige müsse rechtzeitig darauf hinweisen, wenn voraussichtlich Kosten in einer Höhe entstünden, die den angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen.
Vergütungsanspruch durch Kostenbeamten reduziert
Nach Erstellung des Gutachtens stellte der Sachverständige eine Vergütung in Höhe von etwas über 2.800 EUR in Rechnung. Der Kostenbeamte reduzierte den Vergütungsanspruch auf 1.800 EUR mit der Begründung, der geltend gemachte Vergütungsanspruch übersteige den festgesetzten Kostenvorschuss um nahezu 90 %. Der Sachverständige habe auf diese Erhöhung nicht rechtzeitig hingewiesen. Erheblich sei eine Erhöhung immer dann, wenn die Vergütung den festgesetzten Kostenvorschuss um mehr als 20 % übersteigt. Aus diesem Grund sei die Vergütung auf den festgesetzten Vorschuss in Höhe von 1.500 EUR +20 % Aufschlag, mithin auf 1.800 EUR zu kürzen.
Sachverständigenrechnung war überhöht
Das SG folgte der Festsetzung des Kostenbeamten. Den Ausführungen des Sachverständigen, dass sich die höheren Kosten erst im Zuge der Untersuchungen herausgestellt hätten und er nicht rechtzeitig darauf hätte hinweisen können, ohne den ungestörten Fortgang der Untersuchungen zu gefährden, überzeugte das SG nicht. Die in Rechnung gestellte Vergütung sei ohnehin überhöht. Bei ordnungsgemäßer Abrechnung hätte dem Sachverständigen für seine Tätigkeit eine Vergütung in Höhe von knapp 2.000 EUR zugestanden. Auch damit sei der Vorschuss allerdings erheblich überschritten, sodass die Reduzierung auf 1.800 EUR sachgerecht sei.
Kappung der Vergütung auf Höhe des Auslagenvorschusses
Die gegen den Beschluss des SG eingelegte Beschwerde führte zur Aufhebung und nochmaligen Reduzierung der Sachverständigenvergütung auf 1.500 EUR. Das LSG stellte auf die Vorschrift des § 8a Abs. 4 JVEG ab. Hiernach erhält der Sachverständige eine Vergütung begrenzt auf die Höhe des Auslagenvorschusses, wenn die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich übersteigt und der Sachverständige nicht rechtzeitig nach § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO auf diesen Umstand hingewiesen hat.
Überschreitung ist am objektiv bestehenden Vergütungsanspruch zu messen
Das LSG stellte in seiner Entscheidung klar, dass für die Höhe der Überschreitung des Kostenvorschusses nicht die vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Vergütung maßgeblich ist, sondern die ihm nach objektiven Maßstäben rechtlich zustehende Vergütung (LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 18.1.2016, L 5 AR 44/14; Bayerisches LSG, Beschluss v. 8.6.2015, L 15 SF 255/14). Diese belaufe sich unter Berücksichtigung der seitens des Sachverständigen angegebenen Zeitaufwands und der diversen Untersuchungen auf die vom SG errechneten knapp 2.000 EUR.
Erhebliche Überschreitung beginnt bei 20 %
Der nach den gesetzlichen Vorgaben errechnete Vergütungsaufwand des Sachverständigen überschreite den angeforderten Kostenvorschuss in Höhe von 1.500 EUR aber immer noch um rund 30 %. Erheblich sei eine Überschreitung bereits bei einer Überschreitung von über 20 % (LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 23. 8. 2024, L 10 KO 2217/24; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 5.9.2019, 10 W 103/19).
Fehlendes Verschulden muss der Sachverständige darlegen
Gemäß § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO sei der Sachverständige verpflichtet gewesen, die drohende erhebliche Überschreitung des festgesetzten Vorschusses dem Gericht rechtzeitig anzuzeigen. Nur durch die Darlegung konkreter Umstände, dass er ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Anzeige verhindert war, könne sich der Sachverständige von dem Vorwurf der unterlassenen Anzeige entlasten (OLG Stuttgart, Beschluss v. 1.9.2020, 8 WF 103/20). Dies sei hier nicht der Fall, denn das Gericht habe den Gutachter bereits im Zuge der Beauftragung über die Höhe des Vorschusses und über seine Pflicht zur Mitteilung einer drohenden Überschreitung informiert.
Sachverständiger erhält Vergütung lediglich in Höhe des Kostenvorschusses
Da auch sonst keine Umstände für ein mangelndes Verschulden des Sachverständigen ersichtlich waren, kürzte das LSG den Vergütungsanspruch des Sachverständigen gemäß § 8a Abs. 4 JVEG auf den Betrag des festgesetzten Vorschusses in Höhe von 1.500 EUR. Einen Aufschlag bis zur Erheblichkeitsgrenze gewährte das Gericht nicht.
(LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 7.11.2024, L 10 KO 2896/24).
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