Keine Störung der Geschäftsgrundlage bei erkennbarer Krisenlage
Das LG Koblenz hat sich in einer kürzlich bekannt gewordenen Entscheidung mit den Voraussetzungen einer Vertragsanpassung wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage infolge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs befasst. Im konkreten Fall hat das LG eine Vertragsanpassung abgelehnt.
Grundstückskaufvertrag mit Rücktrittsklausel
Gegenstand des zwischen den Parteien geführten Rechtsstreits war ein am 30.4.2020 geschlossener Vertrag über den Verkauf eines unbebauten Grundstücks zu einem Kaufpreis von knapp 230.000 EUR. Vertraglich hatte sich der beklagte Käufer gegenüber der klagenden Verkäuferin verpflichtet, auf dem Grundstück innerhalb von 3 Jahren ein Gebäude zur gewerblichen Nutzung bezugsfertig zu errichten. Der notarielle Vertrag enthielt eine Klausel, wonach der Verkäuferin ein Rücktrittsrecht für den Fall eingeräumt wurde, dass der Beklagte seine Bauverpflichtung nicht fristgerecht oder nur unvollständig erfüllt.
Gebäude nicht errichtet
Nach Zahlung des Kaufpreises durch den Beklagten wurde dieser im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Die in der Folge geführten Verhandlungen des Beklagten mit diversen Mietinteressenten für die zu errichtende Gewerbeeinheit führten nicht zum gewünschten Erfolg. Da keine Mietverträge zustande kamen, errichtete der Beklagte die gewerbliche Immobilie nicht innerhalb der vertraglich vorgesehenen Frist.
Rücktritt vom Kaufvertrag
Nach Ablauf der Frist trat die Klägerin vom Kaufvertrag zurück und forderte Rückgabe und Rückübereignung des Grundstücks Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises. Der Beklagte verweigerte die Rückgabe des Grundstücks. Er war der Auffassung, ihm stehe das Recht zu, eine Verlängerung der vertraglich vereinbarten Bebauungsfrist zu verlangen.
Störung der Geschäftsgrundlage durch Corona-Pandemie?
Der Käufer begründete seine Forderung nach einer Vertragsanpassung mit den einschneidenden Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie unmittelbar nach Vertragsabschluss. Damit hätten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen grundlegend geändert. Hinzugekommen sei eine deutliche Anspannung der wirtschaftlichen Lage durch den Krieg in der Ukraine ab Februar 2022. Bei Kenntnis dieser Entwicklungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hätten die Parteien vernünftigerweise eine mehr als 3-jährige Frist zur Bebauung des Grundstücks mit einer Gewerbeimmobilie vereinbart. Deshalb könne er gemäß § 313 Abs. 1 BGB wegen der eingetretenen Störung der Geschäftsgrundlage nachträglich eine Verlängerung der vertraglich vorgesehenen Bebauungsfrist verlangen.
Gesetzliche Regelung der Störung der Geschäftsgrundlage
Die seitens des Beklagten herangezogene Vorschrift des § 313 BGB lässt in besonderen Fällen die Anpassung der vereinbarten Konditionen eines Vertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage zu. Das Gesetz trägt damit dem Umstand Rechnung, dass die Parteien bei Abschluss eines Vertrages regelmäßig stillschweigend von bestimmten äußeren Bedingungen ausgehen, auf deren Grundlage es zum Vertragsabschluss kommt. Für den Fall, dass sich diese Bedingungen nach Vertragsabschluss in einer Weise ändern, dass zumindest für eine Partei das Festhalten an den getroffenen Vereinbarungen als nicht mehr zumutbar erscheint, lässt § 313 BGB unter bestimmten Voraussetzungen eine Vertragsanpassung an solche unvorhergesehenen Ereignisse wie Naturkatastrophen oder Wirtschaftskrisen zu.
Vertragsanpassung nur bei nicht vorhersehbaren Ereignissen
Das mit dem Fall befasste LG sah die Voraussetzungen für die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage im konkreten Fall nicht als gegeben an. Eine Störung der Geschäftsgrundlage setze voraus, dass die eingetretenen geopolitischen Veränderungen bei Vertragsabschluss noch nicht erkennbar oder absehbar waren. Komme es zu einem Vertragsabschluss in Kenntnis oder trotz Absehbarkeit der das gesamte soziale Leben betreffenden Veränderungen, bestehe ein Anspruch auf Vertragsanpassung nicht.
Corona-Pandemie bei Vertragsabschluss bereits bekannt
Das LG wies darauf hin, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages am 30.4.2020 sich Deutschland bereits seit nahezu 2 Monaten in der Corona-Pandemie befunden habe. Auf der Grundlage von Verlautbarungen der WHO sei der Ernst der Lage bekannt gewesen und von der Presse vielfach kolportiert worden. Zum Zeitpunkt der Vertragsschließung habe in Rheinland-Pfalz bereits eine 5. Corona-Bekämpfungsverordnung existiert, die Diskussionen über die wirtschaftlichen Folgen der Krise seien in den Medien allgegenwärtig gewesen.
3 Jahresfrist ohne Vorbehalt vereinbart
In Kenntnis dieser Situation hätten die Parteien ohne jeden Vorbehalt eine starre 3-Jahresfrist zur Bebauung des verkauften Grundstücks mit einer Gewerbeeinheit vereinbart. In Kenntnis der Gesamtsituation sei ein Rücktrittsrecht für die Nichteinhaltung dieser Frist vereinbart worden. Damit scheide die bei Vertragsabschluss bekannte Corona-Pandemie als Grund für eine Vertragsanpassung in Form einer Verlängerung der Bebauungsfrist aus.
Auch der Ukraine-Krieg rechtfertigt keine Vertragsanpassung
Das LG lehnte auch eine Anpassung des Vertrages infolge der mit dem Ukraine-Krieg verbundenen ökonomischen Folgen ab. Zwar habe der Ukraine-Krieg die bereits angespannte wirtschaftliche Lage zusätzlich verschärft. Trotz dieser angespannten Lage, besondere bei der Energieversorgung und der damit einhergehenden erhöhten Inflation, sei in Deutschland eine Stabilisierung der Volkswirtschaft gelungen. Eine schwerwiegende Veränderung der Umstände, die zur Grundlage des abgeschlossenen Grundstücksgeschäfts gehörten, sei nicht festzustellen.
Berechtigter Vertragsrücktritt
Im Ergebnis sah das Gericht keinen Grund, die vertraglich vereinbarte 3-Jahresfrist für die Errichtung einer Gewerbeeinheit wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage nachträglich zu verlängern. Damit war der vom Kläger erklärte Rücktritt auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen gerechtfertigt. Der Beklagte muss das übertragene Grundstück daher Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises zurückgeben. Das Urteil ist rechtskräftig.
(LG Koblenz, Urteil v. 11.12.2024, 14 O 278/24)
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