Reiserecht: Sehenswürdigkeiten gestrichen – Geld zurück

Der BGH stärkt Reiseteilnehmern den Rücken und zieht für das Recht der Reiseveranstalter, den Leistungsumfang einer Reise nachträglich zu ändern, enge Grenzen. In der Regel berechtigen nachträgliche wesentliche Änderungen den Reisenden zum Vertragsrücktritt.

Im vom BGH entschiedenen Fall hatten zwei Reisende bei einem Reiseveranstalter eine 14-tägige Rundreise durch China gebucht. Der Reiseverlauf sah u.a. eine dreitägige Aufenthaltsdauer in Peking mit diversen Besichtigungen vor. Glanzpunkte in Peking sollten der Besuch der Verbotenen Stadt sowie die Besichtigung des Platzes des himmlischen Friedens sein. Eine Woche vor Reisebeginn teilte der Veranstalter mit, wegen einer Militärparade in Peking könnten weder die Verbotene Stadt noch der Platz des himmlischen Friedens besichtigt werden. Stattdessen werde ein Besuch im Yonghe-Tempel angeboten.

Reiseveranstalter unterliegt in drei Instanzen

Die beiden Reiseteilnehmer erklärten hierauf den Rücktritt vom Reisevertrag. Sie forderten vom Reiseveranstalter Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 3.298 Euro. Als dieser eine Stornogebühr von 90 % des Reisepreises einbehielt, nahmen die Reiseteilnehmer den Veranstalter gerichtlich auf Zahlung in Anspruch. Sowohl das AG also das LG gaben der Klage statt. Die Revision des Reiseveranstalters blieb ohne Erfolg.

Reisebucher haben Anspruch auf die zugesicherten Reiseeigenschaften

Der BGH stellte in seinem Urteil die Rechtsgrundlagen für eine nachträgliche Änderung von Reiseleistungen klar:

  • Ausgangspunkt der Beurteilung ist hiernach § 651c Abs. 1 BGB. Die Vorschrift verpflichtet den Reiseveranstalter, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die ihren Wert mindern.
  • Ausnahmsweise kann der Reiseveranstalter das vertraglich vereinbarte Leistungsspektrum nachträglich ändern, wenn er sich eine solche Änderung im Reisevertrag vorbehalten hat.
  • Ein solcher Vorbehalt kann nach dem Diktum des BGH grundsätzlich auch im Rahmen von Allgemeinen Reisebedingungen enthalten sein.

Änderungsvorbehalt nur unter engen Voraussetzungen wirksam

Im konkreten Fall enthielten die Reisebedingungen des Reiseveranstalters eine Klausel, mit der dieser sich die nachträgliche Änderung des vereinbarten Leistungsspektrums vorbehielt. Diese Klausel war jedoch nach der Wertung des BGH unwirksam, weil sie viel zu weit gefasst war. Der BGH wies darauf hin, dass sich der Reiseveranstalter gemäß § 308 Nr. 4 BGB  nur solche Leistungsänderungen vorbehalten darf,

  • die unter Berücksichtigung der Interesse des Reiseveranstalters einerseits
  • und unter Bewertung der Interessen des Reisenden andererseits zumutbar sind.
  • Entscheidend für die Beurteilung der Zumutbarkeit sei dabei das Kriterium der Notwendigkeit der Änderungen infolge von Umständen, die erst nach Vertragsschluss eingetreten sind und
  • die für den Reiseveranstalter bei Vertragsabschluss noch nicht vorhersehbar waren.
  • Auch unter diesen Voraussetzungen seien aber nur solche Änderungen zumutbar, die den Charakter der Reise nicht grundsätzlich verändern.
  • AGB, in denen sich der Veranstalter Änderungen des Leistungsumfangs vorbehält, seien vor diesem Hintergrund nur wirksam, wenn die Schranken der Zumutbarkeit in der Klausel eindeutig zum Ausdruck gebracht würden.
  • Da diese Schranken in den konkret verwendeten AGB nicht einmal angedeutet seien, entspreche der Änderungsvorbehalt nicht den gesetzlichen Vorgaben und sei damit unwirksam.

Unwirksamkeit der Klausel eröffnet Rücktrittsrecht

Infolge des Fehlens einer wirksamen Vorbehaltsklausel tritt nach dem Diktum des BGH die Rechtsfolge des § 651a Abs. 5 Satz 2 BGB ein. Hiernach kann der Reisende vom Vertrag zurücktreten, wenn die Reiseleistung wesentlich geändert wird. Der Reiseveranstalter vertrat insoweit die Auffassung, dass die von ihm angekündigte Änderung nicht wesentlich gewesen sei. Gegenstand des Reisevertrages sei schließlich eine 14-tägige Rundreise durch China gewesen. Für den Besuch der verbotenen Stadt und die Besichtigung des Platzes des himmlischen Friedens sei ein Zeitfenster von insgesamt ca. 3 Stunden eingeplant gewesen. Die Änderung eines dreistündigen Teils der 14-tägigen Reise sei schon vom Zeitumfang her eindeutig als unwesentlich einzustufen.

Wegfall von Besichtigungen ist wesentliche Leistungsänderung

Dieser Argumentation des Veranstalters folgte der BGH nicht. Er betrachtete die Leistungsänderung als eindeutig erheblich. Aus Sicht des BGH ist jede Leistungsänderung wesentlich, 

  • die das Interesse des Reisenden mehr als nur geringfügig beeinträchtigt.
  • Der Besuch der verbotenen Stadt und des Platzes des himmlischen Friedens als zwei der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Pekings und Chinas seien aus Sicht der Kläger als 2 Glanzpunkte der Reise und damit als wesentliche Reiseleistung zu werten.
  • Durch den Wegfall dieser Besichtigungen sei die Reise insgesamt mehr als nur geringfügig beeinträchtigt.

Nachträgliche Leistungsänderungen für Reiseveranstalter in Zukunft schwierig

Der BGH bestätigte im Ergebnis die der Klage stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen. Aus Sicht der Reisenden bedeutet die Entscheidung eine begrüßenswerte Klarstellung der Kriterien für einen möglichen Reiserücktritt bei nachträglicher einseitiger Leistungsänderung durch den Reiseveranstalter. Für die Reiseveranstalter dürften nachträgliche Leistungsänderungen hierdurch in der Zukunft nicht leichter werden.


(BGH, Urteil v. 16.1.2018, X ZR 44/17)