BGH: Vertragsstrafe und Rücktritt schließen sich nicht aus

Der Käufer einer Immobilie kann gegen den Bauträger auch dann eine vereinbarte Vertragsstrafe geltend machen, wenn er zuvor vom Vertrag zurückgetreten ist.

In einer aktuellen Entscheidung hat der BGH sich mit dem Konkurrenzverhältnis von Rücktritt und Vertragsstrafe in einem Bauträgervertrag befasst. Ergebnis: Das eine schließt das andere nicht aus.

Bauträgervertrag mit Vertragsstrafenvereinbarung

Ein Bauträger hatte sich verpflichtet, auf einem verkauften Grundstück vor Übergabe ein Fabrikgelände in ein Wohnhaus mit 27 Wohnungen umzubauen. Kaufpreis: 7.3 Mio Euro. Der Umbau sollte bis Oktober 2022 fertiggestellt sein, andernfalls würde eine Vertragsstrafe von maximal 5 % des Kaufpreises fällig. Darüber hinaus vereinbarten die Vertragsparteien ein 4-monatiges Rücktrittsrecht für den Fall einer nicht termingerechten Fertigstellung („Longstop-Date“).

Käuferin erklärte Rücktritt und forderte zusätzlich Vertragsstrafe

Die vereinbarte Fertigstellung erfolgte nicht termingerecht. Darauf forderte die Käuferin die Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe und erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag. Als der Bauträger nicht zahlte, zog die Käuferin vor Gericht. Nach unterschiedlichen Instanzentscheidungen wies der BGH die Revision des Bauträgers gegen die zweitinstanzlich erfolgte Verurteilung zur Zahlung der Vertragsstrafe zurück.

Vertragsstrafe durch Rücktritt nicht erloschen

Nach Auffassung des BGH war die vereinbarte Vertragsstrafe in voller Höhe verwirkt. Der Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe sei durch den Rücktritt nicht erloschen. Die gesetzlichen Vorschriften über den Rücktritt gemäß § 346 ff BGB enthielten keine ausdrücklichen Regelungen zu den Rechtsfolgen eines Rücktritts in Bezug auf eine bereits verwirkte Vertragsstrafe. Durch den Rücktritt werde das Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Hierdurch würden die primären Leistungspflichten erlöschen, nicht aber der Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe.

Vertragsstrafe hat Ausgleichs- und Druckfunktion

Auch der Zweck eines Vertragsstrafenversprechens spreche dafür, diese Verpflichtung durch einen Rücktritt nicht entfallen zu lassen. Der Zweck der Vertragsstrafe bestehe in der Sanktionierung einer nicht fristgerechten Fertigstellung. Hierdurch solle dem Gläubiger ein pauschalierter Anspruch auf Ersatz des durch den Verzug entstehenden Schadens eingeräumt werden (Ausgleichsfunktion der Vertragsstrafe), ohne dass er den Schaden im einzelnen darlegen und beweisen muss (BGH, Urteil v. 5.11.2015, VII ZR 43/15). Daneben komme der Vertragsstrafenvereinbarung eine Druckfunktion zu, die den Schuldner zur Einhaltung der vereinbarten Fertigstellungstermine anhalten soll.

Entfall der Vertragsstrafe nach Rücktritt wäre kontraproduktiv

Diese mit einer Vertragsstrafenvereinbarung bezweckten Ziele würden nach Auffassung des BGH nicht erreicht, wenn ein bereits entstandener Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe durch einen Rücktritt wieder entfallen würde. Der auf den Schuldner durch die Vertragsstrafe ausgeübte Druck könne dann im schlimmsten Fall in die Absicht umschlagen, den Gläubiger zum Rücktritt vom Vertrag zu provozieren, um einer Vertragsstrafe zu entgehen.

Vertragsstrafenforderung nach Rücktritt ist nicht treuwidrig

Dem Gläubiger ist nach der Entscheidung des BGH nach erfolgtem Rücktritt die Berufung auf die verwirkte Vertragsstrafe auch nicht wegen unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB verwehrt. Ein Vertragsstrafengläubiger handle nicht treuwidrig, wenn er ein wegen Verzugs des Schuldners erworbenes Rücktrittsrecht ausübt und gleichzeitig den ihm zustehenden pauschalierten Schadenersatz wegen Verzugs in Form der Vertragsstrafe geltend macht.

Bauträger muss Vertragsstrafe zahlen

Der BGH kam damit zu dem Ergebnis, dass die Geltendmachung der Vertragsstrafe durch den Kläger gerechtfertigt war und wies die Revision gegen das der Zahlungsklage des Bauträgers stattgebende Urteil der Vorinstanz zurück.


(BGH, Urteil v. 22.5.2025, VII ZR 129/24)