BGH zur Verjährung der Rückforderung von Kontoführungsentgelten

Im April 2021 hatte der BGH entschieden, dass die Zustimmungsfiktionsklauseln in den Sparkassen-AGB zur Erhöhung von Kontoführungsgebühren unwirksam sind (BGH, Urteil v. 27.4.2021, XI ZR 26/20). Dies eröffnete für Bankkunden die Möglichkeit, zu Unrecht gezahlte Kontoführungsentgelte zurückzufordern.
Der Zeitpunkt des Verjährungsbeginns war streitig
Nicht entschieden war bisher die Frage, für welchen zurückliegenden Zeitraum eine Rückforderung zu Unrecht erhobener Kontoführungsentgelte möglich ist. Umstritten war, ob die regelmäßige 3-jährige Verjährung für diese Forderungen bereits zum Zeitpunkt der unberechtigten Abbuchung, zum Zeitpunkt der Genehmigung der Saldoabschlüsse durch die Bankkunden oder erst zu dem Zeitpunkt begann, in dem das Urteil des BGH zur Zustimmungsfiktion und damit zur Rechtswidrigkeit der Abbuchungen der Kontoführungsentgelte bekannt wurde.
Musterfeststellungsklage eines Verbraucherschutzverbandes
Der BGH hat die Frage nun in einem Musterverfahren weitgehend zugunsten der Sparkassen entschieden. Die Entscheidung beruht auf einer Musterfeststellungsklage eines Verbraucherschutzverbandes gegen die Berliner Sparkasse als Musterbeklagte. Die Musterbeklagte hatte in ihren AGB die vom BGH für unwirksam erklärte Zustimmungsfiktionslausel verwendet und auf dieser Grundlage ihren Kunden seit Jahren entsprechende Kontoführungsgebühren in Rechnung gestellt und von deren Konto abgebucht.
Klage mit verschiedenen Feststellungszielen
Mit seiner Musterklage verfolgte der Verbraucherschutzverband diverse Feststellungsziele, über die das erstinstanzlich zuständige KG-Berlin unterschiedlich urteilte. Der BGH bewertete die Feststellungsanträge teilweise als unzulässig, teilweise als zulässig aber unbegründet und teilweise als begründet.
Unzulässigkeit der Zustimmungsfiktion in AGB bereits geklärt
Der Kläger hatte unter anderem beantragt, festzustellen, dass die in den AGB der Musterbeklagten enthaltene Fiktion, dass das Schweigen der Sparkassenkunden zu einer in Textform mitgeteilten Erhöhung der Kontoführungsgebühr als Zustimmung gilt, unzulässig ist. Diesen Antrag erklärte der BGH für unzulässig. Diese Rechtsfrage sei durch Senatsurteil vom 27.4.2021 eindeutig zugunsten der Sparkassenkunden geklärt und bedürfe keiner erneuten Entscheidung.
Bereicherungsrechtliche Rückforderung unberechtigter Kontoführungsgebühren
Für zulässig und begründet erachtete der BGH den Antrag auf Feststellung, dass die Musterbeklagte die aufgrund der Zustimmungsfiktion abgebuchten erhöhten Kontoführungsentgelte ohne Rechtsgrund erhalten hat. Wegen der Unwirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Erhebung solcher Entgelte. Die Musterbeklagte sei um diese Beträge zu Unrecht bereichert, sodass Verbraucher die rechtsgrundlos gezahlten Kontoführungsentgelte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zurückverlangen könnten.
Rückforderung auch nach 3 Jahren widerspruchsloser Zahlung möglich
Dem Rückzahlungsanspruch des Bankkunden steht nach der Entscheidung des BGH nicht entgegen, dass die meisten Verbraucher die Entgelte länger als 3 Jahre widerspruchslos gezahlt haben. Die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung von Energielieferverträgen vom BGH entwickelte 3-Jahreslösung, wonach eine Rückforderung ungerechtfertigter periodischer Leistungen nach 3 Jahren widerspruchsloser Zahlung nicht mehr möglich ist, sei auf die spezifischen Anforderungen von Energielieferverträgen zugeschnitten und finde auf Kontoführungsentgelte keine Anwendung (BGH, Urteil v. 19.11.2024, XI ZR 139/23).
Rückforderungsansprüche unterliegen der 3-jährigen Regelverjährung
Die Musterklage scheiterte hinsichtlich des Feststellungsbegehrens, dass eine Verjährung der Ansprüche von Verbrauchern auf Erstattung von Entgelten erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, ab dem der Verbraucher Kenntnis von dem BGH-Urteil aus dem Jahr 2021 zur Unwirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklauseln erlangt hat. Insoweit stellte der BGH zunächst klar, dass Ansprüche der Verbraucher auf Erstattung von rechtsgrundlos vereinnahmten Entgelten der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren gemäß § 195 BGB unterliegen.
Lauf der Verjährung beginnt mit Anspruchsentstehung
Die entscheidende Frage des Beginns der Verjährungsfrist orientiert sich laut BGH gemäß § 199 Abs. 1 BGB an dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Entstanden seien die Rückerstattungsansprüche der Kunden zum Zeitpunkt der Genehmigung der monatlichen Saldoabschlüsse der Girokonten. Nach den AGB der Sparkassen werde den Kunden hinsichtlich der jeweils zum Monatsende erstellten Saldoabschlüsse eine Frist von 6 Wochen eingeräumt, um Einwendungen vorzubringen. Mit Ablauf der 6-wöchigen Frist gelte der Saldoabschluss als genehmigt. Dies sei der Zeitpunkt, in dem der Rückzahlungsanspruch entstanden sei und damit der Anknüpfungspunkt für den am Schluss des jeweiligen Jahres beginnenden Lauf der 3-jährigen Verjährung.
Verjährungsbeginn auch schon vor dem BGH Urteil aus dem Jahr 2021
Die Rechtsauffassung des Klägers, die Verjährung habe erst mit Kenntnis der Rechtsprechung des BGH zur Unwirksamkeit der Fiktionsklausel, also mit Ablauf des Jahres 2021, zu laufen begonnen, überzeugte den Senat nicht. Nach Einschätzung des BGH bestand vor dieser Entscheidung keine unsichere oder zweifelhafte Rechtslage. Die Unwirksamkeit von Zustimmungsfiktionsklauseln beruhe auf einer Abweichung von dem vertragsrechtlichen Grundsatz, wonach das Schweigen des Verbrauchers zu einem ihm unterbreiteten Veränderungsantrag nicht als Annahme zu werten ist. Dieser Grundsatz gelte nicht erst seit dem Jahr 2021 sondern habe gemäß §§ 145 ff BGB schon früher Geltung gehabt.
Verjährungsbeginn zugunsten der Sparkassen entschieden
Entgegen der Auffassung der Musterklägerin war es nach Ansicht des BGH für die Sparkassenkunden im Hinblick auf diesen allgemeinen Rechtsgrundsatz auch schon vor dem Urteil zu den Zustimmungsfiktionsklauseln zumutbar, zu Unrecht erhobene Kontoführungsgebühren zurückzufordern und gegebenenfalls ihre Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Das BGH-Urteil aus dem Jahr 2021 habe keine neue Rechtslage geschaffen und sei daher kein Grund, die Verjährung dieser Ansprüche erst mit Ende des Jahres 2021 beginnen zu lassen.
(BGH, Urteil v. 3.6.2025, XI ZR 45/24)
Hintergrund:
Das Urteil des BGH aus dem Jahr 2021, mit dem die Zustimmungsfiktion in den AGB der Sparkassen zur Erhöhung von Kontoführungsgebühren für unrechtmäßig erklärt wurde, hat medial für hohe Aufmerksamkeit gesorgt. Trotz dieser verbraucherfreundlichen Entscheidung des BGH haben nur wenige Kunden zu Unrecht gezahlte Kontoführungsgebühren von Sparkassen und Banken zurückverlangt. Im Ergebnis können die Geldinstitute damit wohl einen Großteil der über viele Jahre zu Unrecht erhobenen Kontoführungsentgelte behalten.
-
Einbau von Klimaanlage bei Eigentumswohnung: Anspruch auf Zustimmung?
1.164
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.0912
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
927
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
906
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
727
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
615
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
615
-
Voraussetzungen und Fristen für die Wiedereinsetzung
563
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
560
-
Verdacht der Befangenheit auf Grund des Verhaltens des Richters
553
-
Anscheinsvollmacht durch Weitergabe des E-Mail-Passworts
26.06.2025
-
Vertragsstrafe und Rücktritt schließen sich nicht aus
18.06.2025
-
Angaben unzureichend: Bank muss Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen
17.06.2025
-
Honorar für Studienplatzvermittlung erst mit Studienplatzvertrag
16.06.2025
-
BGH zur Verjährung der Rückforderung von Kontoführungsentgelten
12.06.2025
-
Abgerissener Tankdeckel: Warum der Waschstraßenbetreiber nicht haftet
11.06.2025
-
Kein gutgläubiger Kfz-Erwerb trotz Fahrzeugbrief
02.06.2025
-
Unwirksame Preiserhöhung von Netflix
26.05.2025
-
Ansprüche des Erben eines jüdischen Kaufmanns aus NS-Zeit sind verjährt
08.05.2025
-
Fehlende Widerrufsbelehrung kostet Gartenbauer den gesamten Lohn
07.05.2025