Aufklärungsrüge ist anhand des Patientengesprächs zu beurteilen

Ärzte sind verpflichtet, ihre Patienten vor jedem ärztlichen Eingriff über mögliche Risiken aufzuklären. Bei der gerichtlichen Überprüfung, ob eine solche Aufklärung ordnungsgemäß war, ist zwar immer auch ein vom Patienten unterzeichnender Aufklärungsbogen zu berücksichtigen, letztlich ist jedoch der Inhalt des persönlichen Aufklärungsgesprächs zwischen Arzt und Patient entscheidend.

So urteilte das OLG Hamm in seiner kürzlich veröffentlichten Entscheidung und verneinte Haftungsansprüche einer Patientin wegen eines behaupteten Aufklärungsmangels. Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme über das Patientengespräch kamen die Richter zu dem Schluss, dass die Klägerin ordnungsgemäß über die Risiken unterrichtet wurde.

Schmerzen im Knie

Bereits 2009 wurde der damals 61 Jahre alten Klägerin wegen Gelenksproblemen und Schmerzen eine Knieprothese (sog. mediale Schlittenprothese) implantiert. Da die Beschwerden anhielten und vermutet wurde, dass sich die Prothese gelockert hatte, unterzog sie sich im Jahr 2010 einer erneuten Operation, bei der die Schlittenprothese durch eine andere, sog. modulare Sonderprothese ersetzen wurde. Zuvor unterzeichnete sie einen Aufklärungsbogen und nahm an einem Patientengespräch teil.

Patientin unterstellt Behandlungsfehler und rügt fehlende Risikoaufklärung

Nach der OP verschlechterte sich der Zustand der Frau. Daraufhin verklagte sie die Klinik und die behandelnden Ärzte auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.

  • Nach eigenen Angaben sei sie nunmehr dauerhaft auf Krücken oder einen Rollstuhl angewiesen.
  • Sie behauptete, aufgrund eines Behandlungsfehlers während der Operation sei ein Oberschenkelnerv verletzt worden.
  • Zusätzlich rügte sie, im Rahmen des Aufklärungsgespräches nicht über das Risiko einer Nervenschädigung aufgeklärt worden zu sein.
  • Eine wirksame Einwilligungserklärung für die Operation läge daher nicht vor.

Inhalt des Aufklärungsgesprächs muss festgestellt werden

Nachdem zuvor schon das LG Hagen die Klage der Patientin als unbegründet abgewiesen hatte, bestätigte nun auch das OLG Hamm im Ergebnis das erstinstanzliche Urteil: Der Klägerin stünden weder Haftungsansprüche aufgrund eines Behandlungsfehlers nach §§ 823, 831 BGB noch aufgrund einer mangelhaften Aufklärung nach §§ 280, 611 BGB zu.

Trotz des von der Klägerin unterzeichneten Aufklärungsbogens müsse nach Auffassung der Richter insbesondere der Inhalt des persönlichen Aufklärungsgespräches ermittelt werden, da dieses die Grundlage für die Beurteilung eines Aufklärungsmangels bilde.

Aufklärungsmangel nicht nachgewiesen

Das Gericht führte eine umfassende Beweisaufnahme durch, bei der die Klägerin und die beklagten Ärzte angehört wurden sowie der Ehemann der Klägerin als Zeuge vernommen wurde. Zur Frage eines möglichen Behandlungsfehlers wurde ergänzend ein medizinischer Sachverständiger angehört. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin auch im Rahmen des persönlichen Gesprächs hinreichend über das Risiko einer Nervenschädigung aufgeklärt worden sei.

Behandlungsfehler als Verwirklichung des Aufklärungsfehlers nicht feststellbar

Selbst wenn man unterstelle, dass doch ein Aufklärungsmangel vorgelegen habe und die Patientin daher nicht wirksam in die Operation habe einwilligen können, war die Haftung im vorliegenden Fall ausgeschlossen. Denn der Klägerin oblag die Beweislast dafür, dass der Gesundheitsschaden gerade auf der Behandlung beruht, die mangels ordnungsgemäßer Aufklärung rechtswidrig war. Da sich die Ursache der Verletzung des Oberschenkelnervs jedoch nicht mehr eindeutig feststellen ließ, war auch der Nachweis, dass sich der – vermeintliche – Aufklärungsmangel verwirklicht habe, nicht erbracht.

(OLG Hamm, Urteil v. 9.11.2015,  3 U 68/15).


Vgl. zu dem Thema auch:

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Schlagworte zum Thema:  Beweislast, Arzthaftung