Anwaltshaftung für steuerschädliche Scheidungsfolgenvereinbarung

Ein Rechtsanwalt, der zu einer Scheidungsfolgenvereinbarung berät, muss auf die Notwendigkeit hinweisen, einen Steuerberater hinzuzuziehen, wenn sich wegen der Übertragung von Grundeigentum eine steuerliche Belastung aufdrängt und er im Hinblick auf die steuerrechtlichen Unwägbarkeiten zur Beratung nicht bereit oder imstande ist.

Der BGH urteilte zu einem versäumten Hinweis auf die Notwendigkeit, einen Steuerberater in eine Scheidungsfall mit einzubeziehen. Dies Versäumnis kann eine Schadenersatzpflicht des Rechtsanwalts begründen.

Beratung zu einer notariell beurkundete Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung

Die Klägerin traf im November 2011 mit ihrem Ehemann eine notariell beurkundete Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung, bei welcher sie vom beklagten Rechtsanwalt beraten wurde. In dieser Vereinbarung verpflichtete sich die Klägerin, welche Eigentümerin eines weiteren Mietshauses ist, an ihren Ehemann zur Abgeltung des Zugewinnausgleichs ein Mietshaus zu übereignen und 40.000 EUR zu zahlen.

Nach Umsetzung der Vereinbarung setzte das Finanzamt wegen des von ihr durch die Übertragung des Mietshauses erzielten Veräußerungsgewinns eine Steuer von rund 40.000 EUR fest. Die Klägerin holte sodann gegen eine Vergütung von rund 2.500 EUR ein Wertermittlungsgutachten ein, woraufhin ein geringerer Verkehrswert des Grundstücks festgestellt und die Steuer im Einspruchsverfahren auf rund 19.000 EUR ermäßigt wurde.

Steuerlast durch Grundstücksübertragung im Zugewinnausgleich wäre vermeidbar gewesen

Da die Steuer gem. §§ 22 Nr. 3, 23 EStG vermeidbar gewesen wäre, wenn die Klägerin das andere Mietshaus, bei welchem die Spekulationsfrist bereits abgelaufen gewesen war, ihrem Ehemann übereignet hätte, verlangte sie von ihrem Rechtsanwalt die Erstattung des gezahlten Steuerbetrages sowie die Kosten für das Sachverständigengutachten.

OLG gab der Klage auf Anwaltsregress in Höhe von rund 14.000 EUR  statt

Nachdem das Landgericht Schwerin die Klage abgewiesen hatte, gab das OLG Rostock der Klage in Höhe von 13.663 EUR statt. Die daraufhin eingelegte Revision führte zur Aufhebung der zweitinstanzlichen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das OLG Rostock. Nach Ansicht des BGH sei die Auffassung des Berufungsgerichts dahingehend zutreffend, dass dem beklagten Rechtsanwalt das Versäumnis anzulasten sei, im Rahmen der zivilrechtlich beschränkten Beratung nicht auch auf mögliche steuerliche Unwägbarkeiten hingewiesen habe. Grundsätzlich richten sich der Umfang und Inhalt der vertraglichen Pflichten eines Rechtsanwalts nach dem jeweiligen Mandat und den Umständen des einzelnen Falls, so der BGH.

In welchem Umfang muss der Rechtsanwalt laut BGH beraten

Der Rechtsanwalt sei in den Grenzen des ihm erteilten Auftrags zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Mandanten verpflichtet. Unkundige müsse er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. Er habe dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziele führen, und den Eintritt von voraussehbaren und vermeidbaren Nachteilen oder Schäden zu verhindern. Hierbei habe er den Mandanten auch über mögliche Risiken aufzuklären.

BGH: Rechtsanwalt musste auf die Notwendigkeit eines Steuerberaters hinweisen

Vorliegend beschränkte sich das Mandat bei dem Beklagten als Allgemeinanwalt zwar auf die zivilrechtliche Beratung der Scheidungsfolgenvereinbarung. Ihm sei jedoch als Pflichtverletzung vorzuwerfen, dass er nicht auf die Notwendigkeit der Beteiligung eines Steuerberaters hingewiesen habe.

Auch bei einem gegenständlich beschränkten Mandat könne der Rechtsanwalt zu Hinweisen und Warnungen außerhalb des Vertragsgegenstandes verpflichtet sein. Hierfür sei Voraussetzung, dass die drohenden Gefahren für den Mandanten dem Rechtanwalt bekannt oder für ihn offenkundig waren bzw. sich diese bei ordnungsgemäßer Mandatsbearbeitung hätten aufdrängen müssen.

Anwalt muss Hinweise darauf habe, dass der Mandant eine Gefahr nicht sieht

Darüber hinaus müsse der Anwalt Grund zur Annahme haben, dass sich der Mandant der Gefahren nicht bewusst ist. Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Auch im Hinblick auf die Schadensbemessung sei die Entscheidung des OLG nicht zu beanstanden. Der Steuerschaden wurde von der Berufungsinstanz im Rahmen des § 287 ZPO auf rund 11.000 EUR angesetzt. Ein höherer Schaden konnte nicht nachgewiesen werden, da der steuerliche Nachforderungsbetrag auch andere Einkünfte umfasst habe. Erstattungsfähig seien auch die geltend gemachten Gutachterkosten, so die Karlsruher Richter.

Klägerin muss Bereitschaft des Ehemanns zur Annahme des anderen Mietshauses darlegen und beweisen

Gerügt wurde jedoch vom BGH, dass das OLG den Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem erwiesenen Schaden als erwiesen erachtet hatte. Die Grundsätze für die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens finden in diesem Fall nach der Begründung des BGH jedoch keine Anwendung. Zwar hätte für die Klägerin im Hinblick auf eine Steuervermeidung die Alternative der Übertragung des anderen Mietshauses nahegelegen. Der Ehemann hätte bei dieser Alternative jedoch auch bereit gewesen sein müssen, diese andere Immobilie zu übernehmen. Das OLG habe daher eine etwaige Bereitschaft des Ehemanns noch zu klären.

(BGH, Urteil v. 09.01.2020, IX ZR 61/19).

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Hinweis: Beratung und Belehrung des Mandanten

Bestimmend für den Inhalt und den Umfang der Pflichten des Anwaltes ist grundsätzlich das zwischen den Parteien des Anwaltsvertrages Vereinbarte. Differenzierter Betrachtung unterliegen dabei das uneingeschränkte, umfassende Mandat und das eingeschränkte Mandat. Letzteres verpflichtet den Anwalt, sich mit der ihm übertragenen Rechtssache nur in einem konkret umrissenen, engen Rahmen anzunehmen. Dies kann sich beziehen auf einen Teilbereich des Streitgegenstandes, auf die Reichweite oder die Richtung. Hervorzuheben ist, dass das eingeschränkte Mandat den Ausnahmefall darstellt. Besteht also zwischen Anwalt und Mandant Streit über den Umfang des betreffenden Mandats, ist grundsätzlich von einem umfassenden Auftrag auszugehen, es sei denn, der Anwalt legt die Vereinbarung des eingeschränkten Umfangs dar und kann diesen beweisen (OLG Celle, Urteil v. 24.03.2010,  3 U 222/09).

Hinweis: Die schriftliche Fixierung des Mandatsumfangs schafft Klarheit, Transparenz und Sicherheit bezüglich der beiderseits bestehenden Rechte und Pflichten. Ob die zu erbringende anwaltliche Dienstleistung – idealtypisch – förmlich in einem schriftlichen Vertrag niedergelegt wird, oder über die schriftliche Bestätigung als Schreiben an den Mandanten, ist grundsätzlich irrelevant.

"Klassische" Anspruchsgrundlage für die Haftung des Rechtsanwalts gegenüber seinen Mandanten/Auftraggebern ist § 280 BGB, der an die Stelle der von der Rechtsprechung entwickelten sog. positiven Vertragsverletzung getreten ist. Grundvoraussetzung für die Haftung aus § 280 BGB ist ein (Anwalts-)Vertrag,der wiederum den Inhalt sowie Umfang der beiderseitigen Rechte und Pflichten im Mandat (BGH, Urteil v. 9.12.1981, IVa ZR 42/81) definiert.

Für den Anwalt ergeben sich danach die von der Rechtsprechung entwickelten vier sog. Kernpflichten:

  • Aufklärung des Sachverhalts (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 14.12.2010,  I-24 U 126/10), 
  •  Rechtsprüfung (BGH, Urteil v. 22.09.2005,  IX ZR 23/04), 
  •  Rechtsberatung (BGH, Urteil v. 01.03.2007, IX ZR 261/03), 
  •  Schadensverhütung (OLG Naumburg, Urteil v. 14.12.2004, 1 U 47/04). 

Dabei handelt es sich um nichts weiter als die selbstverständlichen, zentralen Mindestanforderungen für qualifizierte anwaltliche Tätigkeit (Gekürzter Auszug aus:  Deutsches Anwalt Office Premium).

Schlagworte zum Thema:  Scheidung, Anwaltshaftung