AI-Report 2025 zu generativer Künstlicher Intelligenz in der Rechtsbranche

AI Report betrachtet die Einsatzmöglichkeiten generativer KI
Der AI Report 2025 des Legal Tech Verbands beschäftigt sich mit den Einsatzmöglichkeiten und den Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz in der Rechtspraxis. Er legt den Fokus dabei insbesondere auf Anwendungen aus dem Bereich der generativen Künstlichen Intelligenz (auch GenAI). Während künstliche Intelligenz in der Lage ist, Informationen zu erkennen und zu bearbeiten, beispielsweise zu klassifizieren, kann generative KI auch selbst Inhalte (wie Texte, Bilder, Videos, Code etc.) erzeugen. Künstliche Intelligenz findet schon seit einigen Jahren in vielen Bereichen auch in Legal Tech Tools Anwendung, der Einsatz von GenAI ist dagegen noch recht neu.
Experteninterviews liefern fundiertes Praxiswissen
Für den Report wurden zehn Experteninterviews geführt und ausgewertet. Es konnten dadurch nicht nur wesentliche Trends identifiziert, sondern auch tiefere Einsichten in die Herausforderungen und Potenziale gewonnen werden, die KI-Systeme in der Rechtsbranche darstellen und bieten.
Die Expertenauswahl fiel dabei auf Personen, die in unterschiedlichen Rollen und Positionen arbeiten und gleichzeitig eine starke Affinität zu Technologie und dadurch ein fundiertes Wissen zum Einsatz von KI-Systemen haben. Sie vertreten sowohl die akademische als auch die praktische Seite des Rechtsmarktes und sind bei unterschiedlichen Arbeitgebern tätig, darunter Kanzleien, Rechtsabteilungen, Justiz und Universitäten. Zu den Experten gehören etwa Björn Beck, er ist Leiter des Innovationslabors der Landesregierung Baden-Württemberg und ehemaliger Richter, Nina Stoeckel, sie ist Chief Compliance Officer und Mitglied des Aufsichtsrats bei Boehringer Ingelheim, und Franziska Hahn, sie ist Knowledge Lawyer im Bereich Legal Tech in der Großkanzlei Taylor FH Wessing.
Status Quo und aktuelle Herausforderungen
Der AI Report startet mit einem Blick auf den Status Quo und zeigt, wie KI die Rechtsbranche aktuell schon prägt und verändert. Immer mehr Kanzleien, Unternehmen und Justizeinrichtungen setzen KI-Systeme für Vertragsprüfung, Dokumentenanalyse und Prozessmanagement ein, um ihre Arbeitsprozesse zu optimieren. Die Erfahrungen, die diese damit machen, sind sehr unterschiedlich: Während Kanzleien und Unternehmen überwiegend positive Rückmeldungen geben, gibt es bei Justiz und Strafgerichten deutlich mehr Skepsis, vor allem aufgrund von IT-Problemen. Die Experten sind sich jedoch einig, dass KI juristische Fachkräfte durch Automatisierung repetitiver Aufgaben stark entlasten kann. Sie betonen aber auch die Bedeutung menschlicher Expertise bei der finalen Ergebnisbewertung.
Aktuell wird die Integration von KI in bestehende IT-Infrastrukturen durch technische, rechtliche und datenschutzrechtliche Hürden erschwert. Das größte Problem besteht aber in der unzureichenden Qualität und Leistungsfähigkeit aktueller KI-Systeme. Alle gängigen Standardmodelle sind aktuell noch nicht in der Lage, mit der Komplexität und Präzision der juristischen Sprache umzugehen, was zu mittelmäßigen Ergebnissen führt. Insbesondere bei der juristischen Recherche und Fallanalyse entstehen fehlerhafte oder ungenaue Antworten in Form von sogenannten „Halluzinationen“. Damit ist die fehlerhafte Generierung von Informationen durch KISysteme gemeint, die keine Grundlage in den tatsächlichen Daten oder Fakten haben.
Veränderungen der Rechtsbranche durch KI
Darauf aufbauend beschäftigt sich der Report damit, wie sich Rollen und Tätigkeitsfelder zukünftig wandeln werden, und identifiziert potenzielle Schwachstellen in der Ausbildung von Juristen, die sich mit dem steigenden Einfluss von generativer KI ergeben. Die Integration von KI wird die Aufgaben von Anwälten transformieren: Sie werden verstärkt als strategische Berater agieren und weniger in der traditionellen, schriftsatzorientierten Arbeit tätig sein. KI führt zu neuen Berufsbildern wie Legal Engineers, AI Officers und Innovation Managers. Die juristische Ausbildung muss dementsprechend an die digitalen und technologischen Herausforderungen angepasst werden. Es muss einen stärkeren Fokus auf Methodenkompetenz sowie digitale und interdisziplinäre Fähigkeiten geben.
Trotz der zunehmenden Nutzung von KI in der juristischen Praxis bleibt die Bedeutung grundlegender juristischer Kompetenzen aber unverändert. Während KI-gestützte Systeme Prozesse effizienter gestalten und standardisierte Aufgaben übernehmen können, erfordert die rechtliche Praxis weiterhin die Fähigkeit zur komplexen Problemanalyse und strategischen Entscheidungsfindung. Kanzleien müssen dennoch ihre internen Strukturen und Arbeitsweisen überdenken. Ein zentraler Punkt ist, dass Kanzleien „mehr als Unternehmen“ denken sollten, um eine nachhaltige Rechtsdienstleistung aufzubauen und das volle Potenzial moderner KI-Lösungen nutzen zu können. Die traditionelle „Partnerdenke“, bei der sich Partner als Einzelakteure verstehen, ist dabei überholt.
Rechtliche und ethische Fragestellungen führen zu Berührungsängsten
Der AI Report befasst sich auch mit rechtlichen und ethischen Fragestellungen, die sich im Umgang mit KI ergeben. Der Einsatz von GenAI in der Rechtsbranche wirft Fragen zu Vertragsgestaltung, Urheberrecht und Datenschutz auf. Insbesondere wird die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken durch Entwickler von KI-Modellen intensiv diskutiert. Gleichzeitig erfordert die Nutzung von KI in der Rechtsbranche eine Auseinandersetzung mit ethischen Aspekten, wie Diskriminierungsfreiheit und der Abgrenzung zwischen KI-generierter und menschlicher Arbeit. Mit dem Einsatz von GenAI, die nicht nur Dokumente erstellt, sondern auch Rückfragen stellt und auf individuelle Anfragen reagiert, stellt sich die dringende Frage, wo die Grenze zur echten, individuellen Rechtsberatung verläuft. Insbesondere bei der Urteilsfindung stellt sich die Frage der Verantwortung.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Experten der Rechtsbranche in Bezug auf den KI-Einsatz trotz aller Potenziale starke Berührungsängste attestieren. Diese gehen sogar so weit, dass die Angst vor dem Zurückbleiben und dem Verlust des Anschlusses viele in der Rechtsbranche dazu treibt, in ihren gewohnten Arbeitsstrukturen zu verharren und sich neuen Technologien zu entziehen. Gerade in etablierten Kanzleistrukturen, in denen alteingesessene Partner ihre Praxis über Jahre hinweg auf traditionelle Weise geführt haben, wird es zu einer erheblichen Herausforderung, neue Arbeitsmethoden zu implementieren und anzunehmen. Diese Entwicklung erfordert, dass sie sich aktiv mit den neuen Technologien auseinandersetzen und ausreichend Zeit investieren, um deren Potenziale zu verstehen und zu nutzen.
KI macht die Rechtsbranche zukunftsfähig
Der AI Report stellt klar heraus, dass KI die Branche transformieren wird. Alle befragten Experten sehen in der Technologie nicht nur ein Mittel zur Effizienzsteigerung, sondern vor allem eine Chance, die Rechtsbranche grundlegend zu modernisieren – von der Entlastung bei repetitiven Aufgaben bis hin zu einer verbesserten Mandantenbetreuung, die neue Formen der Zusammenarbeit ermöglicht. Trotz der Integration von KI bleibt der Bedarf an juristischen Fachkräften jedoch hoch, da menschliche Expertise weiterhin erforderlich ist, insbesondere bei der Überprüfung von KI-generierten Ergebnissen und der strategischen Beratung. Wenn Juristen sich frühzeitig mit neuen Technologien vertraut machen und den Wandel aktiv annehmen, kann KI einen echten Mehrwert für die Rechtsbranche schaffen.
Weiterführende Informationen:
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