Verwirkung von Unterhalt trotz Rechtshängigkeit

Nachehelicher Unterhalt kann trotz Rechtshängigkeit verwirkt werden, wenn das Gerichtsverfahren zu lange still steht. Mehr als ein Jahr Passivität seitens der Unterhaltsklägerin kann den Verlust der Ansprüche zur Folge haben. Sogar wenn das Gericht seine Prozessförderungspflicht verletzt hat, hindert das die Verwirkung der Ansprüche nicht.

Das OLG Düsseldorf hatte folgende Sache zu entscheiden:

  • Eine Ehe wurde nach 20 Jahren im August 2010 geschieden.
  • Ein Jahr später machte die Frau gegen ihren Ex-Ehemann Unterhaltsansprüche gerichtlich geltend, und zwar für den Zeitraum von September 2010 bis Dezember 2016.
  • Insgesamt ging es um eine Summe von gut 55.000 Euro.
  • Nach Zustellung der Klage an die Gegenseite trennte das Amtsgericht die Verfahren auf Trennungs- und Scheidungsunterhalt ab und forderte die Klägerin im Mai 2012 auf, ihren Antrag (auf nachehelichen Unterhalt) entsprechend zu aktualisieren.

Drei Jahre Verfahrensstillstand können den Unterhalt

Daraufhin passierte fast drei Jahre gar nichts. Erst im Februar 2015 trat die Klägerin wieder auf die Verfahrens-Bildfläche:

  • Sie bat um einen Gerichtstermin und eine Entscheidung über die Verfahrenskostenhilfe,
  • die sie zusammen mit der Klage beantragt hatte.

Nachdem sie dann im Juni 2015 endlich ihren Klageantrag angepasst hatte, kam Ende des Jahres 2017 die Entscheidung des Amtsgerichts und das böse Erwachen: Es entschied, dass alle Ansprüche bis Juni 2014 zum einen befristet, zum anderen verwirkt seien.

OLG Düsseldorf: Ansprüche bis März 2014 verwirkt

Mit der Befristung sah es das OLG Düsseldorf nicht ganz so eng. Für März 2014 bis März 2015 wurden der Frau noch knapp 10.000 Euro zugesprochen, wovon der größere Teil jedoch an das Jobcenter ging, das der Frau mit Zahlungen ausgeholfen hatte. Alle Ansprüche aber, die in den 3 ½ Jahren bis März 2014 aufgelaufen wären, strich das OLG wegen Verwirkung.

Ansprüche verwirken (§ 242 BGB), wenn jemand

  • sein Recht längere Zeit nicht geltend macht (Zeitmoment), obwohl er sehr wohl dazu in der Lage gewesen wäre und
  • der andere sich mit Blick auf das Verhalten des Anspruchstellers zu Recht darauf eingerichtet hat, dass der andere keine Ansprüche mehr geltend macht (Umstandsmoment).

Ein Jahr Untätigkeit reicht bei Unterhaltsansprüchen

Geht es um laufende Unterhaltszahlungen, wird das Zeitmoment kürzer angesetzt als bei anderen Forderungen. Es geht um Beträge, auf die der Gläubiger im Alltag angewiesen ist, weshalb man von ihm erwartet, dass er hinterher ist und alles zügig in Bewegung setzt, um die Forderungen durchzusetzen. Zeitlich können diese Ansprüche deshalb schon dann verwirken, wenn die Rückstände älter als ein Jahr sind. Das gilt selbst dann, wenn

  • die Unterhaltsansprüche rechtshängig sind oder
  • es schon titulierte Unterhaltsansprüche gibt.

Fehler des Amtsgerichts hindert Verwirkung nicht

Ohne Frage hat das Amtsgericht hier gegen seine Prozessförderungspflicht verstoßen. Es war genauso untätig wie die Klägerin und hätte dem Verfahren von sich aus Fortgang geben müssen, entweder mit einem Verhandlungstermin oder einem schriftlichen Vorverfahren. Helfen tut das der Frau nicht, denn die Verwirkung setzt nicht bei einem schuldhaften Verstoß gegen eine gesetzliche Pflicht, sondern

  • bei der illoyalen Untätigkeit an,
  • die beim Schuldner den Eindruck erweckt,
  • der Anspruch werde vom Gläubiger nicht (mehr) weiterverfolgt.

Es kommt also nur auf den geschaffenen Rechtsschein ohne Rücksicht auf den Grund hierfür an.

Untätigkeit trotz gerichtlicher Aufforderung und Hinweise auf neue Lebenspartnerschaft

Das Umstandsmoment wird vom OLG Düsseldorf mit Blick auf den letzten Verfahrensstand vor Stillstand bejaht.

  • Die Klägerin war aufgefordert, ihren Antrag zu aktualisieren.
  • Außerdem hatte der geschiedene Ehemann in dem Verfahren einige Hinweise darauf vorgebracht, dass seine Ex-Frau schon im Jahr 2011 fest mit einem neuen Partner liiert war.
  • So war sie im März in das Haus gezogen, das ihr Lebenspartner und späterer Neu-Ehemann seit Jahrzehnten bewohnte.

Beweisen konnte der Mann dies zwar nicht, aber nachdem die Klägerin ihre Unterhaltsansprüche über fast drei Jahre nicht weiterverfolgte, durfte er das so verstehen, dass die neue Lebensgemeinschaft tatsächlich bestand und seine Ex-Frau deshalb ihre Unterhaltsansprüche nicht weiter verfolgt. Der Mann gab an, seine Ausgaben fortan ohne Unterhaltsabgaben an seine Ex-Frau kalkuliert zu haben. Das hat das OLG ohne weiteres als wahr angenommen mit dem Hinweis auf fehlende gegenteilige Anhaltspunkte.

Verjährung gehemmt, Ansprüche dennoch verwirkt

Verjähren konnten die Ansprüche wegen des auf das Amtsgericht zurückzuführenden Fehlers nicht. Insoweit trat eine Verjährungshemmung ein, die aber – so die Düsseldorfer Richter – keinen Einfluss auf eine etwaige Verwirkung hat und insofern der Klägerin nichts nützt. Die Revision wurde nicht zugelassen.

(OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.6.2018, II-8 UF 217/17, 8 UF 217/17).

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Schlagworte zum Thema:  Scheidung, Unterhalt