Leitsatz

Die vereinbarte Zweckbestimmung eines "Cafés" (in München-Schwabing/Maxvorstadt) muss nicht nur im Sinne eines Tages-Café-Betriebs verstanden werden

 

Normenkette

§§ 14, 15 WEG; § 1004 BGB; § 139 Abs. 2 ZPO

 

Kommentar

  1. Zum Sachverhalt:

    Das streitgegenständliche Café wurde noch vor Begründung von Wohnungseigentum ab ca. 1952 betrieben und auch im "Gastro-Guide" von München als eines der ganz wenigen und typischen, auch heute noch vorhandenen Cafés der 50er Jahre vermerkt. In der 1980 vollzogenen Teilungserklärung wurden die streitgegenständlichen Räumlichkeiten als "Café" bezeichnet. Seit 2005 wird das Café im Familienbesitz von einem Erben weitergeführt. Das Café steht auch unter Denkmalschutz. Bis zum Jahr 2000 war dieses Café auch – behördlicherseits genehmigt – bis nachts 1 Uhr geöffnet. Eigentümer, die im Jahr 1980 eine Wohnung gekauft hatten, klagten nun 2007 gegen den Teileigentümer und dessen Pächter auf Nutzungsunterlassung zu einem anderen Zweck als einer Tages-Café-Nutzung. Insbesondere die Nutzung als Schank- und Speisewirtschaft mit Musikunterhaltung stelle nach Meinung der Kläger eine unzumutbare Störung dar.

    Die Klage wurde vom AG München kostenpflichtig abgewiesen; auch die Berufung hiergegen blieb erfolglos.

  2. Aus den Gründen des Berufungsurteils des LG München I:

    2.1 Die Aufhebung und Zurückverweisung – wie vom Kläger beantragt – kommt gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nur dann in Betracht, "wenn das Verfahren erster Instanz an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist". Insoweit kann es dahinstehen, ob ein rechtsrelevanter Verstoß gegen § 139 Abs. 2 ZPO (gerichtliche Hinweispflichten) deshalb vorliegt, weil das Erstgericht nicht ausdrücklich den Kläger darauf hingewiesen hatte, dass es der klägerseits zitierten Entscheidung des BayObLG v. 15.5.2003 (2Z BR 41/03) nicht folgen wolle, ursprünglich allerdings in einem ersten Hinweis eine konträre Rechtsauffassung hierzu vertreten hat. Entscheidend für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist nämlich, dass sich ein – etwaiger – Verfahrensmangel nach eigener Rechtsauffassung des Berufungsgerichts auf eine Sachentscheidung "kausal"auswirken musste (vgl. BGH, NJW-RR 2003, 1572). Vorliegend war dies zu verneinen, da der klägerische Unterlassungsanspruch selbst unabhängig von etwaigen Verfahrensfehlern spruchreif abzuweisen war.

    2.2 Die Zweckbestimmung"Café" hat nutzungsrechtlich Vereinbarungscharakter. Allerdings ist auch eine etwa abweichende Nutzung zulässig, wenn diese nicht mehr stört, als dies bei einer zweckbestimmungsgemäßen Nutzung der Fall wäre. Die Beurteilung erfolgt hier nach typisierender Betrachtungsweise (h.M., vgl. etwa Spielbauer/Then, WEG, § 14 Rn. 19). So durfte z. B. auch ein als "Café" bzw. "Eis-Café" zweckbestimmtes Teileigentum als ein mit Spielgeräten ausgestattetes Bistro (vgl. OLG Zweibrücken, NJWE-MietR 1997, 254), als Restaurant (BayObLG v. 28.9.2000, 2Z BR 55/00) oder Pilslokal (OLG München, NJW-RR 1992, 1492) genutzt werden.

    Damit ist es sicher ausgeschlossen, in einem "Café" eine Schank- und Speisewirtschaft zu betreiben. In einem Café werden in erster Linie Kaffee und Tee ausgeschenkt sowie Feinbackwaren und Kuchen angeboten (BayObLG v. 22.9.2004, 2Z BR 103/04; OLG Hamburg v. 29.7.1998, 2 Wx 20/98). Nichts anderes ergibt sich im vorliegenden Fall auch aus der zu den Akten gegebenen Speisekarte. Auch der in I. Instanz zuständige Sachbearbeiter des Kreisverwaltungsreferats München hatte in einer Stellungnahme nach Besichtigung der Örtlichkeiten festgehalten, dass die Räumlichkeiten ausschließlich die Prägung eines Cafés hätten, und zwar im Sinne eines typischen Wiener Kaffeehauses. Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass auch kleinere Gerichte, wie Sandwiches oder Suppen angeboten werden, die ein solches Café allerdings nicht zu einer Gaststätte machen. Auch schlagwortartige Bewertungen in Presseartikeln ("Szene-Lokal"!) ändern an diesem Ergebnis nichts, da es auf die tatsächliche Nutzung ankommt; vorliegend wurden allein Speisen und Getränke als cafétypisch dargeboten.

    Auch etwaige Hintergrundmusik kann zulässig sein, zumal im vorliegenden Fall lediglich einmal ein Gitarrenspieler ohne Verstärker im Rahmen einer Sonderveranstaltung musizierte. Das Café war also auch nicht durch Musikdarbietungen im Sinne einer zweckwidrigen Nutzung als Live-Bühne geprägt. Hintergrundmusik wird auch in vielen Münchner Cafés praktiziert. Selbstverständlich ist, dass auch insoweit Rücksichtnahmegebote bestehen.

    2.3 Was die behaupteten Einschränkungen der Öffnungszeiten in einem Teileigentum Café betrifft und die etwaige Beachtung von Ladenöffnungszeiten nach Ladenschlussrecht (vgl. BayObLG v. 15.5.2003, 2Z BR 41/03; offengelassen OLG Zweibrücken a. a. O.), sind diese Problemfragen mit hiesigem Sachverhalt nicht vergleichbar. Bei der Entscheidung des BayObLG ging es um eine zweckwidrige Nutzung eines Cafés und Schnellimbisses als Versammlungsstätte eines ausländischen Kul...

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