Leitsatz

Eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO begeht, wer in Steuerverkürzungsabsicht Vorsteuer aus Rechnungen geltend macht, die von Personen gestellt werden, die nicht Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG sind. Keine Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne sind Personen, die von ihnen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht gegenüber dem Finanzamt anmelden sollen, und die lediglich zu diesem Zweck in der Lieferkette vorgeschaltet wurden.

 

Sachverhalt

Das LG hat den Angeklagten S. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, den Angeklagten H. wegen Untreue sowie Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung, verurteilt. Hintergrund war ein sogenanntes "Umsatzsteuerkarussell", mit dem die Angeklagten unter Einschaltung eines Strohmanns und von Scheinfirmen zu Unrecht Vorsteueransprüche aus Geschäften mit Computerchips gelten machten. Der BGH hat die Verurteilungen teilweise aufgehoben. In seiner Entscheidung hat er einige grundlegende Bemerkungen zur Frage der Strafbarkeit von Umsatzsteuermanipulationen unter Einschaltung von Strohleuten gemacht.

 

Entscheidung

Eine Vorsteuererstattung nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt voraus, dass in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG eine Steuer gesondert ausgewiesen ist für Lieferungen, die von einem anderen Unternehmen für das Unternehmen des Vorsteuerberechtigten ausgeführt wurden. Demnachmuss zwischen dem Lieferanten und dem Empfänger ein Leistungsaustausch stattfinden, mithin der Verurteilte H. als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG geliefert haben. Zwar ist Unternehmer grundsätzlich derjenige, der nach außen als Leistender aufgetreten und aus dem Rechtsverhältnis berechtigt und verpflichtet ist. Etwas anderes gilt aber dann, wenn ein vorgeschobenes Strohmanngeschäft vorliegt und die Parteien davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen eintreten sollen[1]. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Strohmann und der Dritte kollusiv handeln. Denn hier bedient sich eine Seite des Strohmanns für die Durchsetzung eigener wirtschaftlicher Interessen. Liegt eine solche Gestaltung vor, ist dieser Strohmann nur noch als Hilfsperson dem Lager desjenigen zuzuordnen, in dessen Interesse er handelt. Entscheidend ist deshalb immer, ob nach dem Gesamtbild der Umstände noch ein Verhalten "wie ein Händler" angenommen werden kann[2]. Dem Strohmann fehlte indes in der zu entscheidenden Sache nach Meinung des BGH eine entsprechende eigene Unternehmerstellung; denn er war in die Lieferkette nicht wie ein typischer Händler einbezogen. Auch wenn die Bestellungen formell über ihn abgewickelt wurden, bestand seine wesentliche Aufgabe darin, durch Hinterziehung der Umsatzsteuer einen Gewinn zu ermöglichen. Er hatte weder ein Kapitalrisiko zu tragen, weil ihm die Waren durch einen Dritten vorfinanziert wurden, noch bestand ein wesentliches Abnahmerisiko, weil er nur auf Bestellung des Angeklagten S. handelte. Aus dessen Sicht war der Strohmann lediglich ein nach seinen Vorgaben funktionierendes Zwischenglied, dessen alleinige Aufgabe es war, einen "Umsatzsteuergewinn" zu erwirtschaften. Dies ist aber gerade kein handelstypisches Verhalten. Einem unselbständigen Strohmann, der dem Lager des Angeklagten S. zuzurechnen ist, fehlt stets die Unternehmereigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG. Lieferungen, die durch ihn erfolgten, unterliegen damit nicht dem Vorsteuerabzug. Da der Angeklagte S. die Chips über seinen Strohmann und seine Scheinfirma als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung[3] erhielt, war zu Lasten dieser Firma keine Umsatzsteuer entstanden, die Gegenstand einer Vorsteuererstattung hätte sein können. In der Geltendmachung der Vorsteuer in den Umsatzsteueranmeldungen liegt damit eine täterschaftliche Handlung der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 22.05.2003, 5 StR 520/02

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