Leitsatz

Grenzabstand von Laubziergehölz (hier: Magnolie) im Gartensondernutzungsbereich

 

Normenkette

(§ 14 Nr. 1 WEG; , § 242 BGB; , §§ 41, 47 NachbG NW)

 

Kommentar

  1. Das aus einem Garten-Sondernutzungsrecht fließende alleinige Gebrauchsrecht an einer Gartenfläche schließt die Befugnis des Berechtigten ein, die Fläche grundsätzlich nach Belieben und eigenem Geschmack gärtnerisch zu gestalten. Der Sondernutzung sind jedoch wie dem Gebrauch des Sondereigentums durch das Gesetz und die Rechte Dritter Grenzen gesetzt (vgl. § 13 Abs. 1 WEG). Auch bei der Ausübung des Sondernutzungsrechts gilt daher die das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer prägende Regelung des § 14 Nr. 1 WEG. Danach darf von einem Sondernutzungsrecht nur in solcher Weise Gebrauch gemacht werden, dass dadurch keinem anderen Eigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Dieses Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme erfordert im Einzelfall eine konkrete Abwägung der berechtigten Nutzungsinteressen der beteiligten Wohnungseigentümer.

    Bei Bepflanzungen können hier zur Abwägung der gegenseitigen Interessen die landesrechtlichen Vorschriften der Nachbarrechtsgesetze miteinbezogen werden, die allerdings unmittelbar nur im Verhältnis realgeteilter Grundstücksnachbarn gelten. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine wertende Einbeziehung dieser nachbarrechtlichen Vorschriften in die nach dem WEG vorzunehmende Interessenabwägung, nicht jedoch um eine pauschale analoge Anwendung dieser Nachbarvorschriften. Die konkrete Ausgestaltung der Nutzungsbefugnisse innerhalb einer Eigentumswohnanlage durch die Teilungserklärung kann durchaus ein gegenüber den nachbarrechtlichen Vorschriften erhöhtes Maß an Rücksichtnahme erfordern (vgl. auch zutreffend OLG Köln, WE 1997, 230 (231)). Die landesrechtlichen Nachbarvorschriften sind hier allenfalls im Sinne einer Mindestvorgabe – wie erwähnt wertend – einzubeziehen.

  2. Damit findet auch eine materielle Ausschlussfrist (hier: des § 47 NachbG NW) im Verhältnis der Wohnungseigentümer keine Anwendung. Ein Beseitigungsanspruch kann vielmehr nur aufgrund des bundesrechtlichen Rechtsinstituts einer Verwirkung (§ 242 BGB) ausgeschlossen sein. Der Vorrang des Bundesrechts (WEG) schließt es aus, eine hier nicht vorgesehene materielle Ausschlussfrist durch analoge Anwendung einer landesrechtlichen Regelung zu begründen. Dem steht auch nicht die Entscheidung des BayObLG (BayObLGZ 1982, 69) entgegen, da dort sowohl eine Verwirkung des Beseitigungsanspruchs als auch eine Verjährung des Anspruchs nach Art. 78 Abs. 1 S. 2 Bayer. AGBGB verneint wurde, weil jeweils die entsprechenden tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Daraus lässt sich nicht herleiten, dass das BayObLG die Anwendbarkeit der Verjährungsvorschrift des bayerischen Landesrechts im Verhältnis der Wohnungseigentümer abschließend hat bejahen wollen; jedenfalls beruht die Entscheidung nicht auf dieser Auffassung, weil das BayObLG zugleich auch eine Verwirkung des Anspruchs verneint hat.
  3. Im vorliegenden Fall war auch nicht von einer illoyal verspäteten Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs auszugehen, weil auf den Zeitpunkt abzustellen war, ab dem die Magnolie durch ihren Wuchs eine Höhe erreicht hatte, in dem sie sich störend auf die Nutzung der Terrassenfläche des Nachbarn (Miteigentümers) ausgewirkt hatte. Die landesrechtliche Nachbar-Auschlussfrist wird erst in Lauf gesetzt, wenn der vom Gesetz vorgeschriebene Abstand in Folge des Wachstums der Anpflanzung nicht mehr gewahrt ist. Diese Erwägung wurde vom LG nicht berücksichtigt, sodass die Streitsache zum Zweck weiterer tatsächlicher Feststellungen an das LG zurückverwiesen werden musste. Schattenwurf und wandernde Schatten könnten hier nur im Rahmen einer Ortsbesichtigung ggf. unter Zuziehung eines Sachverständigen festgestellt werden.
 

Link zur Entscheidung

(OLG Hamm, Beschluss vom 21.10.2002, 15 W 77/02)

Anmerkung

Diese Entscheidung erscheint mir doch bedeutsam im Rahmen häufiger Grenzstreitigkeiten zwischen gartensondernutzungsberechtigten Nachbar-Miteigentümern und den grundsätzlich möglichen Grenzbepflanzungen. Das Landesnachbarrecht mit den dort festgelegten Grenzabständen für die Bepflanzung mit Hecken, Bäumen und Büschen kann also nach dieser Senatsentscheidung nur wertend, nicht unmittelbar oder analog Anwendung finden und zwar im Rahmen der vorrangigen Rücksichtnahmepflichten unter Miteigentümern im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG. Damit gelten auch nicht die landesrechtlichen Ausschluss- und Verjährungsfristen (in Bayern von grundsätzlich 5 Jahren "Duldung" nachbarwidrig gesetzter oder gehaltener Grenzpflanzen). Zumindest bisher habe ich der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung zum Wohnungseigentumsrecht demgegenüber tatsächlich analoge Anwendung der nachbarrechtlichen Grundsätze angenommen bzw. den Entscheidungen entnehmen müssen.

Bedeutsam erscheint mir auch hinsichtlich der Duldungs-Verjährung bzw. -Verwirkung der Hinweis des Senats...

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