Leitsatz

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann einem Nachbarn nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Ausgleichsanspruch für Schäden schulden, die der Bauträger verursacht.

Normenkette

§ 9a Abs. 2 WEG; § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB

Das Problem

Grundstücksnachbar K geht gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer B auf Ersatz von Beschädigungen seines Eigentums durch vom Bauträger veranlasste Bauarbeiten vor. Neben dem Ersatz von Aufwendungen für die Beseitigung von Rissschäden und eines Wasserschadens verlangt K den Ersatz für die Beschädigung von 2 Fahrrädern in Höhe von 1.034 EUR. Auf diese Fahrräder waren Dachziegel und eine Dachbohle gefallen. Das LG gibt der Klage hinsichtlich der Beschädigung der Fahrräder statt. B hafte K nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB für die Beschädigung der Fahrräder. Die Fahrräder seien erst nach Übergang des Eigentums auf die Wohnungseigentümer beschädigt worden. Mit ihrer Berufung erstrebt B die vollständige Abweisung der Klage. Sie stellt ihre Verantwortlichkeit in Abrede und bestreitet auch die Höhe der geltend gemachten Schäden.

Die Entscheidung

Die Berufung hat teilweise Erfolg! Allerdings sei B dem K zum Ersatz der Schäden an den Fahrrädern nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verpflichtet. Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch sei nämlich gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgingen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden müsse, aus besonderen Gründen jedoch nicht gem. §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB unterbinden könne, sofern er hierdurch Nachteile erleide, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen würden (BGH, Urteil v. 9.2.2018, V ZR 311/16). Zu solchen Emissionen gehörten grenzüberschreitende Einwirkungen, die in ihrer Ausbreitung weitgehend unkontrollierbar und unbeherrschbar seien, wie etwa Gase, Dämpfe, Gerüche, Rauch, Ruß, Wärme, aber auch Erschütterungen und ähnliche Einwirkungen. Diese Grundsätze seien auf Bauarbeiten entsprechend anwendbar, bei denen es zu einem Schaden am Nachbargrundstück komme, wenn etwa ein bei den Arbeiten entstehender Brand auf ein fremdes Grundstück übergreife. Damit vergleichbar sei eine durch das Herabfallen von Teilen eines Hausdaches im Rahmen von Dacharbeiten erfolgende Schädigung des Nachbargrundstücks oder darauf befindlicher Gegenstände. B sei auch die richtige Beklagte. Soweit es um die Absicherung der Baustelle und die Verhinderung von Schäden Dritter gehe, richte sich die Verantwortlichkeit nach § 906 Abs. 2 BGB nach dem Einflussbereich. Der Annahme einer Verantwortlichkeit der B stehe nicht entgegen, dass die Schäden auf die Arbeiten des vom Bauträger mit der Vornahme von Dacharbeiten beauftragten Werkunternehmers zurückzuführen seien. Mittelbarer Handlungsstörer sei auch derjenige, der die Beeinträchtigung des Nachbarn durch einen anderen in adäquater Weise durch seine Willensbetätigung verursache. Die gelte auch für B. Denn die Durchführung der Dacharbeiten habe nicht nur im Interesse des S, sondern auch im Interesse der Wohnungseigentümer gelegen. Sie seien im Zeitpunkt des Schadensereignisses Besitzer und teilweise sogar Miteigentümer gewesen.

 

Hinweis

Problemüberblick

Im Fall ist zu klären, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einem Grundstücksnachbarn für Schäden (hier: durch herabfallende Ziegel und Bohlen) einstehen muss, die der Handwerker des Bauträgers verursacht hat.

Ausgleichsanspruch

Der Eigentümer eines Grundstücks hat nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden, die durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Zum Ausgleich kann der Eigentümer nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen. "Benutzer des anderen Grundstücks" sind dessen Eigentümer oder sonstige Benutzer. Eigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums sind die Wohnungseigentümer. Nach § 9a Abs. 2 WEG schulden aber nicht sie, sondern die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den Ausgleich.

Bauträgerregress

Die Wohnungseigentümer – gem. § 9a Abs. 2 WEG muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer handeln – dürften im Innenverhältnis vom Bauträger Regress verlangen können.

Entscheidung

OLG Köln, Urteil v. 21.4.2021, 16 U 124/20

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