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Die massiven Kürzungen der Ansprüche der Geschädigten führen zu niedrigeren Zahlungen und damit zu einem niedrigeren Erledigungswert aus denen – in der bisherigeren Regulierungspraxis – die Rechtsanwaltskosten vom Schädiger bzw. dessen Versicherer erstattet werden. Unter Berücksichtigung der Rechtslage und anhand von Beispielsfällen wird der Frage nachgegangen, ob tatsächlich der niedrigere Erledigungswert als Gegenstandswert der zu erstattenden Anwaltskosten zugrunde zu legen ist.

I. Einleitung

Die den Versicherern durch die Rechtsprechung des BGH eingeräumte Möglichkeit, den Geschädigten im Totalschadensfall auf höhere Restwerte[1] oder im Reparaturfall auf günstigere Werkstätten[2] zu verweisen, führt zu einer paradoxen außergerichtlichen Regulierungspraxis. Im Auftrag des Geschädigten macht dessen Anwalt auf der Grundlage eines Gutachtens oder Kostenvoranschlags die berechtigten Ansprüche seines Mandanten bei der Versicherung geltend, die dann durch höhere Restwerte oder bei fiktiver Abrechnung durch Verweis auf angeblich freie, gleichwertige und dennoch günstigere Werkstätten erheblich gekürzt werden oder gar zu einer ganz anderen Abrechnung des Schadens (Total- statt Reparaturschaden oder umgekehrt[3] ) führen kann. Sollte der Verweis zulässig und dem Geschädigten zumutbar sein, hat dieser immer noch die Möglichkeit, seinen Schaden durch die Annahme des höheren Restwertangebots zu kompensieren oder durch den Nachweis des geringeren Veräußerungserlöses oder der Durchführung der Reparatur mit Vorlage einer höheren Reparaturkostenrechnung eine weitere Zahlung zu erhalten. Wird das höhere Restwertangebot an- oder der Verweis auf die günstigere Werkstatt hingenommen, erhält der Geschädigte teilweise sehr viel geringere Zahlungen, die zu einem niedrigen Erledigungswert führen können. Es stellt sich daher die Frage, ob die Rechtsanwaltskosten vom Schädiger oder dessen Versicherer nur aus diesem niedrigeren Erledigungswert als Gegenstandswert zu ersetzen sind.

[1] BGH NJW 2000, 800 = zfs 2000, 103.
[2] BGH NJW 2010, 606 = zfs 2010, 143; BGH NJW 2010, 2941 = zfs 2010, 621. Nach BGH NJW 2015, 2110 = zfs 2015, 621 soll sogar der Verweis auf Partnerwerkstätten der Versicherer zulässig sein. Die "erforderlichen" Reparaturkosten i.S.v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB werden dann aber nicht objektiv auf dem Markt ermittelt, sondern stehen zur Disposition der Partner. Dies ist ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter. Eine "Einwirkung des Schuldners oder der von ihm gewählten Werkleute" sollte aber schon nach den Motiven des historischen Gesetzgebers dem Geschädigten nicht zugemutet werden, vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich (1899), Bd. II, 513 (Protokolle) und 1235 (Denkschrift).
[3] Vgl. hierzu etwa AG Frankfurt/M. zfs 2011, 620 mit Anm. Jaeger.

II. Rechtslage

Bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist für die Bestimmung des Gegenstandswertes grundsätzlich zwischen dem Innen- (Mandant – Anwalt) und dem Außenverhältnis (Mandant – Dritter) zu unterscheiden. Im Innenverhältnis zwischen Mandant und Anwalt ist für die Bestimmung des Gegenstandswertes der Auftrag des Mandanten maßgeblich (Auftragswert). Für die Höhe bestimmt § 23 Abs. 1 S. 3 RVG, dass die Wertvorschriften entsprechend für die Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens gelten, wenn der Gegenstand der Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte und verweist insoweit insbesondere auf die Bestimmungen des GKG und der ZPO. In derselben Angelegenheit werden nach § 22 Abs. 1 RVG die Werte mehrerer Gegenstände zusammengerechnet, wobei es unerheblich ist, ob die Ansprüche abgetreten sind und deshalb die Zahlung an Dritte (Werkstatt, Autovermietung o.a.) erfolgt.[4] Es ist weiterhin zu beachten, dass es für bereits entstandene Gebühren nach § 15 Abs. 4 RVG ohne Einfluss ist, "wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist". Im Außenverhältnis zwischen Geschädigtem und Schädiger bzw. dessen Versicherer ist maßgeblich, ob nach den §§ 249 ff. BGB ein Erstattungsanspruch besteht. Dabei sind nach der Rechtsprechung des BGH weder der Auftrag des Geschädigten im Innenverhältnis noch die Höhe der tatsächlich geleisteten Zahlungen, sondern allein die "objektiv berechtigten Ansprüche" für den Gegenstandswert maßgeblich.[5] Kostenerstattung aufgrund eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte vom Schädiger daher grundsätzlich nur insoweit verlangen, als seine Forderung diesem gegenüber objektiv auch berechtigt ist. Kosten, die dadurch entstehen, dass ein Anwalt zur Durchsetzung eines unbegründeten Anspruchs beauftragt wird, können dem Schädiger dagegen nicht mehr als adäquate Folgen seines Verhaltens zugerechnet werden. Der Erledigungswert kann, muss aber – von Ausnahmen abgesehen – nicht mit dem zu erstattenden Gegenstandswert identisch sein. Ausnahmen galten für das vormalige, bis zum Inkrafttreten des RVG zum 1.7.2004 geltend...

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