A. Einleitung

Das Verkehrszeichen 205, bezeichnet mit "Vorfahrt gewähren", ist in der Anlage 2 zu § 41 StVO aufgeführt. Genutzt wird es, um die Vorfahrt gem. § 8 StVO zu regeln. In dieser Bestimmung ist das Zeichen genannt. Ebenfalls genannt ist es in § 10 StVO. Dort wird ausgeführt, dass es zur Klarstellung genutzt werden kann. Aufgestellt wird es auch bei Autobahnauffahrten. Die Frage, die sich stellt, ist, ob bei einer Nichtbeachtung des Zeichens immer ein Verstoß gegen § 8 StVO gegeben oder ein Verstoß gegen § 10 StVO vorliegt, wenn das Verkehrszeichen an den entsprechenden Örtlichkeiten zur Klarstellung aufgestellt wird bzw. ein Verstoß gegen § 18 StVO gegeben ist. Gerade bei Fällen i.S.d. § 10 StVO ist dies von besonderer Bedeutung: Steht auf der einen Seite ein Verwarnungstatbestand und auf der anderen Seite ein punktebewehrter Bußgeldverstoß, der bei einem Fahrerlaubnis-auf-Probe-Besitzer zu einem Aufbauseminar führt.

B. § 41, Anlage 2 StVO, Zeichen 205

Das Zeichen 205 der Anlage 2 der StVO wird mit "Vorfahrt gewähren" bezeichnet. Bei den Ge- und Verboten wird dazu ausgeführt: "Wer ein Fahrzeug führt, muss Vorfahrt gewähren." Der Erläuterung ist zu entnehmen: "Das Zeichen steht unmittelbar vor der Kreuzung oder Einmündung. Es kann durch dasselbe Zeichen mit Zusatzzeichen, das die Entfernung angibt, angekündigt sein."

Genannt wird das Zeichen in § 8 Abs. 1 StVO und in § 10 StVO. Angebracht ist es auch bei Autobahnauffahrten. In § 18 Abs. 3 StVO ist festgehalten, dass der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn Vorfahrt hat. Ein Verstoß gegen die jeweilige Bestimmung, insbesondere wenn es zum Verkehrsunfall kommt, hat für den Betroffenen unterschiedliche Rechtsfolgen. Kommt es bei einem Verstoß gegen § 8 Abs. 2 StVO zu einem Verkehrsunfall, muss die Person nach Ziffer 34 i.V.m. Anhang 3 der Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) mit einem Bußgeld von 120 EUR rechnen. Weiterhin wird ein Punkt im Fahreignungsregister nach der Anlage 13 zur FeV fällig. Sollte sich die Person in der Probezeit befinden, ist dieser Verstoß ein sog. A-Verstoß nach der Anlage 12 zur FeV. Dies führt automatisch zu einem Aufbauseminar, § 2a Abs. 2 StVG.

Liegt ein Verstoß gegen § 18 Abs. 3 StVO vor, ist nach Ziffer 82 des Bußgeldkatalogs i.V.m. Anhang 3 der BKatVO mit einem Bußgeld von 110 EUR zu rechnen. Auch damit wird ein Punkt im Fahreignungsregister fällig und die Person muss, sofern sie sich in der Probezeit befindet, mit einem Aufbauseminar rechnen, denn auch dieser Verstoß ist ein sog. A-Verstoß. Für einen Verstoß gegen § 10 StVO, auch im Falle der Schädigung eines anderen, sieht der Bußgeldkatalog unter Ziffer 47.1 35 EUR und damit ein Verwarnungsgeld vor. Dann gibt es keinen Punkt im Fahreignungsregister und auch für die Fahrerlaubnis auf Probe ist dies grds. ohne Bedeutung, was eine Nachschulung betrifft, denn dieser Verstoß ist nicht eintragungsfähig und § 2a Abs. 2 StVG findet somit keine Anwendung.

C. § 10 StVO, Einfahren und Anfahren

Gerade dann, wenn das Zeichen 205 im Zusammenhang mit § 10 StVO aufgestellt ist, stellt sich die Frage, wie die Person sanktioniert werden muss. Dort ist im Verordnungstext festgehalten: "Wer aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2), aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1 und 325.2) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen. Die Absicht einzufahren oder anzufahren ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Dort, wo eine Klarstellung notwendig ist, kann Zeichen 205 stehen."

Wie im Verordnungstext festgehalten, geht es um das Einfahren. Dabei soll Anschluss an den fließenden Verkehrs gefunden werden.

Scholten[1] führt dazu aus: "§ 10 StVO soll andere Verkehrsteilnehmer vor den Gefahren bewahren, die ihnen durch Fahrzeuge drohen, die außerhalb von Kreuzungen und Einmündungen von der Seite in die Fahrbahn einfahren. Geschützt werden nicht nur die Teilnehmer des fließenden Verkehrs, sondern auch Fußgänger, die z.B. auch dann gefährdet sind, wenn ein Fahrzeug aus einer Grundstückszufahrt kommend einen Fußweg überqueren muss, um die Fahrbahn zu erreichen. Die Vorschrift geht als Spezialregelung den Bestimmungen, die § 8 StVO zur Vorfahrt trifft, vor; sie zwingt zu einer einschränkenden Auslegung des Begriffs der Einmündung in § 8 Abs. 1 S. 1 StVO, der dort grundsätzlich demjenigen, der von rechts kommt, den Vorrang gewährt".“ Burmann[2] hält fest: "§ 10 S. 1 stellt als Spezialregelung klar, dass an den betr. Ein- bzw. Ausfahrten nicht etwa die Vorfahrtregeln (§ 8) gelten".“

Dies bedeutet für den Verfasser zunächst, dass § 10 StVO gilt. Immer dann wenn dies für den Verkehrsteilnehmer nicht eindeutig ist, dass diese Bestimmung anwendbar ist, soll ihm mit Zeichen 205 deutlich gemacht werden, dass er warten muss. Wird damit § 8 StVO anwendbar?

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