[13] "… II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung hätte das BG die Klage nicht abweisen dürfen."

[14] 1. Zu Unrecht hat es angenommen, bereits die 2004 mittels der Implantate herbeigeführte Brustvergrößerung habe bei der Ehefrau des Kl. zu einer Krankheit i.S.v. § 201 VVG bzw. § 1 Teil I (1) und § 5 Teil I (1) Buchst. b AVB geführt.

[15] a) AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (BGHZ 123, 83, 85; st. Rspr.).

[16] b) Unter einer bedingungsgemäßen Krankheit wird ein solcher VN entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch … , wie er sich auf der Grundlage allgemein bekannt gewordener medizinischer Erkenntnisse herausgebildet hat (vgl. dazu LG Köln VersR 1983, 388), einen objektiv nach ärztlichem Urteil bestehenden anormalen, regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand verstehen (vgl. nur Senat BGHZ 99, 228 unter II 2 a … ), wobei sich die Einstufung als “anormal’ aus einem Vergleich mit der normalen biologischen Beschaffenheit des Menschen, die Einstufung als “regelwidrig’ aus der ergänzenden medizinischen Bewertung eines anormalen Zustandes ergibt.

[17] Eine Krankheit ist nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch auch dadurch gekennzeichnet, dass sie eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt (Prölss/Martin/Voit, VVG, 29. Aufl., § 192 Rn 20 … ) und deshalb die Notwendigkeit einer Heilbehandlung begründet. …

[18] c) Danach führt – anders als das BG meint – eine mittels ärztlichen Eingriffs vorgenommene Brustvergrößerung nach allgemeinem Sprachgebrauch zu keiner Krankheit i.S.d. Bedingung. Zwar mag die Implantation eines Fremdkörpers, etwa eines Silikonkissens, einen biologisch anormalen Körperzustand bewirken, medizinisch regelwidrig im Sinne einer Erkrankung ist dieser nach dem Verständnis eines durchschnittlichen VN aber schon deshalb nicht, weil – wenngleich nicht medizinisch geboten – er von einem Arzt unter Beachtung medizinischer Regeln und Sorgfaltsanforderungen herbeigeführt wird und bei normalem, komplikationsfreiem Verlauf auch nicht zur Störung körperlicher oder geistiger Funktionen führt und keinen Behandlungsbedarf begründet.

[19] Dementsprechend wird beispielsweise in Teilen der Rspr. zu Recht angenommen, eine medizinisch nicht gebotene, lediglich mit Blick auf die individuelle Lebensplanung durchgeführte Sterilisation führe nicht zu einer Krankheit (vgl. OLG Nürnberg VersR 2005, 1383, 1384; offen gelassen von OLG Köln VersR 1994, 1170; vgl. für die gesetzliche Krankenversicherung BSG NJW 1986, 1572, 1573). Denn eine solche mit ärztlicher Hilfe freiwillig herbeigeführte Unfruchtbarkeit wird ein VN nach dem allgemeinen Sprachgebrauch schon deshalb nicht als krankhaft ansehen, weil sie keinen weitergehenden Behandlungsbedarf auslöst. Lässt eine versicherte Person bewusst und gewollt einen ärztlichen Eingriff aus kosmetischen Gründen vornehmen, so wird auch der dadurch geschaffene Zustand selbst dann, wenn Fremdkörper implantiert werden, weder von der Rechtsgemeinschaft noch von einem durchschnittlichen VN als “krankhaft’ angesehen. Solche ärztlichen Eingriffe sind nicht verboten. Wer sie vornehmen lässt, will sich damit nicht in die Situation eines Kranken begeben (vgl. BSG a.a.O.). Soweit die Bekl. behauptet und unter Sachverständigenbeweis gestellt hat, die Implantation von Silikonkissen führe in jedem Fall zu körperlichen Abwehrreaktionen, die einen fortschreitenden Prozess in Gang setzten, der dann zu Komplikationen wie einer Kapselfibrose führen könne, hat das BG entsprechende Feststellungen nicht getroffen. Sachverständig beraten hat es lediglich festgestellt, dass eine Kapselfibrose in 5 % bis 20 % der Fälle eintreten könne. Selbst wenn man aber unterstellt, dass auch in den übrigen Fällen stets körperliche Reaktionen auf die Implantate stattfinden, ist deren Behandlungsbedürftigkeit und ein Einfluss auf körperliche Funktionen nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Körper auf eingebrachte Silikonimplantate reagiert, schafft somit noch keinen Zustand einer bedingungsgemäßen Krankheit.

[20] 2. Hat mithin die 2004 durchgeführte Brustvergrößerung zunächst zu keiner bedingungsgemäßen Krankheit geführt, kommt es weder für den Leistungsausschluss nach § 201 VVG noch den aus § 5 Teil I (1) Buchst. b AVB darauf an, ob sich die Ehefrau des Kl. dieser Operation vorsätzlich und freiwillig unterzogen hat, denn Krankheiten im Sinne dieser Bestimmungen stellen allenfalls die späteren Komplikationen, d.h. die Kapselfibrose und die Implantatdislokation dar.

[21] Die Bekl. wäre nur dann leistungsfrei, wenn – wie das BG jedenfalls in Bezug auf die Kapselfibrose weiter angenommen hat – die Ehefrau des Kl. auch diese sowie die Implantatdislokation zumindest billigend in Kauf genommen hätte. Die dazu vom BG angestellten Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung indes eben...

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