" … Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Kl. hat gegen die Bekl. keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz oder eines Schmerzensgeldes wegen des Vorfalls v. 13.1.2014. Unabhängig davon, ob die von der Kl. behaupteten Verletzungen überhaupt im Sinn von § 7 Abs. 1 StVG dem Betrieb des vom Bekl. zu 1 geführten und bei der Bekl. zu 2 haftpflichtversicherten Kfz zuzurechnen sind, wäre im Rahmen der nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmenden Abwägung des Verhältnisses der Verursachungsbeiträge der beiden Fahrzeuge der Verursachungsbeitrag des Bekl. zu 1 so geringfügig, dass eine Haftung ausgeschlossen wäre."

Zwar ist es ohne Bedeutung, dass es zu keiner Kollision zwischen den beiden beteiligten Kfz gekommen ist, denn die Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG bzw. die Haftung des Fahrers aus vermutetem Verschulden gem. § 7 Abs. 1 i.V.m. § 18 StVG und damit einhergehend die Haftung des Haftpflichtversicherers nach § 116 VVG können auch dann eingreifen, wenn es nicht zu einer Berührung zwischen den am Geschehen beteiligten Kfz gekommen ist. Das Tatbestandsmerkmal des § 7 Abs. 1 StVG, wonach es bei dem Betrieb eines Kfz zu einem Schaden gekommen sein muss, ist auch dann erfüllt, wenn der Unfall mittelbar durch das andere Kfz verursacht worden ist. Allerdings reicht die bloße Anwesenheit des Kfz an der Unfallstelle dafür nicht aus. Vielmehr muss das Kfz durch seine Fahrweise zu der Entstehung des Schadens beigetragen haben (BGH, Urt. v. 21.9.2010 – VI ZR 263/09 m.w.N.). Letzteres kann der Fall sein, wenn der Führer des anderen beteiligten Kfz durch den Betrieb eines Kfz zu einer Reaktion wie zum Beispiel einem Ausweichmanöver veranlasst wird und dadurch ein Schaden eintritt. Dabei kann es genügen, dass die Abwehr- oder Ausweichreaktion voreilig, also objektiv nicht erforderlich war. Auch subjektiv muss die Ausweichreaktion nicht erforderlich sein oder sich für den Führer des anderen Fahrzeugs aus seiner Sicht als die einzige Möglichkeit darstellten, um eine Kollision zu vermeiden. Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebes des Kfz zu einem schädigenden Ereignis ist allerdings, dass über die bloße Anwesenheit hinaus objektiv tatsächlich eine Gefahr von dem Fahrzeug ausging.

Ebenso wie bei einer nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungsbeiträge dürfen für die Entscheidung der Frage, ob von einem Fahrzeug in einer konkreten Situation objektiv eine typische Kfz-Gefahr ausging, nur die Umstände berücksichtigt werden, die unstreitig oder bewiesen sind. Unstreitig ist nur, dass der Bekl. zu 1 zunächst mit eingeschaltetem linken Fahrtrichtungsanzeiger verkehrsbedingt hinter einem Transporter stand und die Fahrt sodann mit nach wie vor eingeschaltetem linken Fahrtrichtungsanzeiger fortsetzte, denn die Kl. hat nicht bewiesen, dass der Bekl. zu 1 unter Missachtung der Vorfahrt des Zeugen F bereits damit begonnen hatte, auf die Spur des Zeugen F zu fahren.

Zwar hat der Zeuge F ausgesagt, dass der Bekl. zu 1 ihm die Vorfahrt genommen und sich bereits dergestalt in dem Abbiegevorgang befunden habe, dass er sich mit dem von ihm, dem Bekl. zu 1, geführten Fahrzeug bereits etwa 1–1,50 m auf seiner (des Zeugen) Fahrspur befunden habe, als er selbst eine Vollbremsung eingeleitet habe. Diese Aussage ist für sich genommen auch schlüssig und glaubhaft, und auch gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen keine Bedenken, obwohl er als Ehemann der Kl. oder aber als anderenfalls für die behaupteten Verletzungen ursächlich Verantwortlicher womöglich ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat.

Die Aussage des Zeugen F zu den Geschehnissen unmittelbar nach dem Bremsen, wonach beide Fahrzeuge auf seiner Spur jeweils mit der Fahrzeugfront zueinander zum Stehen gekommen seien, die Fahrzeugführer sodann ausgestiegen seien, sich unterhalten hätten und er noch aus dieser Position heraus die Polizei verständigt habe, lässt sich allerdings nicht in Übereinstimmung bringen mit der Aussage der Zeugin B, wonach diese sich, durch ein lautes Quietschen eines oder mehrerer bremsender Fahrzeuge aufmerksam geworden, sofort nach der Wahrnehmung des Geräusches umgedreht und gesehen habe, dass das Fahrzeug des Zeugen F vor der Einfahrt der Glaserei S gestanden und das vom Bekl. zu 1 geführte Fahrzeug auf dem Parkplatz gestanden habe bzw. gerade im Begriff gewesen sei, auf den Parkplatz zu fahren.

Auch die Aussage der Zeugin B ist in sich schlüssig und glaubhaft, und auch gegen die Glaubwürdigkeit der zwar unbeteiligten, angesichts ihrer Schilderung der Reaktionen des Bekl. zu 1 auf das Geschehen eher dem Lager der Kl. zugehörigen Zeugin bestehen keine Bedenken.

Die Aussagen der beiden Zeugen widersprechen sich dergestalt, dass nur eine von ihnen wahr sein kann. Es ist auch nicht möglich, die Aussage des Zeugen F aufzuspalten in zwei Aussagen, eine zum Geschehen bis zum Bremsmanöver, zu dem die Zeugin B mangels eigener Wahrnehmung keine Aussage treffen konnte, und eine zum Geschehen danach, denn es handelt sich um einen einheitli...

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