Die Entscheidung nach dem durchgeführten Termin, für welchen der Betroffene vom persönlichen Erscheinen entbunden worden ist – oder eben gerade nicht –, ist ebenfalls ein wiederkehrendes Sujet der obergerichtlichen Rechtsprechung.

Gar nicht selten muss überhaupt darauf hingewiesen werden, dass – nach Entbindung des Betroffenen vom persönlichen Erscheinen – das Gericht bei Abwesenheit des Verteidigers in der Hauptverhandlung den Einspruch nicht gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verwerfen darf,[57] sondern eben eine Abwesenheitsverhandlung führen muss – bei voller Beweisaufnahme. Hierbei muss sich das Gericht auch mit dem eventuellen vorherigen sachlichen Vorbringen des Betroffenen auseinandersetzen. Geschieht dies nicht, liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor.[58] Auch der Erlass eines Verwerfungsurteils unter Missachtung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 OWiG stellt zugleich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör des Betroffenen dar.[59] Dasselbe gilt für den Fall, dass das Gericht weder über den Antrag des Betroffenen, ihn von seiner Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, entschieden hat noch sich im Urteil (eine vorherige Auseinandersetzung im die Verlegung oder die Entbindung ablehnenden Beschluss genügt nicht)[60] mit den Gründen befasst, die der Betroffene für seinen Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen geltend gemacht hat: Auch dies verletzt den Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs.[61] Allerdings dürfen die vom Betroffenen vorgebrachten Entschuldigungsgründe nicht von vornherein offensichtlich ungeeignet sein, sein Fernbleiben zu entschuldigen.[62] Schließlich liegt eine Gehörsverletzung auch vor, wenn die Verwerfung eines Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG auf einer rechtswidrigen Ablehnung des Entbindungsantrags des Betroffenen von seiner Erscheinungspflicht in der Hauptverhandlung beruht.[63]

Kommt das Gericht allerdings zu dem Ergebnis, dass es den Einspruch verwerfen kann, darf auch nur dies den Tenor des Urteils bilden: Ein Absehen vom Fahrverbot kann nicht ausgeurteilt werden.[64]

[57] OLG Hamm, Beschl. v. 25.2.2011 – 2 RBs 146/10, zfs 2011, 411; OLG Jena, Beschl. v. 16.5.2011 – 1 Ss Rs 72/11, Verkehrsrecht aktuell 2011, 159.
[59] OLG Jena, Beschl. v. 16.5.2011 – 1 Ss Rs 72/11, Verkehrsrecht aktuell 2011, 159.
[60] OLG Oldenburg, Beschl. v. 31.8.2010 – 2 SsRs 170/10, NZV 2011, 96.
[62] OLG Oldenburg, Beschl. v. 31.8.2010 – 2 SsRs 170/10, NZV 2011, 96.
[63] OLG Hamm, Beschl. v. 5.1.2010 – (4) 6 Ss OWi 958/09 (469), NZV 2010, 214.
[64] OLG Hamm, Beschl. v. 22.8.2011 – 1 RBs 139/11, zfs 2012, 51.

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