Verfahrensgang

AG Bottrop (Aktenzeichen 29 OWi 47 Js 1887/10 (724/10))

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird wegen Versagung des rechtlichen Gehörs

zugelassen.

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bottrop zurückverwiesen.

 

Gründe

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat Folgendes ausgeführt:

" I.

Mit Bußgeldbescheid vom 16.04.2010 hat der Oberbürgermeister der Stadt C3 gegen den Betroffenen wegen Unterschreitens des Mindestabstandes eine Geldbuße von 105,00 EUR festgesetzt (Bl. 21 - 22 d.A.). Das Amtsgericht Bottrop hat den dagegen gerichteten Einspruch vom 01.05.2010 (Bl. 25 d.A.) mit Urteil vom 07.01.2011 gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen (Bl. 58a d.A.). Gegen dieses seinem Verteidiger am 13.01.2011 zugestellte (BI. 61 d.A.) Urteil hat der Betroffene mit am 14.01.2011 bei dem Amtsgericht Bottrop eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom 13.01.2011 (BI. 63 d.A.) die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt und diese mit weiterem, am 07.02.2011 bei dem Amtsgericht Bottrop eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom 04.02.2011 (BI. 67 - 105 d.A.) mit der Verletzung rechtlichen Gehörs begründet.

II.

Der form- und fristgerecht gestellte Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist begründet.

Die Rechtsbeschwerde ist wegen der Versagung rechtlichen Gehörs zuzulassen.

Die Verfahrensrüge des Betroffenen, mit der er die Verletzung des § 73 Abs. 2 OWiG und die Gesetzeswidrigkeit der Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG geltend macht, genügt den Anforderungen der §§ 80 Abs. 3 S. 1, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Danach muss bei einer Verfahrensrüge der Tatsachenvortrag so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, falls das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen zutrifft (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12.03. 2009 - 4 Ss OWi

173/09 - m.w.N.). Zur Erfüllung dieser Voraussetzungen muss der Betrof-

fene darlegen, aus welchen Gründen der Tatrichter von seiner Anwesenheit in der Hauptverhandlung einen Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung unter keinen Umständen hätte erwarten dürfen. Hierzu ist es erforderlich, den im Bußgeldbescheid erhobenen Tatvorwurf und die konkrete Beweislage im Einzelnen vorzutragen. In diesem Zusammenhang ist in aller Regel auch darzulegen, wann und mit welcher Begründung der Antrag auf Entbindung von der Erscheinenspflicht gestellt worden ist und wie das Gericht diesen Antrag beschieden hat. Da der Anspruch auf rechtliches Gehör zudem nur dann verletzt ist, wenn die erlassene Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages einer Partei hat, müssen in der Begründungsschrift konkret die Tatsachen dargelegt werden, anhand derer die Beruhensfrage geprüft werden kann. Ferner muss der Rechtsbeschwerdebegründung zu entnehmen sein, ob der Verteidiger durch den Betroffenen ausreichend bevollmächtigt gewesen ist, den Entbindungsantrag für ihn zu stellen (zu vgl. OLG Hamm, VRS 107, 124 - 126; OLG Hamm, Beschluss vom 19.11.2008 - 4 Ss OWi 456/08 - m.w.N.).

Das Rügevorbringen des Betroffenen genügt diesen Anforderungen. Insbesondere hat er unter Wiedergabe des Gutachtens der Sachverständigen

Dr. C dargelegt, dass auf den Beweisfotos aufgrund der starken Spiegelung der Frontscheibe das Gesicht des Fahrers nicht zu erkennen ist und daher auch durch seine bloße Anwesenheit in der Hauptverhandlung zur Inaugenscheinnahme und Vergleich mit den Beweisfotos ein Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung nicht zu erwarten ist. Der Begründungsschrift ist ferner zu entnehmen, dass das Amtsgericht Bottrop über das als Entbindungsantrag auszulegende Schreiben vom 06.01.2011 nicht entschieden hat.

Der formgerecht begründete Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg, da durch das angefochtene Urteil der Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden ist.

Das Gericht hat weder über den Antrag des Betroffenen, ihn von seiner Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, entschieden noch hat es sich im Urteil mit den Gründen, die der Betroffene für seinen Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen geltend gemacht hat, befasst. Der Tatrichter hat aber einem Entbindungsantrag zu entsprechen, wenn der Betroffene sich zur Sache geäußert hat und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts in der Hauptverhandlung nicht erforderlich ist. Daher ist der Anspruch des Betroffenen auf die Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, wenn der Tatrichter den Entbindungsantrag ablehnt, ohne nachvollziehbare Gründe dafür anzuführen und sich auch im Urteil nicht mit den für eine Entbindung geltend gemachten Gründen auseinandersetzt (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vo...

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