RVG § 23 § 33; VV RVG Nr. 4142; StPO § 111 i. a.F.

Leitsatz

1. Zu den vom Tatbestand der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG umfassten "zusätzlichen Maßnahmen" gehört bis zur Neuregelung des Rechtes der Vermögensabschöpfung zum 1.7.2017 auch die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO a.F.

2. Der Gegenstandswert für die zusätzliche Verfahrensgebühr des Verteidigers im Revisionsverfahren in einem solchen Fall bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse an der Abwehr der Revision der StA, soweit diese das Unterlassen der Feststellung beanstandet hat.

(Leitsätze der Schriftleitung)

BGH, Beschl. v. 8.3.2018 – 3 StR 163/15

Sachverhalt

Das LG hatte den Angeklagten K. wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Eine von der StA gegen u.a. diesen Angeklagten beantragte Feststellung gem. § 111i Abs. 2 StPO a.F. hat das LG nicht getroffen. Der BGH hat die u.a. dagegen gerichtete Revision der StA mit Urteil vom 10.12.2015 als unzulässig verworfen.

Der ASt. war im Revisionsverfahren Verteidiger des Angeklagten K. Er hat beantragt, den Gegenstandswert des Revisionsverfahrens hinsichtlich dieses Angeklagten auf 2.006.713,43 EUR festzusetzen, weil die StA noch im Revisionsverfahren die Feststellung begehrt habe, dass auf die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in dieser Höhe (Summe der arrestierten Beträge) nur deshalb nicht erkannt werden könne, weil Ansprüche der Geschädigten entgegenstünden.

Der BGH hat den Gegenstandswert antragsgemäß festgesetzt.

2 Aus den Gründen:

"… [4] Gem. § 32 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt aus eigenem Recht die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beantragen. Ein Gegenstandswert war hier festzusetzen, weil die StA mit ihrer Revision weiterhin eine Feststellung gem. § 111i Abs. 2 StPO a.F. erstrebte und sich die Verteidigung durch den ASt. hierauf erstreckte. Nach Nr. 4142 VV RVG fällt eine besondere Verfahrensgebühr als Wertgebühr an, wenn der Rechtsanwalt bei Einziehung und verwandten Maßnahmen (§ 442 StPO a.F.) eine darauf bezogene Tätigkeit für den Beschuldigten ausübt. Diese Gebühr steht dem Rechtsanwalt für jeden Rechtszug zu (vgl. Kroiß, in Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl., Rn 16 zu Nrn. 4141 – 4147 VV RVG)."

[5] Zu den "verwandten Maßnahmen" nach Nr. 4142 VV zählte auch die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO a.F.: Entscheidend für die Anwendbarkeit des Gebührentatbestands ist, dass es sich um eine Maßnahme handelt, die dem Betroffenen den Vermögensgegenstand endgültig entziehen bzw. die es zu einem endgültigen Vermögensverlust kommen lassen soll (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 23. Aufl., Nr. 4142 VV Rn 6 m.w.N.; so auch KG zfs 2008, 647 m. Anm. Hansens = RVGreport 2007, 232 [Burhoff]; OLG Köln RVGreport 2007, 232 [ders.] = StraFo 2007, 131). So verhält es sich hier: Die Feststellung des aus der Tat Erlangten, bezüglich dessen nur aufgrund der vorrangigen Ansprüche der Geschädigten der Verfall (von Wertersatz) nicht angeordnet werden konnte (§ 111i Abs. 2 StPO a.F.), diente letztlich jedenfalls auch dem Auffangrechtserwerb des Staates gem. § 111i Abs. 5 S. 1 StPO a.F., der kraft Gesetzes eintrat, wenn die nach § 111i Abs. 3 StPO a.F. zu bestimmende Drei-Jahres-Frist abgelaufen war. Der Anwendungsbereich von Nr. 4142 VV RVG ist mithin eröffnet.

[6] Der vom Senat nach § 33 Abs. 1, § 2 Abs. 1 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die Tätigkeit des Verteidigers im Revisionsverfahren bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse an der Abwehr der Revision der StA, soweit diese das Unterlassen der Feststellung beanstandet hat (vgl. für den Verfall BGH RVGreport 2015, 193 [ders.] = NStZ-RR 2015, 319). Dem steht nicht entgegen, dass dem Verteidiger auch für die Verteidigung gegen den Tatvorwurf Gebühren zustehen.

[7] Die StA hat im Revisionsverfahren – weiterhin – die Feststellung begehrt, dass der Angeklagte aus den Taten jedenfalls die bei ihm arrestierten 2.006.713,43 EUR erlangt habe; in dieser Höhe drohte ihm ein endgültiger Vermögensverlust, der mithin sein wirtschaftliches Interesse an der Verteidigung gegen die Revision der StA ausmacht. Mit Blick auf die gegen den Angeklagten erwirkten und vollstreckten Arreste braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob eine gegebenenfalls zweifelhafte Durchsetzbarkeit der Ansprüche gegen den Angeklagten den Gegenstandswert mindern könnte (vgl. insoweit BGH a.a.O.). …“

3 Anmerkung:

Die Entscheidung betrifft zwar das bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung v. 13.4.2017 am 1.7.2017 geltende bisherige Recht. Sie hat jedoch gleichwohl auch heute noch praktische Bedeutung. Zum einen sind noch viele Altverfahren anhängig, in denen das bisherige Recht der Vermögensabschöpfung anwendbar ist. Zum anderen sind die Grundsätze der Entscheidung des BGH auch auf das neue Recht übertragbar. Eine Änderung ist nur insoweit eingetreten, als nach dem neuen Recht ein "Verfall" nicht mehr vorgesehen ist. Dies hat auch Auswirkungen auf das anwaltliche Gebührenrecht. I...

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