[14] "… Die Berufung des Kl. ist begründet. Der Bescheid v. 4.12.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids v. 18.3.2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kl. in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Der Kl. ist zwar gelegentlicher Cannabiskonsument und hat den Konsum von Cannabis einmal nicht vom Führen eines Kfz getrennt. Damit steht aber nicht fest, dass er ungeeignet zum Führen von Kfz ist. Das Urt. des VG und die Behördenentscheidungen sind daher aufzuheben."

[15] 1. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BVerwG, Urt. v. 23.10.2014 – 3 C 3.13, [zfs 2015, 173 =] NJW 2015, 2439, Rn 13). Nach § 3 Abs. 1 S. 1 StVG v. 5.3.2003 (StVG, BGBl I S. 310), zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zuletzt geändert durch Gesetz v. 2.3.2015 (BGBl I S. 186), und § 46 Abs. 1 S. 1 FeV v. 13.12.2010 (FeV, BGBl I S. 1980), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung v. 16.12.2014 (BGBl I S. 2213), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kfz erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kfz ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV).

[16] Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 liegt Kraftfahreignung bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis vor, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen besteht und keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt. Nach § 14 Abs. 1 S. 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV ist die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a StVG begangen wurden. Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt nach § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens.

[17] 2. Der Kl. ist gelegentlicher Cannabiskonsument i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4. Gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt vor, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (st. Rspr., zuletzt BVerwG, Urt. v. 23.10.2014 a.a.O., Rn 20 ff.; BayVGH, Beschl. v. 18.4.2016 – 11 ZB 16.285, juris Rn 11). Der Kl. hat zugestanden, dass er in zeitlichem Zusammenhang zu der Fahrt unter Cannabiseinfluss ein weiteres Mal Cannabis eingenommen hatte.

[18] 3. Der Kl. hat auch einmal gegen das Trennungsgebot der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 verstoßen. Gemäß dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum U. v. 9.5.2014 hat er mit einer Konzentration von 3,7 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC), 55,2 ng/ml THC-Carbonsäure (THC-COOH) und 1,9 ng/ml 11Hydroxy-THC (11-OH-THC) im Blut am Straßenverkehr teilgenommen. Dabei war eine durch den Drogeneinfluss bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.2014 a.a.O., Rn 28 ff.). Dieser Sachverhalt steht aufgrund der rechtskräftigen Bußgeldentscheidung v. 23.5.2014 fest und der Kl. muss die Feststellungen im Bußgeldverfahren gegen sich gelten lassen (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 3 StVG Rn 56).

[19] 4. Es steht damit jedoch nicht i.S.d. § 11 Abs. 7 FeV fest, dass der Kl. ungeeignet zum Führen von Kfz ist. Das Landratsamt war nicht berechtigt, dem Kl. nach § 3 Abs. 1 S. 1 StVG, § 46 Abs. 1 S. 1 FeV ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen die Fahrerlaubnis zu entziehen. Es hätte zuerst von den Aufklärungsmöglichkeiten des nach § 46 Abs. 3 FeV im Entziehungsverfahren entsprechend anzuwendenden § 14 FeV Gebrauch machen und im Ermessenswege darüber entscheiden müssen, ob es nach § 14 Abs. 1 S. 3 FeV eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnet.

[20] Die anlassbezogene Überprüfung der Kraftfahreignung ist zwar ebenso wie die Entziehung der Fahrerlaubnis eine (präventive) Sicherungsmaßnahme, die dazu dient, die Allgemeinheit vor Gefährdungen durch ungeeignete Kraftfahrer zu schützen. Da der Straßenverkehr hohe Risiken für Leben, Gesundheit und Eigentum der Verkehrsteilnehmer in sich birgt, müssen an die Eignung zum Führen von Kfz hohe Anforderungen gestellt werden. Um dies sicherzustellen, ist eine präventive Kontrolle von Kraftfahrern verfassungsrechtlich grds. unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.6.2002 – 1 BvR 2062/96, [zfs 2002, 454 =] NJW 2002, 2378 und 24.6.1993 – 1 BvR 689/92, [zfs 1993, 285 =] BVerfGE...

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