Hinweis

"Mit Ihrer Regulierungsentscheidung besteht kein Einverständnis. Richtig ist, dass die Kollision sich auf einem Parkplatz ereignet hat, was jedoch nicht dazu führt, dass automatisch eine Haftungsteilung vorzunehmen ist. Zwar trifft beide Verkehrsteilnehmer die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 1 StVO, allerdings ist die Anwendung des Anscheinsbeweises gegen den Rückwärtsfahrenden auf einem Parkplatz nicht zu beanstanden, wenn feststeht, dass die Kollision beim Rückwärtsfahren des Verkehrsteilnehmers stattgefunden hat und sogar nicht ausgeschlossen werden kann, dass das beschädigte Fahrzeug bereits zum Kollisionszeitpunkt stand (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2015 – VI ZR 6/15, NJW 2016, 1098)."

Das Fahrzeug Ihres Versicherungsnehmers ist rückwärts mit dem bereits stehenden Fahrzeug unseres Mandanten kollidiert. Damit war das Fahrzeug des Mandanten eindeutig für Ihren Versicherungsnehmer als Hindernis erkennbar, als dieser selbstständig aus der Parklücke herausfuhr. Er hätte damit auch den Unfall problemlos durch sorgfältige Umschau vermeiden können. Daher streitet der Beweis des ersten Anscheins für das Verschulden am Zustandekommen der Kollision zugunsten unserer Mandantschaft, weswegen wir um Regulierung des vollständigen Schadens unserer Mandantschaft bitten.“

 

Erläuterung:

Parkplatz-Unfälle spielen in der Praxis eine wichtige Rolle. Wer die Rechtslage kennt, den beschleicht beim Befahren eines Supermarktparkplatzes ein mulmiges Gefühl, weil Leidtragende solcher Parkplatzunfälle oft beide Beteiligte sind, weil Versicherungen und Gerichte häufig eine Schadenteilung vornehmen.

Mit der Entscheidung vom 15.12.2015 (VI ZR 6/15) vollzieht der BGH eine bemerkenswerte Wende in der Rechtsprechung bei Parkplatz-Unfällen, die insbesondere Geschädigten die Möglichkeit eröffnet, ggf. mehr Ansprüche als bei der bislang im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Betriebsgefahren und insbesondere durch KH-Versicherer ohne nähere Prüfung angesetzten Haftungsteilung zu realisieren. Der BGH lässt den Anscheinsbeweis gegen den Rückwärtsfahrenden bei Kollision grundsätzlich auch auf einem Parkplatzgelände zu, also einem solchen, das grundsätzlich dem ruhenden Verkehr dient. Dabei schränkt er die Anwendung des Anscheinsbeweises jedoch dahingehend ein, dass die geforderte Typizität dann nicht mehr vorliegt, wenn zwar feststeht, dass der Geschädigte vor der Kollision auf dem Parkplatzgelände ebenfalls rückwärts gefahren ist, es aber ausgeschlossen werden kann, dass sein Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt bereits stand.

Somit eröffnet diese Entscheidung dem Geschädigten die Möglichkeit der Anwendung des Anscheinsbeweises zu seinen Gunsten, wenn er detailliert vorträgt und beweisen kann, dass er sein Fahrzeug vor der Kollision zeitgerecht zum Stillstand gebracht hat oder dies zumindest nicht ausgeschlossen werden kann – ein Umstand, der erfahrungsgemäß gutachterlich durchaus feststellbar sein kann. Einzig und allein die Frage, wie lange das Fahrzeug vor der Kollision gestanden haben muss und inwieweit es möglich sein wird, die Standdauer nachzuweisen, beantwortet der BGH nicht.

Die Entscheidung wird vernünftigerweise dazu führen, dass die bislang in der Praxis vorkommende schematische Betrachtung von Parkplatzunfällen zu einer sach- und interessengerechten Abwägung der beiderseitigen Betriebsgefahren gelangt. Allerdings weist der BGH am Ende des Urteils auch darauf hin, dass weiterhin im Rahmen der Haftungsabwägung unter Beachtung der besonderen Unfallsituation auf Parkplätzen die verschuldensunabhängige Haftung nach § 7 StVG bzw. die Haftung aus vermutetem Verschulden nach § 18 StVG berücksichtigt werden. Anders als im normalen fließenden Verkehr dürfte hier das Verschulden des Rückwärtsfahrenden regelmäßig nicht derart überwiegen, dass jedenfalls immer eine Haftung aus der Betriebsgefahr bzw. nach § 18 StVG vollständig zurücktreten müsste. Im Einzelfall wird es dann doch auf konkrete Umstände ankommen, weshalb genauer Vortrag geboten ist.

Autor: Claudio La Malfa

RA Claudio La Malfa, FA für Verkehrsrecht, Emmendingen

zfs 7/2016, S. 363

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