BGB § 253, § 823 Abs. 1; StVG § 7 Abs. 1, § 11 S. 2, § 18 Abs. 1

Leitsatz

Die Rspr. zu Schmerzensgeldansprüchen in Fällen psychisch vermittelter Gesundheitsbeeinträchtigungen mit Krankheitswert bei der Verletzung oder Tötung von Angehörigen oder sonst nahestehenden Personen (sog. Schockschäden) ist nicht auf Fälle psychischer Gesundheitsbeeinträchtigungen im Zusammenhang mit der Verletzung oder Tötung von Tieren zu erstrecken.

BGH, Urt. v. 20.3.2012 – VI ZR 114/11

Sachverhalt

Die Kl. verlangt materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit der tödlichen Verletzung eines Hunds bei einem Verkehrsunfall.

Am 24.10.2008 spazierte die Kl. mit einer 14 Monate alten Labradorhündin auf einem Feldweg. Die Hündin war nicht angeleint. Der Bekl., der mit einem Traktor von einer angrenzenden Straße in den Feldweg einfuhr, überrollte die Hündin, die dadurch so schwere Verletzungen erlitt, dass sie von einem Tierarzt eingeschläfert werden musste.

Die Kl. macht materiellen Schadensersatz wegen entstandener Tierarztkosten, Kosten für die Anschaffung eines Labrador-Welpens und außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie einen Schmerzensgeldanspruch geltend mit der Begründung, sie habe durch das Erlebnis einen Schockschaden mit schweren Anpassungsstörungen und einer schweren depressiven Episode erlitten. Es sei zu einer pathologischen Dauerreaktion gekommen, welche medikamentös habe behandelt werden müssen und die Durchführung einer Langzeitbehandlung erfordert habe. Der Zustand habe über einen Zeitraum von mindestens vier Monaten angedauert und sei bis heute nicht ausgestanden.

Das LG hat der Klage hinsichtlich der materiellen Schäden stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Bekl. hat das OLG der Klage hinsichtlich der materiellen Schäden nur i.H.v. 50 % stattgegeben und den Bekl. in entsprechender Abänderung des erstinstanzlichen Urt. verurteilt, an die Kl. 388 EUR nebst Zinsen zu zahlen sowie sie von außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 83,54 EUR freizustellen. Die Berufung der Kl. und die weitergehende Berufung des Bekl. hat es zurückgewiesen. Mit der vom BG zugelassenen Revision verfolgt die Kl. ihr Klagebegehren weiter, soweit das BG zu ihrem Nachteil erkannt hat.

2 Aus den Gründen:

[5] “I. Das BG ist mit dem LG der Auffassung, dass ein Schmerzensgeld wegen eines Schockschadens nicht in Betracht kommt. Für die ersatzfähigen materiellen Schäden hafte der Bekl. als Fahrer des unfallbeteiligten Traktors nach § 18 StVG für den Unfall, bei dem der Hund der Kl. so schwer verletzt worden sei, dass er anschließend habe eingeschläfert werden müssen. Der Bekl. habe weder nachgewiesen, dass der Unfall für ihn unabwendbar gewesen sei, noch dass ihn an dem Unfall kein Verschulden getroffen habe. Auf der anderen Seite müsse sich die Kl. nach § 17 Abs. 1 und 4 StVG die Tiergefahr ihres frei laufenden Hunds i.S.d. § 833 BGB anrechnen lassen. Die Abwägung zwischen der Betriebsgefahr des Traktors mit Anhänger und der Tiergefahr des auf einem Feldweg frei laufenden Hunds rechtfertige unter den besonderen Umständen des Falles eine hälftige Schadensteilung.

[6] II. Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

[7] 1. Das BG hat im Ergebnis mit Recht einen auf Schmerzensgeld gerichteten Schadensersatzanspruch der Kl. aus dem Gesichtspunkt eines – durch den Tod des Tieres psychisch vermittelten – sogenannten Schockschadens verneint.

[8] a) Ein solcher Schadensersatzanspruch aus § 7 Abs. 1, § 11 S. 2, § 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1, § 253 BGB wäre zwar, obwohl die Kl. einen Gesundheitsschaden nur mittelbar als (psychische) Folge des tödlichen (Verkehrs-)Unfalls ihrer Hündin erlitten haben will, ein eigener Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung eines eigenen Rechtsguts (vgl. Senatsurt. v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, BGHZ 56, 163, 168; v. 13.1.1976 – VI ZR 58/74, VersR 1976, 539, 540 und v. 6.2.2007 – VI ZR 55/06, VersR 2007, 803 Rn 10). Nach st. Rspr. des erkennenden Senats genügt jedoch nicht jede psychisch vermittelte Beeinträchtigung der körperlichen Befindlichkeit, um einen Schadensersatzanspruch eines dadurch nur “mittelbar' Geschädigten im Falle der Tötung oder schweren Verletzung eines Dritten auszulösen. Dies widerspräche der Intention des Gesetzgebers, die Deliktshaftung gerade in § 823 Abs. 1 BGB sowohl nach den Schutzgütern als auch den durch sie gesetzten Verhaltenspflichten auf klar umrissene Tatbestände zu beschränken (vgl. Senatsurt. v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, a.a.O. S. 168 f. und v. 4.4.1989 – VI ZR 97/88, VersR 1989, 853, 854). Deshalb setzt die Zurechnung psychischer Beeinträchtigungen wie Trauer und Schmerz nicht nur eine – hier zugunsten der Kl. revisionsrechtlich zu unterstellende pathologisch fassbare – Gesundheitsbeschädigung voraus, sondern auch eine besondere personale Beziehung des solcherart “mittelbar' Geschädigten zu einem schwer verletzten oder getöteten Menschen (vgl. Senatsurt. v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, a.a.O. S. 170; v. 31.1.1984 – VI ZR 56/82, VersR 1984, 439; v. 12.11.1985 – VI...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge