Dennoch kann die vom BGH geforderte Einzelfallprüfung durch in der Regel teure Sachverständigengutachten in manchen Fällen außer Verhältnis zum geltend gemachten Schadensersatz stehen, da die Heilbehandlungskosten aufgrund der erlittenen leichten Verletzungen (Prellungen etc.) eher gering sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass aufgrund einer geringen Kollisionsgeschwindigkeit sich eine HWS-Distorsion durch ein medizinisches Gutachten nachweisen lässt, ist nicht sehr hoch.[9] Insofern schrecken Geschädigte und Sozialversicherungsträger vor einem Prozess zurück. Faktisch erlangt damit die "Harmlosigkeitsgrenze" durchaus noch Wirkung. Dieser Zustand ist aber bedenklich, da er dazu führen kann, dass Geschädigte aufgrund subjektiv erfahrener Beschwerden bei einem Verkehrsunfall davon absehen, einen Rettungswagen zu rufen oder eine ärztliche Abklärung der Beschwerden herbeizuführen, weil dann die Zuzahlung anfällt.[10] Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich durch den Unfall gerade doch schwerwiegende behandlungsbedürftige Verletzungen manifestieren, die dann nicht oder zu spät behandelt würden. So kann es zum Beispiel schon durch einen unvermittelten Anstieg des Blutdruckes zu einer Ruptur eines – bis zum Unfall unbekannten – Aneurysmas[11] kommen,[12] was Lebensgefahr bedeutet.[13]

[9] So auch in dem vom AG Brandenburg zu entscheidenden Fall.
[11] Ausweitung eines Blutgefäßes; angeborene Fehlbildung im Bereich der Hirnbasisarterien; Pschyrembel, Medizinisches Wörterbuch, 258. Aufl., S. 71.

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