[26] “… II. … 2.3 Ernsthaft in Erwägung gezogen werden muss jedoch, dass die Fahrerlaubnis des ASt. entweder nach § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV oder – bei bestehendem ordentlichem Wohnsitz in Österreich – nach § 29 Abs. 3 S. 1 Nr. 2a FeV inlandsungültig sein könnte. Zwar ist im Feld 8 des ihm am 27.1.2011 ausgestellten Führerscheins ein in Tschechien liegender Ort eingetragen. Der EuGH hat jedoch zu keiner Zeit ausgesprochen, dass dem Recht der Europäischen Union ein ungeschriebener Satz des Inhalts innewohnt, dem zufolge durch eine solche Eintragung die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG und des Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG positiv und in einer Weise bewiesen wird, die die Behörden und Gerichte anderer Mitgliedstaaten der Union als unabänderliches Faktum hinzunehmen haben. Im Urt. v. 26.4.2012 (a.a.O., Rn 90) hat der Gerichtshof im Gegenteil nicht nur die Befugnis, sondern sogar die Verpflichtung der Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats postuliert, zu prüfen, ob der Inhaber einer im EU-Ausland erteilten Fahrerlaubnis zur Zeit des Erwerbs seines Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz im Ausstellermitgliedstaat hatte. Sollte das nicht der Fall gewesen sein, wären die deutschen Behörden befugt, die Anerkennung der Gültigkeit dieses Führerscheins abzulehnen (EuGH v. 26.4.2012, zfs 2012, 351 ff.).

[27] Der Umstand, dass in dem von einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein ein im Hoheitsgebiet dieses Landes liegender Ort eingetragen ist, macht, wie aus Rn 90 des Urt. v. 26.4.2012 (a.a.O.) erschlossen werden muss, eine solche Prüfung nicht entbehrlich. Der BayVGH hatte im Aussetzungs- und Vorlagebeschl. v. 16.8.2010 (zfs 2010, 536 f.), auf den hin das Urt. des EuGH v. 26.4.2012 (a.a.O.) erging, ausdrücklich festgehalten, dass im Führerschein des Kl. jenes Rechtsstreits ein in Tschechien liegender Ort eingetragen war. Gleichwohl wies der EuGH eingangs der Rn 90 des letztgenannten Urt. auf die Verpflichtung (auch) des vorlegenden Gerichts hin, das Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes in der Tschechischen Republik zu prüfen. Die Schlussfolgerung, die der BayVGH nach Auffassung des EuGH aus der Eintragung eines in Tschechien liegenden Ortes in den Führerschein jenes Kl. gezogen hatte (dass sich dessen ordentlicher Wohnsitz nämlich im Ausstellermitgliedstaat befunden habe), kennzeichnete der EuGH ausdrücklich als bloße "Annahme" (EuGH v. 26.4.2012, a.a.O., Rn 90, Satz 3). Deutlicher noch als in der deutschen Fassung jener Entscheidung kommt der Rechtsstandpunkt des EuGH, dass die Eintragung im Feld 8 eines ausländischen EU-Führerscheins nicht ohne weiteres die Beachtung des unionsrechtlichen Wohnsitzerfordernisses beweist, in der englischen und französischen Version jenes Urt. zum Ausdruck; in ihnen wird die Prämisse, die dem Aussetzungs- und Vorlagebeschl. des BayVGH nach Auffassung des EuGH insoweit zugrunde liegt, als "Hypothese" bezeichnet ("It is apparent, in that respect, from the order for reference, that the latter is based on the hypothesis that the condition of normal residence in the territory of the Member State which issued the driving licence has been complied with."; "Il ressort, à cet égard, de la décision de renvoi que celle-ci est fondée sur l'hypothèse selon laquelle la condition de résidence normale sur le territoire de l'État membre ayant délivré le permis de conduire a été respectée."). Auch die Urteilsfassungen in den meisten anderen romanischen Sprachen charakterisieren den Schluss aus der Eintragung eines im Ausstellermitgliedstaat liegenden Ortes in einem EU-Führerschein auf die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des "ordentlichen Wohnsitzes" als Hypothese; die spanische Version spricht insoweit von einem "supuesto" ("Annahme").

[28] 2.4 Grundlagen der vorzunehmenden Prüfung haben ausweislich der Ausführungen des EuGH in Rn 90 des Urt. v. 26.4.2012 (a.a.O.) die in Rn 48 der gleichen Entscheidung erwähnten Erkenntnisquellen zu sein. Damit der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von durch EU-Mitgliedstaaten erteilten Fahrerlaubnissen (Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG; Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG) durchbrochen werden darf, müssen deshalb nach wie vor entweder Angaben im zugehörigen Führerschein oder andere vom Ausstellermitgliedstaat herrührende Informationen vorliegen. Bereits im Beschl. v. 9.7.2009 (Wierer, C-445/08, NJW 2010, 217/219, Rn 58) hat der EuGH ausgesprochen, dass der Aufnahmemitgliedstaat in diesem Zusammenhang nicht auf jene Informationen beschränkt ist, die der Ausstellermitgliedstaat in den Führerschein aufnimmt oder sonst von sich aus zur Verfügung stellt; die Behörden und Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats sind vielmehr berechtigt, von sich aus Informationen von einem anderen Mitgliedstaat einzuholen (ebenso EuGH v. 1.3.2012, Akyüz, C-467/10, Rn 72 [NJW 2012, 1341 = DAR 2012, 192, zfs 2012, 359 f., Ls.]). Da die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Art. 15 S. 1 der Richtlinie 2006/1...

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