" … Die Annahme des VG [VG Köln, Urt. v. 24.4.2015 – 8 K 1068/15], dass eine Fahrtenbuchauflage von 24 Monaten bei dem hier in Rede stehenden Verkehrsverstoß (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h am 27.8.2014) weder unverhältnismäßig noch sonst ermessensfehlerhaft ist, ist nicht ernstlich zweifelhaft. Die Rügen der Kl., die Ermessenspraxis des Bekl. sei zu undifferenziert und der Bekl. sei zu Unrecht von einem Wiederholungsfall ausgegangen, begründen keinen Ermessensfehler i.S.v. § 114 S. 1 VwGO."

Der Erlass einer Fahrtenbuchauflage setzt einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht voraus. Ein nur einmaliger unwesentlicher Verstoß, der sich weder verkehrsgefährdend auswirken kann noch Rückschlüsse auf die charakterliche Ungeeignetheit des Kraftfahrers zulässt, genügt zum Erlass einer Fahrtenbuchauflage nicht. Auch für die im Einzelfall noch angemessene Dauer der Fahrtenbuchauflage kommt es wesentlich auf das Gewicht des Verkehrsverstoßes an. Darüber hinaus kann in die Ermessensentscheidung einfließen, ob das erste Mal mit einem Pkw des Fahrzeughalters ein Verkehrsverstoß ohne Fahrerfeststellung begangen wurde, oder ob es sich um einen Wiederholungsfall handelt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 10.2.2011 – 12 LB 318/08, NZV 2012, 100 = juris Rn 21; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 31a StVZO, Rn 9).

Die Bemessung des Gewichts einer Verkehrszuwiderhandlung ist dabei an dem in Anlage 13 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV) niedergelegten Punktesystem zu orientieren. Dabei ist bereits ab einem Punkt und auch schon bei der ersten derartigen Zuwiderhandlung von einem erheblichen Verstoß auszugehen (vgl. zur früheren Rechtslage nur BVerwG, Urt. v. 17.5.1995 – 11 C 12.94, [zfs 1995, 396 =] BVerwGE 98, 227 = juris Rn 9, OVG NRW, Urt. v. 29.4.1999 – 8 A 699/97, NJW 1999, 3279 = juris Rn 21, bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 9.9.1999 – 3 B 94.99, [zfs 2000, 368 =] NZV 2000, 386 = juris Rn 2).

Dies gilt umso mehr nach der Reform des Punktesystems zum 1.5.2014, wonach Punkte nur noch für Verstöße vergeben werden, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigen (vgl. BT-Drucks 17/12636, S. 1, 17).

Mit der Umstellung des vormaligen 18-Punkte-Systems des Verkehrszentralregisters auf die Entziehung der Fahrerlaubnis bei acht in das Fahreignungsregister eingetragenen (“neuen’) Punkten gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG und der damit einhergehenden Änderung der Anlage 13 zur FeV ist die Bedeutung der (weiterhin) mit einem oder mehreren Punkten bewehrten Zuwiderhandlungen zumindest gleichgeblieben.

Die Straßenverkehrsbehörde handelt nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie – wie der Bekl. – die Dauer der Fahrtenbuchauflage grds. an der vom Verordnungsgeber in der Anlage 13 zur FeV erfolgten Bewertung orientiert und auf eine weitere Binnendifferenzierung verzichtet (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 13.10.2015 – 8 B 868/15).

Nach dem aktuell gültigen, vereinfachten Punktesystem deckt ein Punkt nunmehr eine größere Spanne von Geschwindigkeitsüberschreitungen (und anderen Verkehrsverstößen) ab als zuvor. Hinzu kommt, dass Punkte nur noch für Verkehrsverstöße vorgesehen sind, die die Verkehrssicherheit tatsächlich beeinträchtigen (s.o.). Um dieser Spannbreite insgesamt typisierend Rechnung zu tragen, bemisst der Bekl. die Dauer der Fahrtenbuchauflage für alle mit einem Punkt bewerteten Zuwiderhandlungen einheitlich mit 12 Monaten, sofern es sich um einen Erstverstoß handelt. Im Wiederholungsfall verhängt er eine Fahrtenbuchauflage von 24 Monaten.

Soweit dies dazu führt, dass Geschwindigkeitsüberschreitungen “am unteren Rand’ einer punktebewerteten Zuwiderhandlung nunmehr eine längere Fahrtenbuchauflage zur Folge haben als vor der Systemumstellung, bewegt sich die vom Bekl. mitgeteilte neue Verwaltungspraxis im Bereich zulässiger Typisierung. Bei derart häufig auftretenden Vorgängen darf sich die Verwaltungspraxis an einfach handhabbaren Kriterien ausrichten. Ausgehend davon hat der Senat mit Beschluss gleichen Rubrums vom heutigen Tag die Praxis des Bekl. als verhältnismäßig angesehen, bei mit einem Punkt bewerteten Ordnungswidrigkeiten eine Fahrtenbuchauflage von 12 Monaten zu erlassen (vgl. näher OVG NRW, Beschl. v. 13.1.2016 – 8 A 1030/15).

Die Verdoppelung dieses Zeitraums auf 24 Monate bei einem wiederholten unaufgeklärt gebliebenen Verkehrsverstoß erweist sich ebenfalls als verhältnismäßig. Zweck der Fahrtenbuchauflage ist es, die Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr zu gewährleisten und sicherzustellen, dass zukünftige Verkehrsverstöße nicht ungeahndet bleiben (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 7.4.2011 – 8 B 306/11 und v. 11.10.2007 – 8 B 1042/07, NZV 2008, 52 = juris Rn 4 f., m.w.N.).

Das Bedürfnis, durch die mit einer Fahrtenbuchauflage verbundene präventive Kontrolle weiteren vergleichbaren Vorfällen entgegenzuwirken, ist dabei größer, wenn es bereits zum wiederholten Mal zu unaufgeklärt gebliebenen Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften gekommen ist.

Gemessen dar...

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