BGB § 929 § 932 § 952 § 985

Leitsatz

1. Beim Erwerb vom Nichtberechtigten ist ein grob fahrlässiges Verhalten des Erwerbers dann anzunehmen, wenn er trotz Vorliegens von Verdachtsmomenten, die Zweifel an der Berechtigung des Veräußerers wecken müssen, erforderliche Nachforschungen nicht unternimmt.

2. Für den Gebrauchtwagenhandel ist bei der Bewertung der Umstände, die für den Käufer eines gebrauchten Kfz eine Nachforschungspflicht hinsichtlich der Verfügungsberechtigung des Veräußerers begründen, ein strenger Maßstab anzulegen.

(Leitsätze der Schriftleitung)

LG München I, Urt. v. 2.2.2015 – 26 O 13347/14

Sachverhalt

Der Kl. macht die Verurteilung der Bekl. zur Herausgabe der Zulassungsbescheinigung II für ein von ihm erworbenes Fahrzeug geltend. Ein Leasingnehmer der Bekl. bot dem Kl. als Geschäftsführer einer Gebrauchtwagenfirma ein Fahrzeug zum Kauf an. In beiden Zulassungsbescheinigungen für das Fahrzeug war der Leasingnehmer als Halter eingetragen. Die Zulassungsbescheinigung Teil II war gefälscht. Zur Herstellung der gefälschten Urkunde wurde ein Blanko-Formular verwendet, das in einem Rathaus entwendet worden war. Der Kl. kaufte das Fahrzeug zum Preis von 26.000 EUR und bezahlte bei der Übergabe des Fahrzeuges den Kaufpreis bar.

Der Kl. kaufte am gleichen Tage das Fahrzeug von der von ihm geführten Gebrauchtwagenfirma zum gleichen Preis, um es privat zu nutzen. Das Fahrzeug wurde von der Stadt Frankfurt zugelassen wobei die Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II nicht erkannt wurde. Der Kl. ist der Auffassung einen Anspruch auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II deshalb zu haben, weil er das Eigentum an dem Kfz gutgläubig vom Nichtberechtigten erworben habe. Anhaltspunkte dafür, dass der Verkäufer nicht der Eigentümer gewesen sei, habe er nicht gehabt. Im Übrigen habe das Fahrzeug Mängel aufgewiesen, die er mit einem Aufwand von 3.000 EUR habe beheben lassen.

Die Bekl. meint, dass der Kl. seiner Nachforschungspflicht grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Die Mängel der Zulassungsbescheinigung hätten ihm als Händler von gebrauchten Fahrzeugen auffallen müssen. Auch der auffällig geringe Kaufpreis von 30–40 % unter Wert hätten ihm Anlass zu Zweifeln an der Eigentümerstellung des Verkäufers geben müssen.

Mit ihrer Hilfswiderklage für den Fall der Abweisung der Klage verfolgt die Bekl. die Verurteilung des Kl. zur Herausgabe des Pkw.

Die Klage hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen:

"Die zulässige Klage ist begründet. Über die Hilfswiderklage ist nicht zu entscheiden, da diese nur für den Fall der Klageabweisung erhoben wurde."

Der Kl. ist als Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs gem. § 952 Abs. 1 BGB analog auch Eigentümer der Zulassungsbescheinigung Teil II und kann demgemäß von der Bekl. Herausgabe gem. § 985 BGB verlangen. Der Kl. hat das Fahrzeug für die … GmbH gem. §§ 929, 932 BGB gutgläubig erworben und konnte es daher anschließend wirksam an sich selbst übereignen. Ein Fall des Abhandenkommens i.S.v. § 935 BGB liegt nicht vor, weil der Bekl. die Sache nicht abhandengekommen ist. Sie hat das Fahrzeug vielmehr freiwillig zu Leasingzwecken an … gegeben.

Nach der Überzeugung des Gerichts hatte der Kl. bei dem Erwerb des Fahrzeugs für die … GmbH keine Kenntnis davon, dass der Verkäufer … nicht Eigentümer des Fahrzeugs war. Der Kl. berichtete bei seiner Anhörung im Termin v. 4.12.2014 glaubhaft, dass er selbst die Bekl. auf die Spur des Fahrzeugs gebracht hat, indem er bei der Firma … , die seines Wissens nach mit der Bekl. zusammenarbeitet, nach den am 21.10.2013 durchgeführten Reparaturen fragen ließ. Aus dem Serviceheft des Fahrzeugs hat sich ergeben, dass die Firma … das Fahrzeug am 21.10.2013 überprüft hatte. Am 15.11.2013 wurde das Fahrzeug von der Bekl. an den Leasingnehmer … übergeben. Wenn der Kl., der nach seinen Angaben schon Fahrzeuge von der Bekl. gekauft hat, damit gerechnet hätte, dass es sich um ein unterschlagenes Fahrzeug handelt, hätte er bei der Firma … keine Erkundigungen eingezogen. Der Kl. hat sich nach seinen glaubhaften Angaben vor dem Ankauf auch bei der Polizei erkundigt, ob das Fahrzeug auf … zugelassen ist und nicht als gestohlen gemeldet ist.

Die Bekl. konnte den ihr nach § 932 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB obliegenden Nachweis, dass der Kl. beim Erwerb des Fahrzeugs nicht im guten Glauben war, nicht führen. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, weil er das unbeachtet lässt, was im konkreten Fall jedem hätte einleuchten müssen (st. Rspr. vgl. BGH WM 1966, 678 BGH NJW 1960, 2245 BGH NJW 2005, 1365, 1366). Beim Erwerb vom Nichtberechtigten ist dies regelmäßig anzunehmen, wenn der Erwerber trotz Vorliegens von Verdachtsgründen, die Zweifel an der Berechtigung des Veräußerers wecken müssen, sachdienliche Nachforschungen nicht unternimmt. Wann eine solche Nachforschungspflicht besteht, ist eine Frage des Einzelfalls. Für den Gebrauchtwagenhandel ist nach der Rspr. des BGH, der sich die Kammer anschließt, bei der Bewertung der Umstände, die für de...

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