Die Neuauflage des Handbuchs ist inzwischen auf über 1.600 Seiten inklusive Verzeichnissen angewachsen. Die im Werk enthaltenen Muster (lobenswert etwa die Muster zur Herbeiführung der gerichtlichen Entscheidung nach § 62 OWiG zur Akteneinsicht, S. 151 ff., oder zur Abrechnung gegenüber der Rechtsschutzversicherung, S. 1383 ff.) befinden sich auch auf einer beigefügten CD. In die vierte Auflage haben zusätzliche Themen Einzug gefunden: Die Akteneinsicht hat ein eigenes Stichwort zugewiesen bekommen, natürlich auch das neue Fahreignungsregister, dazu das Absehen von Gründen im Urteil oder auch das Verfallsverfahren.

Was hat es mit diesen "Stichworten" auf sich? Anstelle eines nach Bereichen und Kapiteln sortierten Handbuchs hat Burhoff hier – wie auch in anderen Handbüchern unter seiner Herausgeberschaft – eine alphabetische Sortierung der Schlagworte vorgenommen, um ein Thema umfassend abzudecken. Diese Herangehensweise ist bei der ersten Lektüre höchst ungewöhnlich, aber man gewöhnt sich rasch daran. So beginnt das Werk mit der Ablehnung eines Richters, hat erkennbare Schwerpunkte zu den Stichworten Fahrverbot, Geschwindigkeitsüberschreitung, Hauptverhandlung oder auch Rechtsbeschwerde, und endet mit dem Zwischenverfahren.

Die Aktualität der zitierten Entscheidungen ist hoch, wenngleich bei der Masse an Nachweisen natürlich die eine oder andere Entscheidung übersehen wurde. Besonders vermisst habe ich jedenfalls den Hinweis auf den (zivilrechtlichen) Streit (LG Halle) um den Besitzer der Messdaten im Kapitel zur Lichtschrankenmessung: Hieraus ergäben sich für den Verteidiger sehr interessante Ansätze, die inzwischen auch einen ersten Widerhall in der Rechtsprechung finden.

Innerhalb der einzelnen Themen ist neben der Nachweisdichte auch die Detailliertheit der Sachinformationen enorm. Imposant sind etwa der Abschnitt zur unerlaubten Benutzung eines Mobiltelefons oder auch das neue Kapitel zur Akteneinsicht. Insbesondere die tabellarische Auflistung der vorhandenen Varianten innerhalb der Rechtsprechung bietet dem Rechtsanwender eine gute Orientierung für den eigenen Fall. Allerdings geht der Detailreichtum bisweilen zulasten der Übersichtlichkeit. Beispielhaft ist dies etwa zu sehen bei der Frage, ob der Verteidiger die Vertretungsvollmacht selbst unterzeichnen kann. Natürlich ist die neue Rechtsprechung des KG Berlin hierzu vorhanden (S. 857), aber an der entscheidenden Stelle (S. 851) wird nur nach hinten verwiesen. Hier würde ich als Leser schon vorher diese wichtige Nuance in einem kurzen (Neben-)Satz erwarten, denn nur wer die Problematik schon kennt, kann zielgerichtet weiter hinten suchen. Den übrigen entgeht womöglich eine wichtige Assoziation an der entscheidenden Stelle.

Erfreulich ist, dass trotz der Fokussierung auf die Interessen des Verteidigers die Darstellungen zu bestimmten Sollbruchstellen des Bußgeldverfahrens zurückhaltend sind, etwa wenn es um die Unwirksamkeit des Bußgeldbescheids wegen Mängeln (S. 278), um den Einspruch per E-Mail (S. 353 f.), um den sinnvollen Vortrag des Verteidigers zwecks Absehens vom Fahrverbot (S. 453) oder um die Nichtanwendbarkeit der EGMR-Rechtsprechung auf den § 73 OWiG (S. 823) geht: Die jeweiligen Autoren verschweigen ihre eigene Bewertung der jeweiligen Situation nicht, stellen aber unmissverständlich die derzeit gegebene rechtliche Lage dar.

Persönlich schätze ich das Handbuch vor allem wegen der trotz der notwendigen Komprimierung hervorragenden Ausführungen zur Rechtsbeschwerde. Gerade hier ist die Verzahnung von Theorie, Hinweisen und Anwendungsvorschlägen die optimale Hilfestellung für den Verteidiger, aber auch für das Gericht zur Selbstkontrolle.

Zu guter Letzt: Das Autorenteam ist wieder einmal verändert worden. RA Dr. Boettger, der u.a. die Geschwindigkeits- und Abstandsmessverfahren bearbeitet hatte, ist in der Neuauflage von einem ganzen Autorenteam einer Sachverständigengesellschaft ersetzt worden. Ich halte dies für bedenklich. Jedenfalls muss der Leser nunmehr – ähnlich wie bei Kommentaren zum Schadensrecht, bei denen Versicherungsanwälte bspw. den § 249 BGB bearbeiten – aufmerksam verfolgen, ob die Ausführungen nicht interessengeleitet sind.

Insgesamt erachte ich das Handbuch von Burhoff weiterhin als einen ganz wesentlichen Bestandteil jeder Handbibliothek des Straßenverkehrsrechtlers. Es bietet für alle Prozessbeteiligten kluge und strategische Ausführungen und fungiert – jedenfalls bei mir – als wichtige und vor allem gleichwertige Erkenntnisquelle neben meinen Standardbezugswerken (Krumm, Hentschel, Göhler, KK-OWiG).

Autor: Dr. Benjamin Krenberger

RiAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl

zfs 6/2015, S. 314 - 315

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